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Seminarrückblick mit rotem Faden

Anhand von E-Portfolios können Lehrende die Reflexionskompetenzen ihrer Studierenden bewerten

Freiburg, 14.08.2018

Seminarrückblick mit rotem Faden

Foto: New Africa/Fotolia

Die Studierenden sollen nicht nur Wissen erwerben, sondern ihr Wissen auch vernetzen und überdenken: Im Seminar von Lena Krämer vom Institut für Psychologie beschäftigen sich die Teilnehmenden mit einer persönlichen Fragestellung und sammeln dazu passende Materialien in E-Portfolios. Dafür erhielt die Psychologin bereits den E-Learning-Förderpreis, der für innovative Konzepte im Bereich Lehre vergeben wird.

 Wie können Therapeuten Empathie ausdrücken? Dieser Frage gehen Studierende der Psychologie in einem neu konzipierten Seminar nach.
Foto: New Africa/Fotolia

In Prüfungen Wissen abfragen oder wissenschaftliches Arbeiten in Hausarbeiten üben – das reicht Dr. Lena Krämer vom Institut für Psychologie an der Universität Freiburg nicht: „Manchmal ist das Lernziel nicht Wissenserwerb oder Handlungskompetenz. Manchmal ist es Reflexion.“ Deshalb lehrt sie ihre Studierenden, Gesprächsführung in verschiedenen therapeutischen Situationen zu analysieren. Zu Semesterende sollen die Studentinnen und Studenten nicht nur das richtige Verhalten im Erstgespräch, in schwierigen Therapiesituationen oder beim Abschluss einer Therapie beschreiben können: „Wichtig ist, dass sie das Ganze auch auf einem höheren Niveau reflektieren und auf einer tieferen Ebene durchdringen können“, erklärt Krämer.

Früher stand am Ende dieses Seminars eine schriftliche Wissensabfrage. Von elf Fragen mussten die Studierenden drei auswählen und auf jeweils einer DIN-A4-Seite beantworten. „Ich war damit aber unzufrieden“, so Krämer, „da so nicht das geprüft wurde, was ich vermitteln will.“ Als sie das Seminar übernahm, war deshalb ihre Idee, nicht mehr nur das Wissen, sondern auch die Fähigkeit zur Reflexion zu prüfen. „Ein zentraler hochschuldidaktischer Begriff ist Constructive Alignment: Das Lernziel, die Lernaktivität und das, was man am Ende prüft, müssen übereinstimmen. In meinem Seminar sollen die Studierenden nicht nur Wissen erwerben, sondern ihr Wissen auch vernetzen und überdenken“, erläutert sie. Um dieses neue Lernziel abzuprüfen, lässt Krämer die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer am Semesterende E-Portfolios erstellen. Dafür zeichnete die Universität Freiburg die Psychologin 2017 mit dem E-Learning-Förderpreis aus, der jährlich für innovative Konzepte im Bereich Lehre vergeben wird.

Portfolios sind Sammelmappen, die es in vielen Variationen gibt: Abhängig von der Zielsetzung des Seminars, unterscheidet sich die vorgegebene Struktur, und oftmals werden sie nicht bewertet. Krämer hingegen benotet die in ihrer Lehrveranstaltung entstandenen Portfolios am Ende des Seminars. Die Studierenden beschreiben darin einen Prozess – in diesem Fall den eigenen Lernprozess: Sie dokumentieren und diskutieren schriftlich, welche Erfahrungen sie gemacht haben, und beschreiben ihre Lerngewinne mit Bezug auf eine eigene Fragestellung. Die Umsetzung erfolgt als sogenanntes E-Portfolio auf der Onlineplattform ILIAS der Albert-Ludwigs-Universität.

Moderne Sammelmappe: Texte, Grafiken, Audio- und Videodateien

„Ich musste mich selbst erst in das Thema einarbeiten“, erzählt Krämer, die vorher noch nie mit E-Portfolios zu tun hatte. Sie besuchte im Rahmen der hochschuldidaktischen Weiterbildung Seminare am Rechenzentrum: „Das war am Anfang ziemlich kaltes Wasser, viel Zeit floss in die Vorbereitung. Die Unterstützung des hochschuldidaktischen Teams der Universität Freiburg war dabei Gold wert.“ Das Besondere an Krämers Konzept ist, dass sie als Dozentin das Thema nicht vorgibt, sondern die Studenten es selbst entwickeln. „Das Portfolio ist ein Schriftstück zur Beantwortung einer selbst gewählten Fragestellung durch und zur Reflexion des Gelernten“, erklärt die Psychologin. Im Laufe des Semesters arbeiten die Teilnehmer ein Thema heraus, das sie im Kontext des Seminars besonders beschäftigt hat, und formulieren dazu eine individuelle Frage. Eine Studentin fragte sich zum Beispiel, wie Therapeutinnen und Therapeuten Empathie ausdrücken können.

Videos, Audiomittschnitte, PowerPoint-Folien: In den E-Portfolios erklären die Studierenden aus der Ich-Perspektive, welche Materialien ihnen wichtige Erkenntnisse vermittelt haben.
Foto: Universität Freiburg

Beantworten sollen die Studierenden ihre Frage am Ende des Seminars. Bis dahin lernen sie verschiedene therapeutische Gesprächssituationen kennen. Die angemessene Kommunikation von Empathie war also eine Frage, die sich für die Studentin wie ein roter Faden durch das ganze Seminar zog. Im Laufe des Semesters sammelte sie alle Materialien zu dem Thema, die für ihren Lernprozess wichtig waren, und konnte ihre persönliche Sammlung jederzeit auf ILIAS in einer eigenen Portfolio-Umgebung ergänzen. Dort können Texte aller Art eingestellt werden, eigene Mitschriebe aus dem Seminar, PowerPoint-Folien, Grafiken oder Bilder. „Bei einem elektronischen Portfolio können das auch YouTube-Links, Audio- oder Videomitschnitte sein. Das ist das Spannende, das gerade das E-Portfolio ausmacht“, findet Krämer. Wenn die Studierenden im Rollenspiel die erste Stunde mit einem Patienten nachstellen, können sie zum Beispiel mit ihren Handys ihre eigene Lernerfahrung aufnehmen, um sie im Nachhinein zu reflektieren.

Am Ende des Semesters beschäftigen sich die Seminarteilnehmer in ihrem Portfolio mit ihrer persönlichen Fragestellung – unter Einbeziehung von Materialien aus der Sammelmappe. Drei davon beschreiben die Studierenden detailliert und setzen sie miteinander in Zusammenhang: Diese müssen zentral für ihre Fragestellung sein und gleichzeitig relevant zu ihrem Lernprozess beigetragen haben. Aus der Ich-Perspektive erklären die Teilnehmer, welche Materialien ihnen wichtige Erkenntnisse vermittelt haben. So wählte die Studentin für ihr E-Portfolio den Audiomitschnitt eines Rollenspiels im Seminar, den sie zur Analyse verbaler Kommunikation von Empathie nutzte. Ein YouTube-Video einer Therapiesituation trug zu ihrem Verständnis von nonverbaler Kommunikation. Eine einzelne PowerPoint-Folie half ihr zu verstehen, wie man durch Schweigen Empathie ausdrücken kann. „Reflexion bewerte ich im Portfolio an ganz verschiedenen Stellen“, erklärt Krämer: „Wie gut haben die Studierenden es geschafft, aus dem Seminar heraus eine Fragestellung zu entwickeln? Wie gut können sie etwas analysieren im Hinblick auf einen einzelnen Bestandteil ihrer Mappe? Wie gut können sie das zusammenfassen und breit und multiperspektivisch reflektieren?“

Gutes Instrument, um Seminare zu strukturieren

Da die Studierenden viele Vorbehalte hatten, nimmt sich die Freiburger Psychologin Zeit für eine gute Einführung und erklärt zu Beginn ihre genauen Bewertungskriterien. „Das E-Portfolio ist für viele Studierende etwas Neues, vielleicht auch Erschreckendes“, erzählt sie – die meisten haben mit so etwas noch nie gearbeitet und wissen nicht, was auf sie zukommt: „Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernprozess ist auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Schwächen beziehungsweise Entwicklungspotenzialen.“ So könnten Studierende bei einem missglückten Rollenspiel zum Beispiel merken, dass sie sich in einer Situation besser anders verhalten hätten. „Viele Studierende waren bis zum Ende des Semesters skeptisch – aber im Nachhinein habe ich sehr positive Rückmeldungen erhalten zu diesem Prüfungskonzept, das einen zwingt zu überlegen, was man in einer Veranstaltung gelernt hat“, berichtet Krämer. Auch sie selbst hat der Ansatz überzeugt: „Das E-Portfolio ist ein gutes Instrument, um die Struktur einer Veranstaltung zu stärken.“ Dadurch, dass jeder seinen individuellen roten Faden verfolgt, entwickelt sich eine spannende Dynamik. Die Studierenden beschäftigen sich viel intensiver mit den Lerninhalten und denken darüber nach, wie die einzelnen Sitzungen miteinander zusammenhängen. Sie bereiten die Stunden besser vor und denken im Vorfeld mehr darüber nach, was sie den anderen mitgeben können: „Das Highlight war ein Improvisationstheater zum Thema Paargespräch: Das Publikum bestimmte, wie der Therapeut sich als Nächstes verhalten sollte“, erinnert sich Krämer. Mit dem Preisgeld hat sie das Konzept bereits weiter verbessert und für Lehrende und Studierende Videotutorials zur Einführung in die Technik gedreht. Die sind über ILIAS frei verfügbar – ein erster Schritt, um die Idee auch an andere Fachbereiche der Universität Freiburg heranzutragen.

Sarah Schwarzkopf

 

Video-Tutorials für Lehrende

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