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Ein Gebäude, viele Perspektiven

Studierende des University College Freiburg beschäftigen sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Alten Universität

Freiburg, 14.08.2020

Zwei Bäume stehen im Innenhof der Alten Universität in der Bertoldstraße 17, eine Linde und eine Platane. Gepflanzt wurden sie während der Revolution von 1848/49. Was sollen die Bäume symbolisieren? Wieso kommt kaum jemand in den Innenhof, um sie zu bewundern? Und wie steht es um die Zukunft des Gebäudes, das Hof und Bäume umschließt? Diesen und weiteren Fragen sind Studierende des University College Freiburg (UCF) der Albert-Ludwigs-Universität in einem Seminar nachgegangen. Das Ergebnis ist eine virtuelle Reise.

Die Atmosphäre der Alten Uni einfangen: Die Historikern Marie Muschalek sammelte Fotomaterial für ihr Seminar, das sie kurzerhand in den digitalen Raum verlegen musste. Foto: Klaus Polkowski

„Die Alte Universität: Bildungs(t)räume im Wandel der Zeit“ – unter diesem Titel hat die Historikerin Dr. Marie Muschalek eine Lehrveranstaltung für den Studiengang Liberal Arts and Sciences angeboten. Was das Gebäude für sie so faszinierend mache, sei neben seiner besonderen Atmosphäre die vielfältige Nutzung. Im 15. Jahrhundert standen hier zwei Bursen – Wohn- und Lebensgemeinschaften für Studenten der 1457 gegründeten Universität. 1620 übernahmen die Jesuiten die Bildungseinrichtung. Sie bauten ab den 1680er Jahren bis ins frühe 18. Jahrhundert die Alte Uni, wie sie heute erhalten ist.

Heute geben sich hier Studierende verschiedener Nationalitäten und Fachrichtungen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen die Klinke in die Hand, und auch viele, die nicht an der Universität studieren oder arbeiten, sind hier zu Gast. Die Alte Uni beherbergt unter anderem das Uniseum, außerdem ist sie Sitz des UCF. Ein Seminar über das Gebäude, abgehalten in ebendiesem – eine vielversprechende Idee. Doch dann kam Corona. „Zunächst war ich ein bisschen verzweifelt“, gesteht Muschalek. „Das Seminar über das Gebäude online abhalten zu müssen war eine traurige Aussicht.“

Der Innenhof der Alten Uni gehört zu den idyllischsten Orten auf dem Freiburger Campus. Foto: Sandra Meyndt 

Mit dem Audioguide in den Wandelgang

Man könnte in diesem Fall aber von „didaktischem Glück im Unglück“ sprechen: Muschalek hatte die Veranstaltung als Projektseminar geplant. Das heißt, dass nicht die Treffen in der großen Gruppe im Vordergrund stehen sollten, sondern die individuelle Arbeit in kleinen Teams. Da die Studierenden wegen der Corona-Pandemie das Gebäude nicht problemlos besuchen konnten, wurde vieles in den digitalen Raum verlagert. Drei Gruppen haben sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Baus beschäftigt. Aus der Arbeit der Vergangenheitsgruppe ist ein Audioguide entstanden. Dieser soll nicht nur historische Hintergründe aufzeigen, wie die Studentin Carla Hartmann verdeutlicht: „Wir wollen den Hörerinnen und Hörern Impulse für eigene Gedanken geben.“ Eine Frage war dabei, warum bestimmte Dinge als altehrwürdig eingestuft werden und andere nicht. Etwa der Wandelgang, der den Innenhof umgibt: Früher wurde dieser genutzt, um sich auszutauschen, „heute stehen da Fahrradständer“, sagt Teamkollege Kaspar Lehnert und schmunzelt. „Da kann man sich doch fragen, wer eigentlich entscheidet, was erhaltungswürdig ist und was nicht.“

Nicht weniger kreativ sind die beiden anderen Gruppen vorgegangen. Die Studierenden, die sich mit der Gegenwart beschäftigt haben, haben einen Instagram-Account erstellt. „Mit diesem wollen wir individuelle Lebenserfahrungen des Lernens am UCF aufzeigen“, so Kutayba Al Kanatri. Die dritte Gruppe hat sich der Zukunft des Gebäudes im Besonderen und der der Bildung im Allgemeinen gewidmet. Daraus entstand eine Website mit Podcasts und Fotos. Das Team hat etwa Personen im Gebäude gefragt, wie sie sich die Zukunft der Alten Uni vorstellen. Die Ergebnisse seien mitunter auch frustrierend ausgefallen, berichtet Lotta Dümeland. „Gerade für den Innenhof gab es tolle Ansätze. Nur umsetzen können wir sie leider nicht.“ Brand- und Denkmalschutz machen große bauliche Neuerungen unmöglich.

Eins der schönsten College-Gebäude

Trotz der einen oder anderen Enttäuschung schätzen die Studierenden die Erfahrung: „Das Seminar war sehr praktisch angelegt“, so Kanatri. „Das haben wir selten, die meisten Veranstaltungen sind ziemlich theoretisch.“ Selbstredend habe man auch Texte gelesen und miteinander diskutiert, im Mittelpunkt jedoch habe die praktische Arbeit gestanden. Außerdem gefiel den Studierenden, dass sie ihre Ideen mit viel Freiheit ausgestalten konnten – und dass Marie Muschalek den Blick nicht nur in die Vergangenheit richtete.

Warum legt eine Historikerin so viel Wert auf Gegenwart und Zukunft? „Geschichte ist immer mit der Gegenwart verbunden“, sagt Muschalek. „Und für die Zukunft ist es wichtig, die Geschichte zu kennen. Das Gebäude ist da ein toller Anlass, um über die Zukunft nachzudenken.“ Zudem ist die Forscherin selbst Feuer und Flamme für die Alte Uni. Im Internet hat sie eine Seite mit den verschiedenen University Colleges Europas gefunden. Ihr Urteil: „Freiburg hat eines der schönsten College-Gebäude.“ Und dass der Ort besonders für länderübergreifende Ideale steht, beweisen die in der Revolution von 1848/49 gepflanzten Bäume: Sie stehen für Deutschland und Europa. Mehr Details verrät das Format „AU-f einer Reise“, das aus dem Seminar hervorgegangen ist.

Pascal Lienhard

 

„AU-f einer Reise“