Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin forschen & entdecken Vulkan aus dem Labor

Vulkan aus dem Labor

Lennart A. Fischer erforscht mithilfe von Experimenten, wie Gesteine entstehen

Freiburg, 09.03.2020

Vulkan aus dem Labor

Foto: Jürgen Gocke

Seit 50 Jahren ist die forst-, geo- und umweltwissenschaftliche Forschung und Lehre an der Universität Freiburg organisatorisch selbstständig. Anlässlich dieses Jubiläums der heutigen Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen (UNR) stellt eine Serie verschiedene Forschungsprojekte und Fachbereiche vor. Der erste Teil – „Gestein“ – nimmt die Arbeit von Dr. Lennart A. Fischer von der Professur für Mineralogie und Petrologie am Institut für Geo- und Umweltnaturwissenschaften in den Blick. Mit seiner experimentellen Forschung zur Entstehung von Gesteinen liefert er neben Antworten auf grundlegende Fragen zur Entwicklung der Erde auch neue Ansätze zur Gefahrenabschätzung von Vulkanausbrüchen.

1.600 Grad Celsius: Im Hochtemperaturofen kann Lennart A. Fischer (rechts) die Bedingungen in der Erdkruste und im Vulkaninneren für seine Experimente simulieren.
Foto: Jürgen Gocke

Ob klein und in vermeintlich unscheinbarem Grau oder groß und mit glitzernden Kristallen – Steine faszinierten Lennart A. Fischer schon in seiner Kindheit. Seit 2018 forscht der Geowissenschaftler und Mineraloge an der UNR mit dem Schwerpunkt experimentelle Petrologie, also Gesteinswissenschaft. Fischer beschäftigt sich mit der Frage, wie bei Vulkanausbrüchen Gesteine aus Magmen und Laven entstehen. Magmen sind heiße, flüssige Gesteinsmassen im Erdinneren, Laven sind Magmen, die an die Erdoberfläche getreten sind. Der Forscher arbeitet meist im Team mit Freiburger Kolleginnen und Kollegen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen.

In Laborversuchen analysiert er, wie sich verändernde Parameter, darunter Druck, Temperatur oder die Viskosität – also die Zähflüssigkeit – von Magmen und Laven, auf den Entstehungsprozess auswirken. „Gefriert Wasser, wird es zu Eis. Das Material ist vor und nach dem Prozess chemisch gesehen gleich“, erklärt Fischer. „Für Steine gilt dies nicht, da meistens nur ein Teil der Gesteinsschmelze kristallisiert.“ Welche Kristalle und Gesteinsarten entstehen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben den genannten Größen zählt dazu beispielsweise auch die Zeit, die beim Aufstieg der Masse aus der Magmakammer und beim Abkühlen des ausgetretenen Lavastroms vergeht. Das komplexe Zusammenspiel der Komponenten entscheidet darüber, ob Magma auf dem Weg zur Erdoberfläche etwa zu Granit, Basalt oder Andesit wird.

Im Labor kommt die Magmakammer im Miniaturmaßstab zum Einsatz. In der Natur liegen solche Kammern kilometertief im Erdreich und fassen bis zu einer Million Kubikkilometer flüssiges Gestein. Foto: Jürgen Gocke

Magmakammern im Miniaturmaßstab

Fischer hat in den vergangenen beiden Jahren zwei neue Labore im Institut aufgebaut. Diese sind mit zwei Hochtemperaturöfen, einem Gasmischofen und einer Stempel-Zylinder-Presse ausgestattet. Damit kann er bei seinen Experimenten die Bedingungen in der Erdkruste und im Vulkaninneren bestmöglich rekonstruieren. Um zu untersuchen, wie die jeweiligen Größen den Weg des Magmas von unten nach oben und damit auch die Gesteinsbildung beeinflussen, baut Fischer Magmakammern im Miniaturmaßstab nach. In der Natur liegen diese kilometertief im Erdreich und fassen von wenigen Kubikkilometern bis zu einer Million Kubikkilometer flüssiges Gestein. Die Nachbauten dagegen bestehen aus hundertprozentigem Platin oder Gold, sind einen Zentimeter lang und haben einen Durchmesser von fünf Millimetern.

Risiken besser abschätzen

Seine Forschungsergebnisse wird Fischer systematisch erfassen und in einer eigens dafür konzipierten Datenbank veröffentlichen. Damit will er dazu beitragen, Modelle zur Abschätzung von Vulkanrisiken zu optimieren. Denn bislang gehen diese bei ihren Berechnungen von Gleichgewichtsbedingungen aus und vernachlässigen dynamische experimentelle Parameter, wie Fischer sie untersucht. Welche Folgen die bisherige Vorgehensweise haben kann, veranschaulicht der Wissenschaftler am Beispiel der Kristallbildung. Kristalle entstehen in der flüssigen Gesteinsmasse, wenn Magma abkühlt. Ihre Größe und Form sind abhängig von der Dynamik und Viskosität des magmatischen Systems. Mit welcher Geschwindigkeit Magma aufsteigt, kommt wiederum auf die unterschiedlichen Druck-Temperatur-Bedingungen an. „Verlangsamen oder beschleunigen sich deren Änderungsraten, wirkt sich dies auf die Kristallbildung und damit auf den gesamten Prozess aus“, sagt Fischer. „Je genauer die Risikoabschätzung sein soll, umso mehr müssen diese Änderungsraten, die zu einem Ungleichgewicht führen können, in die Modelle miteinbezogen werden.“ Dadurch könne auch besser vorhergesagt werden, ob ein Vulkan nur Lavaströme produziert oder explosionsartig ausbricht.

Dünnschliff eines Basalts aus Portugal: Die bunten Minerale sind bereits in der Magmakammer entstanden. Die dunkelgraue Matrix besteht aus winzigen Kristallen und Glas, die zum Beispiel entstehen, wenn das Magma bei einem Vulkanausbruch rasch abkühlt.
Foto: Lennart A. Fischer

Methode aus der Industrie

Lennart A. Fischer ist sich sicher, dass nicht nur die wissenschaftliche Community in der Vulkanologie und Petrologie von der Datenbank profitieren werde. Auch für Fachkollegen, beispielsweise Materialwissenschaftler in der Glas- und Metallbranche, können das Prinzip der Datenbank und die dort hinterlegten Grundlagenergebnisse zu Schmelz-, Abkühl- und Zeit-Temperatur-Raten wichtig sein. Dass die Zusammenarbeit von wissenschaftlicher Forschung und Praxis für beide Seiten Vorteile bringt, weiß Fischer aus eigener Erfahrung. Innerhalb eines Projekts mit einem Industriepartner ist es ihm gelungen, die Oszillationsmethode, die auch in der Glas- und Stahlindustrie benutzt wird, auf petrologische Fragen zu übertragen. Dabei hat er eine neue Vorgehensweise angewandt, die es ihm ermöglicht, die Breite seiner Experimente zu erweitern. „Bisher habe ich die Viskosität der Lava in Versuchen mit einem rotierenden Messzylinder gemessen. Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass es nur für flüssiges Gestein mit einem Kristallanteil von unter 40 Prozent angewendet werden kann. Durch die Hin-und-Her-Bewegungen bei der Oszillation lässt sich die Viskosität des Materials sogar bei einem Kristallanteil von 100 Prozent messen.“

Begeisterung wecken

Neben seiner Labor- und Geländearbeit ist Fischer seit 2019 bei öffentlichen Science Days aktiv und besucht weiterführende Schulen an Forschungstagen, um Mädchen und Jungen über Mineralogie zu informieren. Gefördert wird dieses Engagement von der Alexander Tutsek-Stiftung und der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft e.V. mit dem deutschlandweiten Projekt „Der Mineralogische Lehrkoffer“ (MiLeKo), das dieses Themengebiet stärker in den Fokus rücken möchte. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse. „Ich erkläre ihnen die Grundlagen der Mineralogie und spreche mit ihnen über mögliche Berufsbilder in diesem Fach. Gleichzeitig zeige ich anhand von Praxisbeispielen auf, wie wichtig Steine im Alltag sind und auf welch vielfältige Weise sie zum Einsatz kommen – sei es beim Haus- und Straßenbau oder in Form von Metallen im Handy“, sagt Fischer. Mit dieser Arbeit möchte er einen Teil seiner Begeisterung an die nächste Generation weitergeben.

Kristin Schwarz