Wissen schafft Vertrauen
Freiburg, 26.06.2017
15 Miniaturen aus den Geisteswissenschaften: German U15, ein Verbund von 15 traditionsreichen, medizinführenden und forschungsstarken Universitäten mit umfassendem Fächerspektrum, hat ein Magazin mit dem Titel „Wissen schafft Vertrauen“ veröffentlicht. Ulrich Herbert, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, hat den Freiburger Beitrag zu der Publikation verfasst.
Quelle: German U15
„Die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften genießen in Deutschland eine hohe Wertschätzung. Sie versetzen Menschen in die Lage, die Welt und deren Veränderung kritisch zu deuten und sich eigenständig darin zu verorten. Auf diese Weise schaffen sie gesellschaftliche Widerstandskraft gegen gefährliche Vereinfachungen und Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, gerade angesichts von Entwicklungen und Herausforderungen wie dem Erstarken von Nationalismen, Klimawandel, Terrorismus oder der Integration“, sagt Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Universität Freiburg und Vorstandsvorsitzender des Universitätsverbunds German U15.
Die in German U15 zusammengeschlossenen Universitäten – eine davon ist die Universität Freiburg – betrachten sich in diesem Zusammenhang als zentrale Akteure, da sie Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften, oft ausdifferenziert in so genannte Kleine Fächer, in großer Anzahl und Vielfalt versammeln. Vor diesem Hintergrund geben die U15-Universitäten im Wahljahr 2017 das Magazin „Wissen schafft Vertrauen“ heraus. Fünfzehn Vertreterinnen und Vertreter der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften melden sich auf der Grundlage ihrer Forschungen zu Wort und geben Impulse für sachliche und konstruktive Debatten statt angsterfüllter Reaktionen.
Den folgenden Beitrag für die Universität Freiburg hat der Historiker Ulrich Herbert verfasst.
Ulrich Herbert ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Freiburg. Foto: Thomas Kunz
German Angst? Gibt es nicht!
Was die Rede von einer neuen „German Angst“ betrifft, bin ich skeptisch. Damit wurde in den 1980er Jahren eine etwas katastrophenselige Grundhaltung zu Themen wie Waldsterben und Nachrüstung charakterisiert. Für eine soziale Zukunftsangst gab es vor 15 Jahren bei fünf Millionen Arbeitslosen gewiss handfeste Gründe. Aber heute? In den vergangenen 130 Jahren ging es den Deutschen nie so gut wie derzeit.
Die Irritationen und Verängstigungen, etwa wegen der Millionen von Flüchtlingen, die in den letzten Jahren nach Europa gekommen sind, sind hingegen kein deutsches Spezifikum. Eher im Gegenteil; die ruhige und eher abwartende Haltung des weit überwiegenden Teils der Deutschen ist ja durchaus beeindruckend. Auch steht Deutschland bei der Integration der Zugewanderten, bei beruflicher Ausbildung und Bereitstellung von Arbeitsplätzen im Vergleich zu anderen Ländern eher gut da – obwohl die Bundesregierungen bis in die späten 1990er Jahre Einwanderung durchweg ablehnten. Wer jedoch glaubt, die Probleme mit Masseneinwanderung ließen sich jetzt irgendwie schnell lösen, der irrt. Die derzeitigen Einwanderungswellen sind ja vor allem Ausdruck der wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen dem reichen Nordwesten und dem globalen Süden. Die aber nimmt weiter zu, und ebenso werden die Migrationsbewegungen zunehmen.
Die größte Bedrohung geht heute vom wieder erstarkenden Nationalismus aus. In Europa und auch in den USA haben sich starke nationalistische, rechtsradikale und fremdenfeindliche Bewegungen ausgebreitet. Sie führen zurück in die politischen Konfrontationen der 1920er und 1930er Jahre, deren katastrophales Ende offenbar langsam aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet. Die gewaltigen Erfolge der europäischen Einigung nehmen wir heute wie selbstverständlich zur Kenntnis – Fehler und Widersprüche werden laut beklagt, nationale Alleingänge werden gepriesen. Das ist in der Tat beängstigend. Am Nationalismus gehen die Völker zugrunde.
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