Für ein offenes und vielstimmiges Miteinander
Freiburg, 14.05.2021
„Eine Chance, damit mehr Vielfalt in der Realität ankommt“: So beschreibt Prof. Dr. Sylvia Paletschek, Prorektorin für Universitätskultur der Universität Freiburg, die Auseinandersetzung mit Themen wie Ausgrenzung und Stigmatisierung. Diese stehen im Mittelpunkt des diesjährigen Tags der Vielfalt, der am 18. Mai 2021 stattfindet und alle Studierenden und Beschäftigten zum Mitmachen einlädt. Rimma Gerenstein hat die Prorektorin gefragt, welche Rolle Vielfalt in Forschung, Lehre und Verwaltung spielt.
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansichten und Standpunkten hilft dabei, neue Erkenntnisse zu erlangen.Foto: Photocreo Bednarek/stock.adobe.com
Frau Paletschek, warum beteiligt sich die Universität Freiburg am Tag der Vielfalt?
Sylvia Paletschek: Wir bekennen uns nachdrücklich zu Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion. Die Universität Freiburg setzt sich für eine wertschätzende und diskriminierungsfreie Universitätskultur ein. Um dies sichtbar zu machen und ein Bewusstsein bei den Beschäftigten und Studierenden dafür zu schaffen, veranstaltet die Universität bereits seit 2012 jährlich einen Tag der Vielfalt, an dem unterschiedliche Aspekte von Vielfalt herausgegriffen und thematisiert werden. Damit beteiligen wir uns auch am bundeweiten Deutschen Diversity-Tag.
Welche Rolle spielt Vielfalt im akademischen Betrieb?
Wissenschaft lebt von der differenzierten Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansichten und Standpunkten. Um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, ist der Blick über den persönlichen wie wissenschaftlichen Tellerrand hinaus sehr wichtig. Vielfalt in den Forschungsmethoden und -perspektiven, aber auch in der personellen Zusammensetzung von Arbeitsgruppen wirkt sich positiv auf die Qualität von Forschung aus. Auch die Lehre und die Administration benötigen ein Klima, das von Offenheit, Toleranz und einem wertschätzenden Miteinander geprägt ist. Der Erfolg einer Universität hängt so auch von einer Lern- und Arbeitskultur ab, in der Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts oder körperlicher Verfassung und mit verschiedenen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen über die Bereiche und Statusgruppen hinweg gut zusammenarbeiten.
Die Universität Freiburg wird sich in diesem und im kommenden Semester auf eine ungewöhnliche Art und Weise mit diesen Aspekten befassen: Sie war im Wettbewerb „Eine Uni – ein Buch“ des Stifterverbands mit Carolin Emckes Buch „Gegen den Hass“ erfolgreich.
Ja, und dieses Thema wird auch Bestandteil des diesjährigen Tags der Vielfalt. In „Gegen den Hass“ beschreibt Carolin Emcke eine bedrohliche Entwicklung: Wir erleben zunehmend Rassismus, Fanatismus und Demokratiefeindlichkeit, und Emcke plädiert für eine offene und vielstimmige Gesellschaft. Die entscheidende Frage für uns ist: Was können jede und jeder Einzelne und die Universität beitragen, um sich Ausgrenzung und Hass entgegenzustellen? Woher genau kommt Hass, und was hat er vielleicht mit Privilegien und den so genannten Implicit Bias zu tun? Über den Tag verteilt wird es mehrere digitale Anti-Bias-Workshops für alle Mitglieder der Universität geben, die der Selbstreflexion und dem Austausch dienen sollen. In den Workshops bekommen alle Interessierten die Möglichkeit, ihren Blick für nicht-diskriminierende und wertschätzende Verhaltensweisen zu schärfen.
Eine Aufgabe, die von allen Studierenden und Beschäftigten gestaltet und gelebt wird: So sieht Sylvia Paletschek die Umsetzung von Universitätskultur. Foto: Thomas Kunz
Sehen Sie dafür Bedarf an der Universität Freiburg?
Ich schätze das Klima an unserer Universität. Es ist von einer großen Leistungs- und Einsatzbereitschaft und – trotz der in einer Institution unvermeidlichen Meinungsverschiedenheiten und Konflikte – grundsätzlich von Wohlwollen und Offenheit geprägt. Ich sehe es als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung an, dass wir uns universitätsweit mit Erscheinungen wie Ausgrenzung, Diskriminierung und Hass beschäftigen. Im Rahmen von „Eine Uni – ein Buch“ wird das auf drei Ebenen – in der Wissenschaft, über Selbstreflexion und in der öffentlichen Debatte – geschehen. Wir alle, Universität und Wissenschaft, sind ein Teil der Gesellschaft. Wir können dazu beitragen, Stigmatisierungen entgegenzuwirken und so einen sichtbaren Kontrapunkt zu Polarisierungen und Ausgrenzung im gesellschaftlichen Miteinander zu setzen. Das ist eine Chance, damit mehr Vielfalt in der Realität ankommt.
Wie möchten Sie die Themen Gender und Diversity an der Universität Freiburg stärken?
Als Prorektorin für Universitätskultur möchte ich mich für eine geschlechtergerechte, diskriminierungsfreie und inklusive Gestaltung der Universität in Lehre, Forschung, Verwaltung und Wissenschaftskommunikation einsetzen. Dazu gehört zum Beispiel die Förderung von Wissenschaftlerinnen in der Postdoc-Phase sowie Diversität in der Personalrekrutierung. Ein weiteres Ziel ist für mich die Stärkung der Geschlechterforschung an der Universität Freiburg – unser Masterstudiengang Gender Studies ist der einzige in Baden-Württemberg. Zudem möchte ich Angebote wie den Werkzeugkasten diversitätssensible Lehre und Anti-Bias-Trainings in den nächsten drei Jahren noch sichtbarer machen und weiter ausbauen. Eine gender- und diversitätsgerechte Universitätskultur ist eine Querschnittsaufgabe. Sie kann nicht von einem Prorektorat Universitätskultur allein bewältigt werden, sondern sollte von allen Studierenden und Beschäftigten an der Universität gestaltet und gelebt werden.