Ambrosiakäfer züchten und pflegen eigene Nahrungspilze
Freiburg, 02.11.2022
Die Borkenkäfer-Art Xyleborinus saxesenii besitzt landwirtschaftliche Fähigkeiten. Foto: Gernot Kunz
Ambrosiakäfer betreiben aktive Landwirtschaft: Eine Borkenkäfer-Art züchtet und pflegt in ihren Nestern Nahrungspilze und sorgt dafür, dass sich so genannte Unkrautpilze weniger stark ausbreiten. Das konnte die Freiburger Biologin Janina Diehl jetzt erstmals experimentell nachweisen. Sie ist Doktorandin bei Prof. Dr. Peter Biedermann, Professor für Forstentomologie und Waldschutz der Universität Freiburg. Diehl untersuchte Labor-Pilzgärten des Kleinen Holzbohrers (Xyleborinus saxesenii), der zu den Ambrosiakäfern gehört und in vielen heimischen Parks und Gärten mit altem Baumbestand zu finden ist. Sie stieß auf deutliche Nachweise dafür, dass die Käfer aktiv Einfluss auf ihre Pilzgärten nehmen. Die Forschungsergebnisse sind soeben in „Proceedings of the Royal Society B“ erschienen.
Pilzbeläge in Holzgängen
Ambrosiakäfer ernähren sich von speziellen Pilzbelägen, die in den Gängen wachsen, die sie in altes Holz bohren. Frühen Naturforscher*innen erschienen diese Beläge wie göttliches Ambrosia, so erhielten die Käfer ihren Namen. Schon seit langem wurde aufgrund ihres Sozial- und Hygieneverhaltens vermutet, dass sie ihre Nahrungspilze aktiv pflegen – nachgewiesen werden konnten solche landwirtschaftlichen Fähigkeiten bisher aber nur bei manchen Termiten und Blattschneiderameisen.
Genetische Analyse der Pilzgärten
Diehl ist dies nun auch für Ambrosiakäfer gelungen: Im Labor ließ sie Mutterkäfer des Kleinen Holzbohrers Nester mit Nachwuchs gründen, in denen sich die typischen Pilzgärten bildeten. Aus einem Teil der Nester entfernte sie anschließend die pflegenden Individuen, in anderen beließ sie diese. Eine genetische Analyse von Bakterien- und Pilzgemeinschaften der Pilzgärten nach 40 Tagen zeigte, dass die Anwesenheit der Käfer die Pilzgemeinschaft stark verändert hatte.
„Man hätte erwarten können, dass sich in den Nestern mit Käfern weniger Nahrungspilze befinden, weil diese gefressen werden – aber das Gegenteil war der Fall, hier war die Pilzzusammensetzung deutlich in Richtung Nahrungspilze verschoben“, sagt Diehl. In den Nestern ohne pflegende Käfer war der Anteil der Unkrautpilze dagegen deutlich höher. Auch die Zusammensetzung der Bakterien unterschied sich.
Käfer nutzen wohl Antibiotika bildende Bakterien
„Diese Ergebnisse belegen die Existenz einer aktiven Landwirtschaft bei Ambrosiakäfern, auch wenn die genauen Mechanismen zur Steuerung der Pilzgemeinschaft noch weiter untersucht werden müssen“, ergänzt Biedermann. Es gebe Hinweise darauf, dass die Käfer spezielle Bakterien nutzen, die antibiotische Substanzen produzieren. Diese wiederum könnten das Wachstum der Unkrautpilze hemmen.
Auch das Sozialverhalten spiele wohl eine wichtige Rolle, die gesamte Käfergruppe im Nest inklusive der Larven arbeite bei der Pflege der Pilze zusammen. So entstehe eine enge Symbiose zwischen Käfern und Pilzen: „Jede Ambrosiakäfer-Art hat ihren eigenen Nahrungspilz – beide können nicht ohne den anderen überleben.“
Erfahrung seit 60 Millionen Jahren
Auch wirtschaftlich relevante Borkenkäfer wie der Buchdrucker (Ips typographus) weisen ähnliche Symbiosen mit Pilzen auf, durch deren Verständnis die Käfer zukünftig besser bekämpfen werden könnten. Weitere Forschungsarbeiten dazu, wie genau die Ambrosiakäfer das Wachstum von Unkrautpilzen unterdrücken, könnten zudem lohnende Erkenntnisse für die menschliche Landwirtschaft liefern, die etwa mit Resistenzen zu kämpfen habe, sagt Biedermann: „Es ist hoch spannend für uns zu sehen, wie die Natur das seit 60 Millionen Jahren macht. Vermutlich können wir Menschen von diesen Mechanismen noch etwas lernen.“
Weitere Informationen unter www.forest-entomology.com
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: Diehl J.M.C., Kowallik V, Keller A, Biedermann P.H.W. (2022), First experimental evidence for active farming in ambrosia beetles and strong heredity of garden microbiomes. Proceedings of the Royal Society B. 289: 20221458. DOI: https://doi.org/10.1098/rspb.2022.1458
- Die Studie von Janina Diehl wurde durch das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.
- Prof. Dr. Peter Biedermann ist Professor für Forstentomologie und Waldschutz an der Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Borkenkäfer, Symbiosen zwischen Insekten und Mikroorganismen, insbesondere Pilzen, und das Sozialverhalten von Insekten. Janina Diehl ist Doktorandin an der Universität Freiburg.
Film: Soziales Verhalten des Ambrosiakäfers Xyleborinus saxesenii
https://youtu.be/Jjj_QTRIt2A
Kontakt:
Prof. Dr. Peter Biedermann
Institut für Forstwissenschaften
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-54112
E-Mail: peter.biedermann@forento.uni-freiburg.de
Thomas Goebel
Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
E-Mail: thomas.goebel@zv.uni-freiburg.de