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„Beide Welten verstehen"

Die Industrie stellt neue Anforderungen an Ingenieure – die Lehre reagiert mit passenden Inhalten

Freiburg, 16.05.2017

„Beide Welten verstehen"

Foto: Jürgen Gocke

An der Technischen Fakultät der Universität Freiburg lässt Dr. Tobias Schubert das Thema „Industrie 4.0" in seine Lehre einfließen: In den Fächern Informatik und Embedded Systems Engineering sowie bei der berufsbegleitenden Weiterbildung „Intelligente Eingebettete Mikrosysteme" profitiert er vom Dialog mit der Industrie. Sabrina Reinshagen hat mit ihm über die sich verändernden Anforderungen an Ingenieurinnen und Ingenieure gesprochen.

Foto: Jürgen Gocke

Herr Schubert, Sie haben in den 1990er Jahren an der Universität Freiburg in Informatik und Mikrosystemtechnik Ihren Abschluss gemacht. Heute lässt sich beides integriert im Fach Embedded Systems Engineering studieren. Welche Vorteile hat es, wenn die Disziplinen aneinanderrücken?

Tobias Schubert: Das entspricht mittlerweile mehr der Realität. Wenn man sich Anwendungsbereiche wie die Automobilbranche ansieht, findet man dort immer eine Kombination aus eher informatischen Gesichtspunkten mit Aspekten der Mikrosystemtechnik. Sprich: Hardware und Software gehen Hand in Hand. Wer später in der Industrie arbeiten will, muss bis zu einem gewissen Grad beide Welten verstehen.

Tobias Schubert schätzt Studierende, die nicht der Standardbiografie folgen: „Sie studieren oft zielgerichteter und sind eher dazu bereit, Dinge zu hinterfragen."
Foto: Martin Böhnert


Inwiefern hat diese Kombination mit Industrie 4.0 zu tun?

Kernpunkt von Industrie 4.0 ist die Digitalisierung. Es geht darum, aus Daten einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren – das können zum Beispiel die Automatisierung der Produktion oder neue Geschäftsmodelle sein. Wenn es um die technische Realisierung von Industrie 4.0 geht, spielen die Disziplinen stark zusammen. Es reicht nicht mehr, Spezialistin oder Spezialist auf einem Gebiet zu sein; man muss die angrenzenden Felder kennen, um solche intelligenten Systeme bedienen, analysieren und entwerfen zu können.

Ein individuelles Produkt entwerfen und fertigen: Mit „Smart MiniFab", dem Modell einer intelligenten Produktionsanalage, üben die Studierenden die Anforderungen von Industrie 4.0.
Foto: Jürgen Gocke

Inwiefern verändert das Ihre Lehre?

Wir müssen insgesamt dazu übergehen, systemübergreifende Kompetenzen zu vermitteln, was oft schwierig ist, wenn man ein konkretes Themengebiet lehrt. In Vorlesungen versuche ich aber aufzuzeigen, wofür das Wissen verwendet werden könnte – ich gebe also Beispiele, wie sich Konzepte übertragen lassen. Vor allem bei Praktika lassen sich gut systemübergreifende Aspekte vermitteln. Dafür haben wir zum Beispiel eine Modellfabrik aufgebaut, die die typischen Komponenten einer Industrie-4.0-Produktionsanlage enthält. Anhand dieses Modells kann ich theoretische Inputs geben, die Studierenden können aber auch selbst Lösungen entwickeln und herausfinden, wo bei der Umsetzung die Stolpersteine sind.

In welche Richtung wird sich künftig die Ausbildung von Ingenieuren weiterentwickeln?

Ich hoffe, dass sie sich wieder ein Stück von dem Ziel entfernt, die Leute möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Jede Bildungsbiografie hat ihre Berechtigung. Die traditionelle Reihenfolge – Abitur, Bachelor, Master und schließlich Berufseinstieg – ist sicher nicht verkehrt. Ich habe aber viel mit Studierenden zu tun, die nicht den klassischen Weg gehen. Entweder sie steigen nach dem Bachelorabschluss ins Berufsleben ein und machen dann berufsbegleitend einen Master, oder sie belegen gezielt einzelne Weiterbildungskurse. Es gibt aber auch Studierende, die nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung machen und sich erst dann für ein Studium entscheiden.

Kommen diese Studierenden mit anderen Voraussetzungen?

Sie studieren oft zielgerichteter und sind eher dazu bereit, Dinge zu hinterfragen. Wenn sie an der Perspektive, die ich als Lehrender vermittle, zweifeln, äußern sie das. Das ist für mich eine Chance, die relevanten Fragestellungen aus der Industrie kennenzulernen. Ich empfinde das als sehr angenehm: Man versucht, seine Methoden zu vermitteln und bekommt ein Feedback, wie man seine Vorlesung für die Zielgruppe noch verbessern könnte. Lehre lebt auch vom Austausch.

Was entgegnen Sie kritischen Stimmen, die sagen, die Lehre an der Universität sei zu weit von der industriellen Realität entfernt?

Damit muss ich mich als Lehrender der Universität auseinandersetzen. Es mag Bereiche geben, auf die das zutrifft. Aber es geht vor allem um die Frage, wen ich wofür ausbilden möchte: Wer in einer Firma Geräte eines bestimmten Herstellers bedienen und programmieren muss – für den sind Konzepte, wie sie an der Universität gelehrt werden, vielleicht das Falsche. Wenn wir aber auf eine andere Ebene gehen, etwa auf die Führungsebene oder in die forschungsnahe Entwicklung, dann müssen wir den Leuten vermitteln, wie sie bestimmte Probleme prinzipiell lösen können. Dafür ist unsere Ausbildung das Richtige.

Weiterbildungsprogramm Intelligente Eingebettete Mikrosysteme

 

Lösungen für Probleme finden: So funktioniert die intelligente Produktionsanlage.

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