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„Wissen generieren und teilen“

Frederik Wenz setzt am Universitätsklinikum Freiburg auf die Digitalisierung und die Einbeziehung von Patienten und Mitarbeitern

Freiburg, 08.08.2019

Seit Anfang 2019 ist Prof. Dr. Frederik Wenz Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Freiburg. Von 2014 bis 2018 war der Strahlentherapeut Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer der Universitätsmedizin Mannheim, wo er zuvor die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie sowie das Interdisziplinäre Tumorzentrum aufgebaut hatte. Nicolas Scherger hat ihn nach der Bilanz seines ersten Halbjahres in Freiburg und seinen Plänen für das Universitätsklinikum gefragt.

Plädoyer gegen die Überökonomisierung des Gesundheitswesens: „Wer Pflege und Medizin als Berufsfeld wählt, will schließlich vor allem Menschen helfen und Krankheiten heilen“, sagt Frederik Wenz. Foto: Universitätsklinikum Freiburg/Britt Schilling

Herr Wenz, warum haben Sie sich für den Wechsel nach Freiburg entschieden?

Frederik Wenz: Ich habe mich nicht beworben, sondern bin auf diese Position angesprochen worden. In Mannheim hatte ich eine komfortable Situation, aber zu Freiburg hatte ich eine emotionale Verbundenheit: Als Jugendlicher war ich als Patient mehrere Monate im Krankenhaus, unter anderem auch hier im Universitätsklinikum – was meinen Berufswunsch, in die Medizin gehen zu wollen, gefestigt hat. Vor allem aber habe ich nach einer nüchternen inhaltlichen Analyse die Chancen in Freiburg gesehen: die wissenschaftliche Exzellenz des Klinikums und der Universität, die Größe, Leistungsfähigkeit und Behandlungsqualität des Klinikums, das Umfeld an Firmen und Start-ups. Diese Gemengelage hat ein unheimliches Potenzial.

Welche Ziele haben Sie sich hier gesetzt?

In der Hochschulmedizin in Deutschland haben wir es mit vielen Herausforderungen zu tun: Engpässe bei der Finanzierung, Staus in der baulichen Entwicklung und der Digitalisierung, die Gewinnung von hervorragendem Personal im ärztlichen und im pflegerischen Bereich. Das sind die Themen, die alle beschäftigen. Speziell für Freiburg haben wir uns vorgenommen, die qualitätszentrierte universitäre Spitzenmedizin auszubauen. Wir wollen Wissen generieren und teilen. Wenn wir Daten konsequent elektronisch erfassen, funktioniert das viel besser als mit der klassischen aktenbasierten Auswertung. Die studentische Lehre ist eine zentrale Aufgabe, aber auch die Fort- und Weiterbildung der jungen Ärztinnen und Ärzte im Haus, in der Region und der gesamten Republik – und auch ein kleineres Krankenhaus oder eines in einem Entwicklungsland soll an dem Wissen eines exzellenten Zentrums teilhaben können.

Welche Vision verbinden Sie mit der Digitalisierung?

Die große Perspektive ist die Qualitätssicherung in Echtzeit, von der Patientinnen und Patienten direkt profitieren. Im Augenblick wird ein Patient behandelt, es erfolgt eine Dokumentation, dann die Qualitätssicherung, wenn der Fall abgeschlossen ist, und am Ende des Quartals bekommt man das Feedback. Das bringt nur zukünftigen Patienten einen Vorteil. Wir müssen unsere Systeme daher so weiterentwickeln, dass wir schon im Behandlungsverlauf das Feedback bekommen, ob der Patient optimal therapiert wird. Außerdem wollen wir die Patientenautonomie stärken. Beispielsweise sind Apps in der Entwicklung, mit denen die Patienten, wenn sie das Haus verlassen haben, uns ihren weiteren Heilungsverlauf rückmelden.

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit der Universität vor?

Ich finde es spannend, an einem Universitätsklinikum zu sein, weil man so viele Anknüpfungspunkte an andere Disziplinen hat. Ganz vorne stehen die Lebenswissenschaften, weil man die Kette von der Grundlagenforschung bis zur klinischen Forschung am Patienten schließen kann. Es gibt aber auch eine enge Kooperation mit der Technischen Fakultät. Und dann schaffen wir in einer Volluniversität den gesellschaftlichen Überbau, weil es gerade in der Medizin immer wieder um ethische und moralische Fragen geht, die wir mit Kolleginnen und Kollegen aus den Rechtswissenschaften, der Theologie, der Philosophie diskutieren wollen.


Als Jugendlicher hat Frederik Wenz mehrere Monate im Krankenhaus verbracht, unter anderem im Universitätsklinikum Freiburg – diese Erfahrung hat seinen Berufswunsch gefestigt. Foto: Klaus Polkowski

Welche Bauvorhaben stehen als nächstes an?

Wir haben auf dem Campus eine heterogene Struktur. Die Patientenzimmer in den historischen Gebäuden am Lorenzring haben sich in den letzten 30, 40 Jahren nicht verändert und sind nicht mehr zeitgemäß, weshalb wir mit Sanierungsmaßnahmen viel am Werkeln sind. Bei den Neubauten laufen die Arbeiten an der Kinderklinik, und wir hoffen, dass wir sie 2023 beziehen können. Weitere sind geplant: Chirurgie, Nuklearmedizin, Anatomie, ein Bettenhaus für die Innere Medizin. In den nächsten Jahren gilt es unter anderem, zusammen mit der Universität auf dem Gelände der jetzigen Kinderklinik einen Lehrcampus aufzubauen. Und die Stadtteile Kleineschholz und mittelfristig Dietenbach eröffnen Perspektiven, neuen Wohnraum für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen.

An der Universitätsmedizin Mannheim haben Sie in schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen: Die Klinik war in finanzielle Schieflage geraten und hatte bundesweit negative Schlagzeilen aufgrund einer Affäre um verunreinigtes Operationsbesteck geschrieben. Welche Erfahrungen waren für Sie besonders prägend?

Ich habe sicherlich das Thema Krisenmanagement vertieft gelernt. Das ist eine Erfahrung, die man nicht unbedingt machen möchte, die aber durchaus wertvoll ist. Denn ich habe auch erlebt, dass eine Mannschaft in einer Krisenzeit extrem zusammenwachsen kann. Der Wille war da, sich wieder nach vorne zu bewegen, sich zu verändern und sich zukunftsfähig aufzustellen. Das war auch das Resümee nach vier Jahren als Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer: Die Finanzen waren zwar noch nicht in Ordnung, aber wir haben schlanke Strukturen aufgebaut und das Leistungsportfolio profiliert, sodass dass das Klinikum dauerhaft tragfähig ist.

Die Kosten des Gesundheitswesens stehen in der öffentlichen Debatte oft mehr im Vordergrund als die Leistungsfähigkeit der Medizin. Wie frustrierend ist das?

Ich bedauere die Überökonomisierung des Gesundheitswesens. Es ist nachgewiesen, dass der Versuch, Geld einzusparen, teilweise zu höheren Kosten führt. Entscheidend ist, dass man am Anfang das Richtige macht und nicht an der falschen Stelle spart. Wird ein Patient aus Kostengründen nicht gleich optimal behandelt und bekommt dann vielleicht eine Infektion, fällt Ihnen das hinterher auf die Füße. Zum anderen bleibt die Mitarbeitermotivation ein Stück weit auf der Strecke, wenn jede Tätigkeit in Euro bewertet wird – wer Pflege und Medizin als Berufsfeld wählt, will schließlich vor allem Menschen helfen und Krankheiten heilen.

Welchen Lösungsansatz sehen Sie?

Wir bewegen uns international zunehmend in die Richtung, die Bezahlung wertebasiert zu organisieren, also nach der Qualität der Behandlung und nicht mehr anhand der Einzelprozedur. Dann haben plötzlich alle wieder ein Interesse daran, erstens die Leute gesund zu halten und zweitens genau das Richtige zu machen, nicht zu viel und nicht zu wenig. Das würde aus meiner Sicht dazu führen, dass die Kosten sogar sinken und dass vor allem die Motivation in Medizin und Pflege wieder deutlich steigen wird.

Seit Ihrem Amtsantritt berichtet der Vorstand des Klinikums in Podcasts im Intranet von seiner Arbeit. Auf welche Resonanz stößt das Angebot?

Es ist schwierig, das jetzt schon zu evaluieren, aber ich glaube, es ist insgesamt auf großes Interesse gestoßen. Spürbare Resonanz hat auch das Konzept „Fragen an den Vorstand“ erzielt. Im Intranet können unsere Mitarbeiter Fragen stellen, über die abgestimmt wird, und die drei Fragen mit den meisten Stimmen werden vom Vorstand beantwortet. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Teilhabe dadurch gestärkt wird – das ist für uns ein zentrales Anliegen. Wir sind eine Organisation, die von unseren 12.000 Mitarbeitern getragen wird. Sie haben so viele gute Ideen, um das Universitätsklinikum weiterzuentwickeln und in die Zukunft zu führen.