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Mentale Stärke für die Matte

Elena Brugger vereint eine Karriere als Ringerin mit einem Psychologiestudium

Freiburg, 11.12.2018

Sie studiert an der Universität Freiburg Psychologie und ist im September 2018 Studierendenweltmeisterin im Ringen geworden: Elena Brugger verbindet Profisport und Hochschulstudium, ohne dass eines von beidem zu kurz kommt.


Elena Brugger hat gleich bei ihrer ersten Teilnahme an einer Studierendenweltmeisterschaft im Ringen die Goldmedaille gewonnen. Foto: privat

Eine kurze, letzte Absprache mit dem Trainer. Das Handy ist aus, die Familie verfolgt das Geschehen gebannt von zu Hause. Elena Brugger braucht die Ruhe vor einem Wettkampf, möglichst wenig Ablenkung. Dann geht es auf die Matte.

Die 21-jährige Studentin hat im September 2018 im brasilianischen Goiania zum ersten Mal an einer Studierendenweltmeisterschaft im Ringen teilgenommen und die Goldmedaille gewonnen. In der Finalrunde triumphierte sie in der Disziplin Freistil, Gewichtsklasse bis 55 Kilogramm, über die Japanerin Momoka Kadoya. Dabei verwandelte sie einen anfänglichen 0:7-Rückstand in einen klaren Sieg mit 13:7. „Im Ringen bleibt es bis zum Schluss spannend. Ich habe versucht, mich nicht ablenken zu lassen und weiter daran zu glauben, dass ich den Kampf noch gewinnen kann“, erzählt die Athletin.

Brugger studiert im fünften Fachsemester Psychologie an der Albert-Ludwigs-Universität. Im Anschluss an den Bachelor soll der Master folgen. Wie es genau für sie weitergehen soll, weiß sie noch nicht. „Ich kann mir aber vorstellen, in die wirtschaftliche Richtung zu gehen.“ Direkt nach der Studierendenweltmeisterschaft – mit anschließendem Sightseeing in Rio de Janeiro und Brasilia – hat sie ein fünfwöchiges Praktikum in der Personalabteilung der Sick AG in Waldkirch begonnen.

Weltmeisterin mit 21 Jahren

Vater, Onkel, Bruder: Elena Brugger stammt aus einer Ringerfamilie. Dass sie aber einmal mit 21 Jahren Studierendenweltmeisterin sein würde, ahnte sie noch nicht, als sie zum ersten Mal auf der Matte stand. Damals war sie fünf Jahre alt. Anfangs noch aus bloßer Neugierde, was der zwei Jahre ältere Bruder da so treibt, ging sie recht schnell regelmäßig zum Training. Im Sportverein des südbadischen Adelhausen wurde aus kindlichem Spiel und Spaß schnell echter Ehrgeiz. Sie nahm erfolgreich an ersten Wettkämpfen teil. In der sechsten Klasse wurde sie am Olympiastützpunkt Freiburg-Schwarzwald als Nachwuchstalent entdeckt.

Von diesem Zeitpunkt an trainierte sie zusätzlich zum Training im Heimatverein zunächst einmal, später drei- bis viermal in der Woche gemeinsam mit ihrem Team am Olympiastützpunkt. Auch wenn es ihr manchmal schwer fiel, im Sommer auf der Matte zu stehen, wenn ihre Freundinnen und Freunde sich im Freibad austobten: „Der Sport hat mich einfach von Anfang an gefesselt. Ich habe nie daran gedacht, etwas anderes zu machen oder aufzuhören.“ Irgendwann wurde es schwierig, in ihrem Heimatort Rheinfelden zur Schule zu gehen und so oft zum Sport nach Freiburg zu fahren. Deshalb wechselte die damals 16-Jährige zu Beginn der gymnasialen Oberstufe an die Staudinger Gesamtschule in Freiburg und machte 2015 dort ihr Abitur.

Tipps für das Studium

Seit einigen Jahren geht es sogar täglich jeweils morgens und abends für etwa eineinhalb bis zwei Stunden zum Training. Zwischen die Einheiten legt sich Brugger Vorlesungstermine und koordiniert Physiotherapiestunden und Beratungstermine am Olympiastützpunkt. An der Universität ergeben sich dennoch Fehlzeiten. Sie kann beispielsweise aufgrund von Trainingslagern oder Wettkämpfen Pflichttermine nicht wahrnehmen oder Klausuren nicht mitschreiben. Deshalb hat sie in Absprache mit ihrem Laufbahnberater Jürgen Willrett vom Olympiastützpunkt und ihrem Studienberater Dr. Michael Scheuermann vom Institut für Psychologie ihren Studienverlauf entzerrt. Von ihnen erhält sie Tipps, welche Module sie schieben kann und welche Veranstaltungen sie besuchen sollte. Wenn sich die Uni einmal absolut nicht mit dem Training vereinbaren lässt, werden ihr auch mal mehr Fehltage erlaubt, oder sie kann Zusammenfassungen über Vorlesungen schreiben, statt anwesend zu sein.

Das Wissen, das Brugger im Studium erwirbt, hilft ihr auch auf der Matte: „Mentale Stärke ist ein entscheidender Faktor im Ringen. Gerade in den letzten Semestern konnte ich ein paar Strategien und Techniken aus dem Studium bei Wettkämpfen anwenden.“ Umgekehrt erkennt sie in Wettkampfsituationen Theorien und Muster wieder, die in der Vorlesung besprochen wurden. Wenn eine Gegnerin beispielsweise kurz vor einem Kampf besonders schnell oder mit hoher Stimmlage spricht, erkennt die angehende Psychologin darin deutlich Nervosität oder Angst.

Zeit bewusst genießen

In ihrem Alltag erfährt die Studentin unterschiedliche Reaktionen auf ihren Sport. Es gibt nach wie vor eher wenige Frauen im Ringen. Und wenn sie eine Einladung zu einer Party wegen eines wichtigen Wettkampfes ausschlagen muss, ist schon der eine oder andere enttäuscht. „Die meisten haben allerdings Verständnis und bestärken mich in meinem Wunsch, Studium und Leistungssport gleichzeitig zu stemmen.“ Zudem genießt Brugger die gemeinsame Zeit mit Freunden, und sei es nur ein Kaffee zwischen den Seminaren, umso bewusster.

Sich zum täglichen Training zu motivieren fällt ihr nicht schwer. Gerade wenn es an der Universität viel zu tun gibt und sie sich in langen Lern- und Arbeitsphasen befindet, ist der Sport ein Gegengewicht. Nach körperlich erschöpfenden Wettkämpfen wiederum fällt es ihr leichter, sich mit den Inhalten ihres Studiengangs zu befassen. Im November 2018 stand der nächste Höhepunkt an: Bei der U23-Weltmeisterschaft in Rumänien hat Elena Brugger die Bronzemedaille geholt. Auch hier lautete ihr Erfolgsrezept wieder: In der Ruhe liegt die Kraft.

Pauline Grünewald