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Ein Weiser aus dem Saarland

Der Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld ist Vorsitzender des Sachverständigenrats, der die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland begutachtet

Freiburg, 16.07.2020

Ein Weiser aus dem Saarland

Foto: Patrick Seeger

Einen Weisen stellt man sich gemeinhin anders vor: Lars Feld ist weit entfernt vom Bild eines Methusalem mit langem weißem Bart. Offen und zugewandt wirkt der 53-jährige Professor für Wirtschaftspolitik, der nicht nur an der Universität Freiburg forscht und lehrt, sondern auch Direktor des Walter Eucken Instituts ist. Mitte März 2020 wurde Feld als einer der fünf so genannten Wirtschaftsweisen von seinen Kolleginnen und Kollegen zu ihrem Vorsitzenden gewählt.

In der Corona-Krise ist seine Expertise dringend gefragt: Lars Feld gehört seit 2011 zum Rat der Wirtschaftsweisen – seit einigen Monaten leitet er das Gremium. Foto: Patrick Seeger

„Der Begriff ‚Wirtschaftsweiser‘ ist der Presse geschuldet“, erklärt Lars Feld. Wer mag sich schon mit umständlichen Titeln wie „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ aufhalten? Gleichwohl habe es ihm viel bedeutet, dass er 2011 vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung in das Gremium berufen wurde. Das traditionelle Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen erwartet schließlich die gesamte Nation mit Spannung.

Dass der führende Wirtschaftswissenschaftler und Politikberater – auch als Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina – gerade jetzt in der Corona-Krise zum systemrelevanten Personal der Republik zählt, leuchtet ein. Corona-Bonds? „Emotionen sind keine gute Handlungsmaxime“, sagt er und warnt davor, sich um der europäischen Solidarität willen auf eine gesamtschuldnerische Haftung einzulassen. Der Staat gibt unvorstellbare Geldbeträge aus, um die Folgen des Lockdowns abzumildern: Wie geht es dem überzeugten Schuldenbremser damit? „Das Instrumentarium zur Bewältigung einer solchen Krise haben wir von Anfang an mitgedacht“, sagt Feld und bleibt mit Verweis auf den sicheren Ordnungsrahmen eher gelassen.

Hinter hohen Bücherwänden versteckt sich kein Bücherwurm

Spätestens in der Finanzkrise 2008 hat der damalige Berater im Finanzministerium gelernt, mit welchen Summen hantiert werden muss, um die Finanzmärkte zu beruhigen und die Realwirtschaft vor dem Absturz zu bewahren. Auf seinen öffentlichen Äußerungen lastet ein riesiges Gewicht. Das bereitet Feld meist keine schlaflosen Nächte. „Aber manchmal wache ich jetzt nachts auf und werde von der gegenwärtigen Dynamik eingeholt“, gesteht er. Es ist ja keine Kaffeesatzleserei, die die Wirtschaftsweisen betreiben: Ihren Vorhersagen für die Zukunft liegen berechenbare Szenarien und Modelle zugrunde. Manchmal fließen aus den Fragestellungen, die sich im Rat ergeben, auch Impulse in die Forschung des Wirtschaftswissenschaftlers ein.

Von den Bücherwänden und deckenhoch aufgetürmten Papierstapeln in Lars Felds Büro sollte man sich nicht täuschen lassen: Dazwischen hat sich kein weltfremder Bücherwurm vergraben. Dafür sprechen schon die drei Söhne, die er mit seiner Frau, einer Ärztin, großgezogen hat. Oder die „Feierlaune“, die er nach dem Abitur erst mal verspürte. Oder die Arbeit als Pflegehelfer vor und nach dem Wehrdienst auf einer geriatrischen und einer geschlossenen Psychiatriestation. „Das war schon eine harte Nummer.“ Auch das Saarland, wo er 1966 geboren wurde, mag seine prägende Wirkung entfaltet haben: eine strukturschwache Region mit einer kränkelnden Montanindustrie und einer auf 13,5 Prozent hochschnellenden Arbeitslosigkeit.

Ein Schein führte zur Berufung

Schon als Jugendlicher spürte Feld den Zusammenhang zwischen den Sorgen der Menschen und einer schwächelnden Wirtschaft. Bis zum Wirtschaftsweisen lag aber noch eine lange Wegstrecke vor ihm. Das erste Semester an der Universität von Saarbrücken geriet zum „Schnupperstudium“: Englisch, deutsche Literatur, Politikwissenschaft. Ein für die Politik nötiger Schein in Volkswirtschaftslehre wurde dann zum Erweckungserlebnis: Lars Feld hatte seine Berufung gefunden. Und mit den Professoren Olaf Sievert, einem seiner Vorgänger im Sachverständigenrat, und Werner Pommerehne zwei Lehrer, die schon früh den Keim für eine spätere Forschungs- und Beratungstätigkeit an den Schnittstellen zwischen Wirtschaftswissenschaften, Recht und Politik legten.

Nach Stationen an den Universitäten von St. Gallen, Marburg und Heidelberg hat Feld seit 2010 die Professur für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik in Freiburg inne. In zahllosen Gremien und Kommissionen ist sein Rat gefragt. Mittagessen mit Ministerinnen und Ministern oder der „immer bestens vorbereiteten“ Kanzlerin haben den Wirtschaftsweisen anfangs, wie er einräumt, beeindruckt, gehören inzwischen aber fast zur Routine. Dass Finanzminister Olaf Scholz und die SPD eine mögliche dritte Amtszeit von Lars Feld ab dem kommenden Jahr verhindern wollen, erlebt dieser nicht als persönliche Kränkung. Manche politische Position von SPD und Gewerkschaften wie den Mindestlohn hatte er in der Vergangenheit als „falsche Weichenstellung“ kritisiert. „Wir liefern keine Wunschgutachten“, sagt Feld. Er pocht auf die Unabhängigkeit des Sachverständigenrats und möchte seine Arbeit von der Politik respektiert wissen.

Anita Rüffer