Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin vernetzen & gestalten Seelsorger, Wissenschaftler, …

Seelsorger, Wissenschaftler, Manager

Ferdinand R. Prostmeier erläutert, warum sich die Priesterausbildung ändern sollte und wie die Theologische Fakultät Freiburg auf den gesellschaftlichen Wandel reagiert

Freiburg, 22.09.2020

Die katholische Kirche findet immer weniger Bewerber, die Priester werden wollen. Ein Diskussionspapier der Deutschen Bischofskonferenz schlägt jetzt vor, einen Großteil der Studienstandorte, an denen Priester ausgebildet werden, zu streichen. Das hat viel Widerspruch und viele Diskussionen ausgelöst – und hätte auch auf die Theologische Fakultät der Universität Freiburg Auswirkungen. Ferdinand R. Prostmeier ist deren Dekan und Professor für Neues Testament. Thomas Goebel hat mit ihm über die Priesterausbildung und die universitäre Theologie gesprochen.

Exzellente Kenntnisse in Theologie, kommunikative Fähigkeiten, Know-how in Personalführung und im wirtschaftlichen Bereich: Ein Priester braucht ein breites Portfolio an Kompetenzen. Foto: wideonet/stock.adobe.com

Herr Prostmeier, eine Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz hat angesichts sinkender Bewerberzahlen vorgeschlagen, dass angehende Priester nur noch an den Theologischen Fakultäten in München, Münster und Mainz studieren – Freiburg wäre raus. Wie sehen Sie den Vorschlag?

Ferdinand R. Prostmeier: Er ist nicht ausgegoren und berücksichtigt die Situationen der Fakultäten nicht ausreichend. Es braucht ein tragfähiges und zukunftsweisendes Konzept. In Freiburg sprechen wir diesbezüglich miteinander und sehen uns auf einem guten Weg.

Wie viele Priesteramtskandidaten studieren denn zurzeit noch an den Theologischen Fakultäten?

83 in ganz Deutschland, 17 davon in Freiburg, das sind immerhin 20 Prozent. Umso erstaunlicher, dass Freiburg nicht genannt wurde.

Trotzdem, warum sind es auch in Freiburg so wenige?

Der Rückgang von Priesteramtskandidaten ist kein Freiburger Alleinstellungsmerkmal. Es scheint, dass die Kirche bei Menschen an Relevanz eingebüßt hat. Es gibt Themen, bei denen sie in der Gesellschaft deutlicher hätte Flagge zeigen können. Ich will nur ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte nennen: Vor fast 40 Jahren hat Papst Johannes Paul II. seine Enzyklika „Laborem Exercens“ veröffentlicht. Darin geht es um eine gerechte Gestaltung der Arbeit. Da hätte man als Kirche im ganzen Bereich der Arbeitswelt, der Organisation unserer Arbeit, auch der Tarifverhandlungen, aktiver werden können und müssen. Der Rückgang hat also auch eine kirchliche und gesellschaftliche Vorgeschichte, viele Faktoren greifen dabei ineinander. Es wäre unsachgemäß, Vorgänge wie den Missbrauchsskandal allein verantwortlich zu machen.

Daneben wandelt sich das Berufsbild – immer weniger Priester müssen immer mehr Pfarreien betreuen...

Als Professor und Dekan erlebe ich Priesteramtskandidaten, die vor allem Seelsorger werden möchten. Sie stellen dann nach und nach fest, welche Art von Arbeit auf sie zukommt – nämlich quasi die Leitung eines mittelständischen Betriebs. Solche Aussichten können auch abschrecken.

Müsste man also über das Aufgabenprofil des Priesters neu nachdenken?

Ja – und auch über das Ausbildungsprofil. Exzellente Kenntnisse in Theologie sind unverzichtbar, aber sie genügen weder für den Dienst als Priester noch für andere pastorale Dienste. Ein Priester braucht kommunikative Fähigkeiten, er muss sich mit Personalführung und im wirtschaftlichen Bereich auskennen. Selbst wenn man später eine Fachfrau oder einen Fachmann dafür anstellt, wäre es schlecht, wenn man sich gar nicht dafür interessieren würde. Da könnten die Priesterseminare vielleicht noch mehr Begleitung und Beratung anbieten.

Und was kann die Theologische Fakultät anbieten, um attraktiv für Priesteramtskandidaten, aber auch generell für Studierende zu sein?

Wir haben nicht nur die klassischen grundständigen Studiengänge, nach einem Bachelor kann man auch aus einer Reihe von Masterstudiengängen wählen. Das sind bei uns zum Beispiel der Master in Religionswissenschaft, der Master in Caritaswissenschaft oder, ganz neu, der zweisprachige Master in interdisziplinärer Ethik – zusammen mit der Universität Strasbourg und der Medizinischen Fakultät in Freiburg. Wir sind also vielfältig aufgestellt und bilden für verschiedene Tätigkeitsfelder aus, zum Beispiel im Bereich der Bioethik. Oder für Kommunalverwaltungen: Für eine Stadt wie Freiburg ist es doch klug, jemanden zu haben, der sich als Theologe und Religionswissenschaftler intensiv mit dem Zusammenleben verschiedener Religionsgemeinschaften befasst hat. Und schließlich: Die theologische Forschung und Lehre sind bei uns vielgestaltig, und die Diskurskultur ist traditionell sehr ausgeprägt und dynamisch. Das ist ein Vorzug des Wissenschaftsstandortes Freiburg.

Ferdinand R. Prostmeier findet, dass Priester bestimmte Aufgaben an Theologen mit Zusatzqualifikationen delegieren sollten: Dann könnten sie „wieder mehr ihren Dienst als Seelsorger erfüllen, statt von einer Sitzung zur nächsten zu hetzen“. Foto: Patrick Seeger

Heißt das, die Theologische Fakultät in Freiburg ist auf die traditionelle Kernaufgabe, Priester auszubilden, gar nicht mehr angewiesen?

So würde ich es nicht formulieren. Ich meine, man könnte sich darauf verständigen, dass die Studienphase der Priesterausbildung nicht ohne Freiburg geschehen soll. Freiburg hat ein traditionell katholisches Milieu auf vielen Ebenen, wir sind international vernetzt, haben eine hohe Zahl an Studierenden und wichtige Promotionsstudiengänge. Umgekehrt ist es zum Beispiel mit Blick auf die ausländischen Studierenden, etwa Priester aus Asien, Südamerika und Afrika, die bei uns promovieren, wichtig, dass hier auch die wissenschaftlichen Abschnitte der Priesterausbildung verortet sind. Wir wollen den internationalen und interdisziplinären Austausch – auch im Interesse der künftigen Priester selbst, die ja später nicht nur mit Katholiken zusammen sind. Wenn man in der Gesellschaft wieder verstärkt relevant sein will, sollte man auch auf wissenschaftlicher Ebene Diskursfähigkeit lernen und nicht zuletzt für die pastoralen Aufgaben einüben.

Sie werben also für die Priesterausbildung in Freiburg, sehen Ihre Fakultät durch die Debatte aber nicht bedroht?

Das Land Baden-Württemberg ist auf Basis des Konkordats zwischen dem Vatikan und Baden von 1932 verpflichtet, den Bestand und die Ausstattung sicherzustellen. Ich glaube, es gibt keine zweite Fakultät in Deutschland, die so gesichert ist wie die Freiburger. Die Landesregierung hat schon vor Jahren klargestellt, dass unsere Theologische Fakultät keineswegs exklusiv dafür da ist, Priester und Lehrkräfte auszubilden. Die Kirche und die Zivilgesellschaft haben sich so gewandelt, dass man auch andere Dienste braucht, für die wir Studiengänge anbieten. Und wir wollen die Fragen, die sich aus der wissenschaftlichen Theologie stellen, noch stärker in den universitären Diskurs einbringen.

Nochmal zurück zum Priesteramt, das ja auch in der universitären Theologie diskutiert wird. Bräuchte es heute nicht auch weitgehendere Reformen wie das Frauenpriestertum und die Aufhebung des Pflichtzölibats?

Mir scheint, das sind kirchenpolitisch hochgekochte Fragen, die sich nicht schon am Anfang stellen – am Anfang stellt sich die Frage nach dem Verständnis von Dienst und Kirche. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, wie die Leitung einer Seelsorgeeinheit aussehen soll, ob alles der Priester machen muss oder man bestimmte Aufgaben delegiert, zum Beispiel an Theologinnen und an Theologen mit human- oder wirtschaftswissenschaftlichen oder auch juristischen Zusatzqualifikationen. Priester könnten dann wieder mehr ihren Dienst als Seelsorger erfüllen, statt von einer Sitzung zur nächsten zu hetzen.