Das Wissensviereck vervollständigen
Freiburg, 27.07.2020
Lehre, Forschung, wissenschaftliche Innovation und Interaktion mit der Gesellschaft – das sind die vier Aufgabenfelder einer „Europäischen Universität“, zu der sich das länderübergreifende Konsortium EPICUR entwickeln soll. Bereits seit dem vergangenen Jahr werden die Albert-Ludwigs-Universität und sieben Partnerinstitutionen von der Europäischen Union (EU) unterstützt, um neue Lehr- und Lernformate zu erarbeiten. Nun erhält EPICUR in der EU-Horizon-2020-Förderlinie „Science with and for Society“ weitere zwei Millionen Euro für drei Jahre, um auch in den drei noch fehlenden Bereichen aktiv zu werden und das Wissensviereck zu vervollständigen.
Wissenstransfer ist ein zentraler Punkt bei EPICUR, denn Universitäten brauchen auch Impulse aus der Gesellschaft, um Forschung und Lehre weiterzuentwickeln.
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In der aktuellen Pandemie-Situation und den damit einhergehenden politischen Diskussionen ist weiterhin deutlich geworden, dass für die Zukunft ein gemeinsamer europäischer Bildungs- und Forschungsraum unverzichtbar ist. Universitäten sind die Orte, die eine neue Generation von Europäerinnen und Europäern zusammenbringen können. „Wir möchten junge Menschen ausbilden, die über Grenzen, Disziplinen, Kulturen und Sprachen hinweg die großen Herausforderungen angehen, denen sich Europa gegenübersieht“, sagt Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Universität Freiburg: „Europäische Lehre ist die Grundlage für die Stärkung einer europäischen Identität.“
Lebenslanges Lernen braucht Forschung
Um das zu erreichen, kooperiert die Albert-Ludwigs-Universität in EPICUR mit drei bewährten Partnern aus dem Verbund Eucor – The European Campus: Beteiligt sind die französischen Universitäten Strasbourg und Haute Alsace sowie das Karlsruher Institut für Technologie. Die Partner haben darüber hinaus neue Verbündete aus vier Ländern ins Boot geholt. Die Universität von Amsterdam/Niederlande, die Adam Mickiewicz Universität Poznań/Polen, die Universität für Bodenkultur Wien/Österreich und die Aristoteles Universität Thessaloniki/Griechenland vervollständigen das Konsortium. Zentral für die Vision von einer europäischen Lehre, wie EPICUR sie sich vorstellt, sind unter anderem die Liberal Arts and Sciences Education, die digitale Transformation der Lehrformen sowie der Ausbau von Mobilitätsangeboten für Studierende.
Der griechische Philosoph Epikur gilt für viele Menschen als Vater des lebenslangen Lernens, der seine Schüler nicht zum stundenlangen Schwadronieren, sondern zur Umsetzung kluger Gedanken anleitete. Doch zum Lernen gehört an einer Universität neben der Lehre auch die Forschung. „Zudem ist es uns wichtig, dass die Bereiche Innovation und Interaktion mit der Gesellschaft als ebenso notwendig und wertvoll erachtet werden wie Forschung und Lehre. Und auch die Schnittstellen zwischen diesen Aufgaben bergen große Potenziale, wenn wir etwa an Service Learning, also Lernen durch zivilgesellschaftliches Engagement, oder an anwendungsorientierte Forschung denken“, erklärt Dr. Verena Kremling, die als Leiterin der Strategieabteilung an der Universität Freiburg den Antrag zur Förderlinie „Science with and for Society“ mitverfasst hat.
Länderübergreifende aktuelle Themen
Ab Januar 2021 werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche der acht beteiligten Universitäten eingeladen, sich zu vernetzen, um so genannte EPICluster vorzubereiten. Gemeinsam sollen sie Projekte entwickeln, in denen Forschende in Zusammenarbeit mit Akteurinnen und Akteuren anderer Bereiche die so genannten EPIChallenges angehen. Damit gemeint sind große politische und gesellschaftliche Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Mobilität, Migration und Gesundheitswesen, für die Lösungen erarbeitet werden sollen. „Wir stellen uns vor, dass sich die Teams aus Forschenden in frühen Karrierephasen von möglichst allen acht Universitäten, mindestens aber aus drei verschiedenen Ländern zusammensetzen. Diesen Teams soll die Möglichkeit eröffnet werden, gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft, der Politik, aus Behörden, Verbänden oder NGOs Fragestellungen und Anwendungsszenarien für Forschungsergebnisse zu entwickeln“, sagt Kremling.
Auf der Grundlage von Erfahrungen, die in solchen Projekten gewonnenen werden, wird EPICUR dann den Vollantrag auf Förderung als Europäische Universität stellen. Die Ausschreibung der EU dazu wird 2022 erwartet. „Mit der konzeptionellen Vorarbeit, die bereits experimentelle Forschungsformate wie EPICluster beinhaltet, können wir wichtige Erfahrungen sammeln und so unsere Chancen auf eine Vollförderung verbessern“, erläutert Kremling.
Forschende digital zusammenführen
Im nächsten Jahr beginnt Kremling mit ihrem Team, Wissenschaftler aktiv anzusprechen und zu beraten, um deren Interesse der für die Mitarbeit in einem EPICluster zu wecken. „In von uns organisierten so genannten EPICamps können die Beteiligten dann zusammenkommen, um darüber zu diskutieren, wie sie ihre gemeinsame Arbeit gestalten wollen.“ Soweit möglich und sinnvoll, kann es auch persönliche Treffen geben, aber virtuelle Vernetzung und Zusammenarbeit wird bei EPICUR einen hohen Stellenwert einnehmen: Geplant ist, ein eigenes digitales soziales Netzwerk für die Forscherinnen und Forscher der acht Partneruniversitäten zu entwickeln, das später auch erweitert werden kann. In dieser EPICommunity können die Wissenschaftler dann nicht nur individuelle Seiten zu ihren bisherigen Arbeiten und Forschungsergebnissen einstellen, sondern auch Informationen über ihr gesellschaftliches Engagement, das je nach Themengebiet ebenso relevant für künftige gemeinsame Forschungsvorhaben sein kann.
Expertise von außen
Die Interaktion mit der Gesellschaft soll zur gegenseitigen Anregung und Bereicherung führen: „Uns geht es nicht primär darum, dass die Forschenden ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren“, erklärt Kremling. „Vielmehr wollen wir Akteure außerhalb der Wissenschaft, die Interesse an neuen Forschungsergebnissen und dazu ergänzende Expertise haben, etwa in Bezug auf die Anwendung, in die Themenfindung und das Design von Forschungsprojekten einbeziehen. Das können zum Beispiel NGOs, Behörden, Industrieunternehmen oder gesellschaftliche Bewegungen wie Fridays for Future sein. Denn wir Universitäten brauchen auch Impulse aus der Gesellschaft, um zu entscheiden, wohin sich unsere Forschung und Lehre entwickeln sollen.“
Annette Kollefrath-Persch
Artikel im Onlinemagazin: Europäische Lehre