Antikes Töpfern
Freiburg, 09.10.2019
In Lahr im Schwarzwald steht der Nachbau eines römischen Streifenhauses als lebendiger Ort der Geschichtsvermittlung. Alexander Heising, Professor für Provinzialrömische Archäologie, wies mit seinem Team nach, dass Lahr bereits circa um 230 nach Christus besiedelt und ein Handelszentrum für Töpferwaren am südlichen Oberrhein war. Für die Landesgartenschau 2018 ließ der Archäologe ein Wohnhaus wie in der Antike an gleicher Stelle wiederaufbauen. Nun ging es ans innere Design: Studierende der Archäologie haben dabei mitgeholfen, einen Brennofen, wie er früher in den Häusern stand, zu bauen und anzufeuern.
Alle Seminarteilnehmer stellten Keramiken an Töpferscheiben her, die in dem Ofen gebrannt wurden. Foto: Patrick Seeger
Zwei Tonnen Lehm werden es am Ende sein, die von Leonie Anders und Finn Hölbrock zusammen mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen während eines Seminars durchgeknetet und verarbeitet wurden. Gemeinsam mit Prof. Dr. Alexander Heising von der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie der Universität Freiburg, Frank Wiesenberg, einem Experten für Experimentalarchäologe, und den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitskreises „Gallo-Römisches Leben Lahr“ haben die Studierenden einen Ofen gebaut. Das große Problem dabei: Es gab keine Pläne, nach denen sie sich richten konnten.
Mehr als elf Jahre lang fanden auf dem Gelände, auf dem Anders und Hölbrock für ihr Seminar arbeiteten, Ausgrabungen statt. Die Funde waren beachtlich: Die Archäologinnen und Archäologen dokumentierten mehr als 9.200 Bestandteile einer Siedlungsstruktur. Dazu gehören Balkengräbchen, Sockelsteine von Häusern, Brunnen, Töpferöfen, Gräber sowie zahlreiche Keramikscherben. Dadurch konnte Heising mit seinem Team nachweisen, dass sich in Lahr ab circa 80 nach Christus für knapp 150 Jahre eine römische Siedlung befunden hatte. Für die Landesgartenschau 2018 hat der Archäologe der Universität Freiburg ein Wohnhaus der Antike an gleicher Stelle wiederaufbauen lassen: „Das Bauwerk ist etwas Besonderes, das so noch nirgendwo steht.“
Anfeuern: Mit einem Holzfeuer wurde der Ofen über einen Tag und eine Nacht bis auf eine Temperatur von 1.000 Grad Celsius erhitzt. Foto: Universität Freiburg
Töpferei war das Haupthandwerk der früheren Bewohnerinnen und Bewohner, nicht nur die Überreste der Brennöfen beweisen das: Die gefundenen Scherben zeigen die typische Oberflächenstruktur der Töpfereiprodukte aus der Lahrer Siedlung. Überreste der Produkte wurden in weit entfernten Siedlungen im Elsass, in der Schweiz und nordöstlich des Schwarzwalds gefunden: „Die Lahrer Ware muss ein Exportschlager gewesen sein.“ Die Töpfereien produzierten das gesamte zeitgenössische Sortiment, fand der Freiburger Archäologe heraus. Von Kochgeschirr und Reibschüsseln über Tischkeramik wie Teller und Platten bis hin zu Vorratsbehältern und Talglampen.
Niemand ist ein Fachmann
Die früheren Öfen entsprachen dem Standardtyp eines römischen Keramikbrennofens: Das waren runde, schachtartige, so genannte stehende Öfen, bei denen Feuer- und Brennraum übereinander angeordnet waren. Die Temperaturen im Inneren erreichten zwischen 900 und 1.500 Grad Celsius. Erhalten geblieben sind nur die unteren Partien des in den Boden eingegrabenen Feuerraums. Dadurch wussten die Studierenden, dass der Durchmesser des unteren Ofenteils um die zwei Meter betrug. Wie die Schichten darüber aussahen und gebaut waren, können die Lehrenden und Studierenden nur vermuten, da kein Ofen aus den römischen Provinzen erhalten geblieben ist. Deshalb wandte sich Heising für das Seminar an seinen Kollegin Wiesenberg, einen Experimentalarchäologen. „Mich reizt es, herauszufinden, wie etwas funktionierte“, erklärt dieser. „Wenn wir wüssten, wie es genau aussah, dann wäre das Bauen einfach. Aber jetzt hadere ich zum Beispiel leicht mit dem Material, so ganz glücklich bin ich mit dem Lehm und seinem Trocknungsverhalten nicht. Wir wissen ja nicht, wie das früher ablief.“
Die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer mussten auf gekauften Lehm zurückgreifen, der vermutlich eine andere Zusammensetzung hat wie der früher verwendete. Damit der untere Teil des nachgebauten Ofens stabil werden und trocknen konnte, mischten sie anders als geplant Stroh darunter – sowie echte Dachziegel aus der Römerzeit, die sie von Mainzer Archäologen zur Verfügung gestellt bekamen: „Wir lernten während des Bauens immer dazu“, so Wiesenberg. „Denn schließlich ist heutzutage niemand ein Fachmann auf diesem Gebiet.“ Aber gerade dieser Aspekt war für die Studierenden ein Grund, an dem Seminar teilzunehmen. „Es gefällt mir, dass wir eine Vielfalt an Einblicken bekommen“, sagt Hölbrock, der im zweiten Semester Archäologie studiert. „Und zwar vor allem praktische Einblicke, die ganz anders sind als das, was wir sonst in eher theoretischen Seminaren lernen. Für uns alle ist es die erste Erfahrung mit experimenteller Archäologie, und dieses Learning by doing macht Spaß.“ Der nachgebaute Ofen fiel schlussendlich kleiner aus als die ausgegrabenen Originale. Er hat einen Durchmesser von einem Meter und ein Volumen von 90 bis 100 Liter.
Handwerk und Handarbeit: Die Studierenden schätzen die praktischen Aspekte des Seminars. Foto: Patrick Seeger
Universitäre Lehre und Museumspädagogik
Ergänzend zum handwerklichen Teil des Seminars entstand eine Bachelorarbeit, alles ist dokumentiert, erklärt Heising: „Wir begleiten das Experiment wissenschaftlich, zum Beispiel notieren wir die Arbeitszeiten und den Lehmverbrauch. Nur so können wir ein Gefühl dafür bekommen, wie es früher ablief. Neben dem Gewinn praktischer Erfahrungen geht es schließlich vor allem darum, Theorien und Methoden der experimentellen Archäologie an der Schnittstelle zwischen universitärer Lehre und Museumspädagogik zu erkunden.“ Aus diesem Grund waren auch die Museumspädagogin Bérénice Jayme vom Stadtmuseum Lahr sowie die Mitarbeiter des Arbeitskreises „Gallo-Römisches Leben Lahr“ am Seminar beteiligt.
Die Ehrenamtlichen halfen den Studierenden nicht nur an den Wochenenden beim Lehmmischen und dem Ofenbau, sondern kamen auch an anderen Tagen regelmäßig zum Streifenhaus, um den Lehm zu befeuchten, damit durch Hitze und Sonne keine Trocknungsrisse entstanden. Anders, derzeit im zweiten Semesters ihres Bachelorstudiums, fand die Zusammenarbeit gut: „Die Ehrenamtlichen unterstützen uns sehr.“ Das Seminar sei für sie etwas völlig Neues gewesen, gerade das Handwerkliche habe sie interessiert: „Ich wollte unbedingt mal eine praktische Herangehensweise kennenlernen. So bekomme ich eine ganz andere Perspektive und verstehe die Abläufe der damaligen Zeit viel besser.“
Klingend hart gebrannt
Alle Seminarteilnehmer bereiteten zudem Keramiken an Töpferscheiben vor, die in dem Ofen gebrannt werden sollen. Das Stück soll nicht nur den Garten des Streifenhauses bereichern. Die Gruppe möchte auch herausfinden, wie sich der zusammengemischte Lehm beim Erhitzen verhält und wie lange Keramiken gebrannt werden müssen. Die Krönung des Seminars war das erste Anfeuern: Mit einem Holzfeuer wurde der Ofen über einen Tag und eine Nacht bis auf eine Temperatur von 1.000 Grad Celsius erhitzt. Es traten nur kleine Brennrisse am Ofenmantel auf – das ist durchaus üblich. „Auch die von den Studierenden hergestellte Keramik konnten wir klingend hart brennen“, erklärt Heising. „Deshalb war das Ausräumen ein spannender Moment für alle Teilnehmer, und der Erfolg wurde gebührend mit einem Abschlussfest gefeiert.“ Mehrere dieser Gefäße sind nun im Stadtmuseum Lahr als Exponate der Dauerausstellung zu sehen. Zudem werden weitere Versuche folgen, dessen ist sich Heising sicher: „Der Ofen wird uns weiterhin begleiten.“
Annette Kollefrath-Persch
Artikel über das römische Streifenhaus in Lahr im Forschungsmagazin uni’wissen