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Papierlos und individualisierbar

Viele Fachbereiche sehen den Vorteil von E-Klausuren

Freiburg, 21.04.2020

Papierlos und individualisierbar

Foto: Thomas Kunz

Anmerkung der Redaktion: Die in diesem Artikel vorgestellte E-Klausur fand Anfang März 2020 statt, bevor aufgrund der Corona-Pandemie zu sozialer Distanz geraten und eine entsprechende Verordnung veröffentlicht wurde.

Elektronische Klausuren werden an der Universität Freiburg bereits seit acht Jahren geschrieben. In Informatik wurden so zuletzt gleich 281 Studierende auf einmal geprüft. Diese papierlose Form der Klausur orientiert sich eng an der zukünftigen Arbeitswelt der Studierenden — und sie hat sich auch in vielen anderen Fachrichtungen etabliert.

Studierenden der Informatik sind sich einig: Elektronische Klausuren sind viel näher an ihrer Lern- und Arbeitspraxis als Prüfungen auf Papier. Foto: Thomas Kunz

Vor dem Rechenzentrum der Albert-Ludwigs-Universität sammeln sich an einem Nachmittag Anfang März 2020 viele nervöse Erstsemesterinnen und Erstsemester. Gleich beginnt ihre Klausur im Fach Informatik – Thema: Einführung in die Programmierung mit Python. Die Studierenden müssen dabei selbst Codes in dieser Sprache schreiben.

Insgesamt sind es 281 Prüflinge, die sich dazu in zwei zeitlich aufeinander folgenden Gruppen auf die Computer-Arbeitsplätze im Rechenzentrum, im KG II sowie der Technischen Fakultät verteilen. Ist die erste Gruppe fertig und verlässt das Haus, darf die zweite herein. Helferinnen und Helfer passen auf, dass in diesem Moment keine Informationen ausgetauscht werden. „Wie bei Arbeiten auf Papier ist nämlich auch hier ein gewisses Potenzial zum Schummeln immer da“, meint Sven Slotosch schmunzelnd. Er betreut in der Abteilung E-Learning des Rechenzentrums schwerpunktmäßig die elektronischen Prüfungen. Jetzt haben alle Studierenden ihren Platz erreicht, melden sich am Computer per Uni-Account an. Die Blicke sind konzentriert, es geht los.

Die 281 Prüflinge sind in mehrere Gruppen aufgeteilt, die nacheinander an den Computer-Arbeitsplätzen ihre Klausur schreiben. Foto: Thomas Kunz

Flexible elektronische Arbeitsumgebung

Bei einer solch großen Menschenmenge ist die Logistik nicht ganz einfach. Slotosch freut sich, dass alles klappt. „Zumal wir noch kurzfristig improvisieren mussten, weil in einem weiteren PC-Arbeitsraum die vorgesehenen Plätze doch nicht zur Verfügung standen.“

Den reibungslosen Ablauf erleichtert das System „bwLehrpool“ – eine flexible elektronische Arbeitsumgebung, die von der Universität Freiburg zusammen mit der Hochschule Offenburg entwickelt wurde. Dank dieses Systems sind die Computer in kürzester Zeit vom normalen Rechnerbetrieb auf Klausurmodus umstellbar. An ihnen sind dann lediglich die für die Prüfung notwendigen Dokumente und Webseiten abrufbar; der Zugang zu externen Datenträgern oder etwa Suchmaschinen bleibt gesperrt. Anschließend kann wieder umstandslos und ohne Zeitverlust in den Normalzustand gewechselt werden.

Praxisorientierte Ausbildung

Die Klausur am heutigen Tag lässt Prof. Dr. Peter Thiemann vom Institut für Informatik schreiben. „Ich suchte schon seit längerem nach einer modernen und zukunftsorientierten Form der Lernzielüberprüfung in meinem Fach“, erläutert er. In der Informatik haben Inhalte wie das Erlernen von Programmiertechniken großes Gewicht. Die klassische schriftliche Klausurform mache da eigentlich keinen Sinn.

„Das Ziel ist die praxisorientierte Ausbildung der Studenten, sie sollen Programmieraufgaben am Computer lösen“, so Thiemann weiter. Zu diesem Zweck findet bereits während der Vorlesung im Rahmen der Übungen das Arbeiten am Computer statt. „Dass nun auch die Lernzielüberprüfung am Computer erfolgen kann, ist super,“ sagt Thiemann – der die elektronische Klausur in enger Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum entwickelte und seine Vorstellungen dabei sehr gut umgesetzt sieht.

Die Klausur gibt den Studierenden nun die Möglichkeit, ihre Lösungsansätze experimentell zu validieren – das heißt, Programme, die sie schreiben, auch laufen zu lassen. Dabei dürfen alle Techniken genutzt werden, die ihnen die jeweilige Programmiersprache zur Verfügung stellt, wie etwa Hilfen bei der Fehlersuche. „Ein Vorgehen, das sich eng an der zukünftigen Arbeitswelt der Studierenden orientiert“, sagt Thiemann. Auch bei der Korrektur ergäben sich Vorteile: „Es gibt keine Probleme mehr mit der Deutung von Handschriften und insgesamt gewinnt die Korrektur an Objektivität.“ Außerdem werde Papier gespart, und auch die Veröffentlichung der Ergebnisse und die Klausureinsicht sei durch die digitale Arbeitsweise für alle Beteiligten vereinfacht worden. „Auch das Feedback ist sehr gut. Ich werde das in Zukunft auf jeden Fall weiterführen und sogar noch weiter ausbauen.“

 Peter Thiemann hat die Klausur zusammen mit dem Rechenzentrum der Universität Freiburg entwickelt und ist zufrieden, wie er seine Vorstellungen dabei umsetzen konnte.
Foto: Thomas Kunz

Maxim Kümmerle und Lars Gintermann haben die Klausur gerade hinter sich gebracht. Die beiden Studenten der Mikrosystemtechnik stehen vor dem Rechenzentrum und plaudern. „Das Niveau der Aufgaben war eher hoch“, finden sie unisono. Die Form selbst, also das Schreiben am Computer, empfanden sie als selbstverständlich. Christina Davril, eine angehende Informatikerin, stimmt zu. „Ich bin allerdings auch Erstsemester, kenne die schriftlichen Klausuren von früher nicht mehr.“ Codes per Hand zu schreiben, das kann sie sich nicht richtig vorstellen: „Der Rechner ist viel näher an der Praxis.“

Intensive Vorbereitung, schnellere Nachbereitung

„Seit 2012 bieten wir elektronischen Prüfungen an, erläutert Sven Slotosch: „Ich glaube, die erste, die stattfand, war im Fach Anglistik.“ Inzwischen nutzen auch viele andere Fachbereiche, wie zum Beispiel Zahnmedizin, Forstwissenschaft oder Medienkulturwissenschaft diese Möglichkeit rege. Eine elektronische Klausur muss gut vorbereitet werden, auch, was die Art der Fragen angeht“, sagt der studierte Kommunikationswissenschaftler Slotosch. Bei der Nachbereitung ließe sich dann umso mehr Zeit sparen: Bis zu 95 Prozent, schätzt er.

„Ein weiterer Vorteil ist, dass man audiovisuelles Material einbauen kann“, sagt Slotosch. In der Medienwissenschaft lässt sich etwa ein Filmausschnitt einfügen, der anschließend analysiert werden muss. Klar, das geht auch über einen Beamer. Aber am Rechner kann jeder Teilnehmende den Ausschnitt so häufig wiederholen wie er mag. Insgesamt gilt: „E-Klausuren lassen sich sehr gut individualisieren.“

Auch lassen sich die Fragen nach dem Zufallsprinzip ordnen, auf jedem Rechner anders. „Einfach abzuschauen, was der Mensch neben mir unter Punkt drei schreibt, ist dann keine gute Idee mehr“ nimmt er noch einmal augenzwinkernd Bezug auf studentische Fantasien, sich beim Abfassen der Klausur nicht nur auf das Gelernte verlassen zu müssen.

Mathias Heybrock