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Spionage-Satelliten gewähren Einblicke in historische Veränderungen von Ökosystemen

Mehr als eine Million freigegebener Bilder aus ehemaligen US-Spionageprogrammen könnten für die ökologische Forschung und den Naturschutz genutzt werden, zeigt eine neue Studie.

Freiburg, 16.02.2024

In der Zeit des Kalten Krieges nahmen Spionagesatelliten eine große Zahl von Bildern auf. Viele dieser ursprünglich geheimen Bilder wurden vor Jahrzehnten für die Öffentlichkeit freigegeben. Von Forschenden werden die Fernerkundungsdaten bereits in vielen Bereichen genutzt, beispielsweise in der Archäologie oder dem Bauingenieurwesen. In der ökologischen Forschung und im Naturschutz wurden sie bislang jedoch nur wenig verwendet. Eine neue Studie unter der Leitung von Dr. Catalina Munteanu von der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg will nun die Nutzung von ehemals geheimen Satellitendaten in den Bereichen Ökologie und Naturschutz vorantreiben. Dank neuer Fortschritte in der Bildverarbeitung und -analyse können diese weltweit verfügbaren Schwarz-Weiß-Bilder bessere Einblicke in die historischen Veränderungen von Ökosystemen, Artenpopulationen oder in die Veränderungen des menschlichen Einflusses auf die Umwelt seit den 1960er Jahren bieten, so die Forschenden.

Ein großer Kahlschlag aus den 1960er Jahren in der Nähe einer 1 Hektar großen Waldforschungsfläche in der Region Südschwarzwald. Obwohl ein Großteil des Gebiets heute bewaldet ist, haben historische Holzeinschläge die Struktur und Zusammensetzung des Waldes verändert. Links: historisches Spionage-Satellitenbild. Rechts: aktuelles Google Earth Bild.

Ein großer Kahlschlag aus den 1960er Jahren in der Nähe einer 1 Hektar großen Waldforschungsfläche in der Region Südschwarzwald. Obwohl ein Großteil des Gebiets heute bewaldet ist, haben historische Holzeinschläge die Struktur und Zusammensetzung des Waldes verändert. Links: historisches Spionage-Satellitenbild. Rechts: aktuelles Google Earth Bild.

 

Historische Satellitenbilder decken fast den gesamten Globus und alle Jahreszeiten ab

In ihrer Studie werteten die Forschenden zunächst die räumliche und jahreszeitliche Abdeckung von mehr als einer Million freigegebener Bilder aus vier historischen US-Spionagesatellitenprogrammen aus. Sie stellten fest, dass diese Daten nahezu die gesamte Erde abdecken und für alle Jahreszeiten vorliegen. Das Team verschaffte sich dann einen Überblick, wie Spionagesatellitenbilder bereits in Forschungsarbeiten mit ökologischen Bezug verwendet werden. Daraus leiteten sie mögliche zukünftige Anwendungsgebiete ab. Vor allem die große räumliche und zeitliche Abdeckung der Satellitenbilder könnte neue Einblicke in ökologische Konzepte ermöglichen, darunter sich verändernde Referenzwerte, Verzögerungs- und Altlasteneffekte.

Dieses verbesserte Verständnis könne eine bessere Kartierung der historischen Ausdehnung und Struktur von Ökosystemen erlauben, bei der Identifizierung früherer Lebensräume und Artenverteilungen helfen und neue Erkenntnisse über die historischen Auswirkungen menschlichen Handelns auf den heutigen Zustand von Ökosystemen liefern. „So hat beispielsweise der Schwarzwald nach dem Zweiten Weltkrieg eine intensive menschliche Nutzung erfahren, die die Zusammensetzung des Waldes und die Funktionsweise des Ökosystems dramatisch verändert hat und wahrscheinlich noch immer die Fähigkeit des Ökosystems beeinträchtigt, die Herausforderungen der Gegenwart – wie den Klimawandel – zu bewältigen“, erläutert Munteanu. Solche langfristigen Auswirkungen könnten mit den Satellitendaten viel genauer untersucht werden. In Zukunft sei das verbesserte Wissen um ökologische Ausgangszustände auch für die Naturschutzplanung und die Wiederherstellung von Ökosystemen hilfreich.

„Eine Gute Kenntnis der Vergangenheit hilft, Fehlschlüsse über den aktuellen Zustand der Umwelt zu vermeiden“

Die Nutzung von Spionagesatellitendaten in der ökologischen Forschung stehe jedoch vor mehreren Schwierigkeiten, darunter der begrenzte Zugang zu Daten und ihre Weitergabe unter Forschenden, hohe Kosten, die Notwendigkeit der Vorverarbeitung und Korrektur von Bildern und das Fehlen einheitlicher Arbeitsabläufe innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Lösungen für diese Probleme ließen sich nur gemeinsam entwickeln. „Unsere Arbeit ist ein Aufruf zur interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ökolog*innen, Naturschützern und Fernerkundungsspezialist*innen, um das volle Potenzial dieser unglaublichen Datenschätze zu erschließen. Unsere früheren Studien haben gezeigt, dass wir nur mit einer guten Kenntnis der Vergangenheit Fehlschlüsse über den aktuellen Zustand der Umwelt vermeiden können“, sagt Munteanu.

In einer Studie aus dem Jahr 2020, die ein internationales Medienecho auslöste, hatte eine Forscher*innengruppe unter der derselben Leitung bereits ein Beispiel dafür vorgestellt, wie Satellitenbilder in der Ökologie eingesetzt werden können: Die Bilder ermöglichten es, die unerwartete Abnahme der Bestände von Steppenmurmeltieren auf historische Veränderungen der Landwirtschaft zurückzuführen. „Um solche Untersuchungen zu ermöglichen, sind wir auf die Unterstützung der Dateneigentümer bei der Freigabe und Vorverarbeitung der Daten angewiesen“, fügt Munteanu hinzu.

 

  • Originalpublikation: Catalina Munteanu, Benjamin M. Kraemer, Henry H. Hansen, Sofia Miguel, E. J. Milner-Gulland, Mihai Nita, Igor Ogashawara, Volker C. Radeloff, Simone Roverelli, Oleksandra O. Shumilova, Ilse Storch, Tobias Kuemmerle: The potential of historical spy-satellite imagery to support research in ecology and conservation. BioScience (2024). DOI: 10.1093/biosci/biae002
  • Dr. Catalina Munteanu ist Postdoktorandin am Lehrstuhl für Wildtierökologie und -management an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. Ihre Hauptforschungsgebiete sind historische Landnutzungsänderungen, ihre Auswirkungen auf heutige Ökosysteme und ihr Management.
  • Das Projekt wurde von der Europäischen Kommission im Rahmen des Marie Sklodowska-Curie-Programms, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Graduiertenkollegs ConFoBi, dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und dem NASA Land Cover and Land Use Change Program gefördert.

 

Kontakt:

Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-4302
E-Mail: kommunikation@zv.uni-freiburg.de