Nicht im Regen stehen lassen
Freiburg, 22.11.2019
21.000: So viele Unterschriften sind erforderlich, um bei der Petition „Hochgeschult – kaputtgespart: für ein ausfinanziertes Hochschulsystem in Baden-Württemberg!“ ein Quorum zu erreichen. Die Landesstudierendenvertretung will mit dem Bittgesuch etwas bewegen: Nach dem landesweiten Aktionstag Ende Oktober 2019 scheint das Finanzministerium in Stuttgart immer noch nicht bereit, auf die Kernforderungen der Hochschulen einzugehen. Bleiben sie unerfüllt, sind Forschung und Lehre ernsthaft in Gefahr – doch noch laufen die Verhandlungen. Rimma Gerenstein hat Mitglieder der Universität Freiburg gefragt, warum sie die Petition unterstützen.
Bei der Demonstration für eine ausreichende Hochschulfinanzierung gingen etwa 1.500 Menschen in Freiburg auf die Straße. Foto: Patrick Seeger
„Ganz Baden-Württemberg ist auf die Straße gegangen. Die Leute sind mit uns aufgestanden und haben ihre Stimme erhoben: Keine Forschung, keine Bildung, keine Zukunft! Diese Botschaft ist in Stuttgart unmissverständlich gehört worden. Es gibt Signale, dass die Hochschulen zusätzliche Mittel erhalten werden. Das begrüßen wir sehr, doch es ist nicht ausreichend, um weiterhin unser hohes Niveau in Forschung und Lehre zu halten und Herausforderungen der Zukunft wie die digitale Transformation anzugehen. Allein die Universität Freiburg hat ein strukturelles jährliches Defizit von etwa 7,5 Millionen Euro im Betrieb. Die Petition der Landesstudierendenvertretung ist eine großartige Möglichkeit, auf die Misere aufmerksam zu machen. Unterschreiben Sie, und sorgen Sie mit Ihrer Stimme dafür, dass Baden-Württemberg auch in den nächsten Jahrzehnten ein herausragender Standort für Wissenschaft und Wirtschaft bleibt und die Chancen für kommende Generation gewahrt bleiben.“
Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Albert-Ludwigs-Universität
Foto: Patrick Seeger
„Als Wissenschaftler ist es mir natürlich wichtig, dass das Land mehr in die Forschung investiert, aber ich habe auch eine kritische Position dazu: Geld ist nicht unendlich, und es gibt viele andere Bereiche, die einer finanziellen Unterstützung bedürfen. Dennoch stärkt Forschung die Lebensqualität und Wirtschaft einer Region: Gerade in einer industrieschwachen Gegend wie Freiburg schafft sie Arbeitsplätze. Doch um diesen Leuten eine Perspektive zu bieten, muss ich ihnen ein vernünftiges Gehalt zahlen. Mehr als zwei Drittel meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finanziere ich über Mittel, die ich selbst eingeworben habe – sonst könnte mein Team nicht auf dem gleichen hohen Niveau weiter forschen. Wir zählen auch auf die jährlichen Zuwendungen des Landes, doch diese sind nicht inflationsbereinigt: Der Betrag hat sich seit 15 Jahren nicht erhöht, dabei haben sich inzwischen zum Beispiel die Stundenlöhne für wissenschaftliche Hilfskräfte verdoppelt, und auch die Kosten für Materialien, die wir für unsere Experimente benötigen, sind gestiegen. Wir brauchen eine Grundfinanzierung, die nicht an der Realität von Universitäten vorbeigeht.“
Thomas Stieglitz, Professor für Biomedizinische Mikrotechnik an der Technischen Fakultät
Foto: Patrick Seeger
„Am 30. Oktober sind insgesamt knapp 9.000 Menschen in ganz Baden-Württemberg auf die Straße gegangen und haben ein klares Zeichen gesetzt. Unsere Hochschulen müssen mehr Geld bekommen, um die Qualität von Forschung und Lehre zu sichern. Das war ein wichtiges Zeichen – und es wurde in Stuttgart gehört, schließlich wird noch einmal über Erhöhungen gesprochen. Doch diese Schritte reichen nicht. Wir Studierende wissen, dass die Qualität unseres Studiums, und damit unsere Ausbildung und unsere Fähigkeiten, mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen zu können, in Gefahr sind. So kann es nicht weitergehen – unsere Bildung wird grundlos kaputtgespart. Deshalb haben die Studierendenvertretungen Baden-Württembergs eine Petition gestartet – weil wir glauben, dass es noch mehr Druck auf die Landesregierung benötigt, um sie endlich zu einem Umdenken zu bewegen. Ohne dieses Umdenken sind die Qualität unseres Studiums und viele Studienplätze ernsthaft in Gefahr.“
Carlotta Rudolph, Vorstand der Studierendenvertretung der Universität Freiburg
Foto: Max Orlich
„Der landesweite Aktionstag war ein erster Auftakt. Denn das Anliegen der Hochschulen hat trotz der zugesagten zusätzlichen Landesmittel keineswegs an Relevanz verloren. Zum einen ist die in Aussicht gestellte Summe nicht ausreichend, um die Probleme der Hochschulen wirklich zu lösen. Zum anderen fehlt es nach wie vor an einer auf Dauer erhöhten Grundfinanzierung. Der Personalrat der Universität Freiburg unterstützt daher nachdrücklich die Online-Petition der Studierenden. Wer bei Investitionen in Bildung spart, setzt letztlich die Zukunft des Landes aufs Spiel. Bei den Hochschulen, die schon seit Jahren unter einer unzureichenden Finanzierung leiden, ist jetzt der Punkt erreicht, an dem Stellenstreichungen oder andere Sparmaßnahmen nicht mehr möglich sind, ohne die Existenz der Hochschulen zu gefährden. Deshalb muss jetzt gehandelt und öffentlich auf die Misere an den Hochschulen aufmerksam gemacht werden.“
Dr. Helmut Waller, Vorsitzender des Personalrats der Universität Freiburg
Foto: Patrick Seeger