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Spürhunde können explosive Stoffe mit großer Präzision erschnüffeln – und schützen dabei die Privatsphäre der Menschen

Freiburg, 08.09.2017

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Foto: Christoph Breithaupt

Was macht ein Spürhund vor einem Fußballstadion? Vielleicht beschnüffelt er Fans und sucht dabei nach Feuerwerkskörpern. Gerade emotional aufgeladene Derbys gelten oft als Hochrisikospiele, bei denen die Veranstalter auf intensive Kontrollen setzen. Aber wie sinnvoll ist es, in solchen brisanten Situationen Hunde einzusetzen? Wie reagieren zum Beispiel Fans aus der Ultra-Szene auf die Tiere? Wie erfolgreich sind die Hunde beim Aufspüren von Sprengkörpern? Und was sollten die Hundeführerinnen und -führer bei der Arbeit besonders beachten?

Einen einheitlichen Standard erreichen: Martina Bieberts Ergebnisse könnten zum Beispiel in die Ausbildung von Hundeführern einfließen.
Foto: Christoph Breithaupt

Solche Fragen interessieren die Kulturanthropologin Martina Biebert. Sie arbeitet am Centre for Security and Society der Universität Freiburg im Projekt EVADEX. Dessen Ziel ist es, verschiedene Systeme zum Aufspüren von Explosivstoffen zu bewerten – in allen Bereichen außerhalb der bereits stark regulierten Luftsicherheit. Biebert ist gemeinsam mit André Biermann für die „soziologische Begleitforschung" zuständig: Der Kollege kümmert sich um technische Einsatzmittel, sie selbst um die Spürhunde.

Mensch und Hund sind ein Paar

Eine von Bieberts Aufgaben ist es, Akzeptanzfaktoren zu ermitteln: Was lösen die Hunde bei den Menschen aus, die von ihnen kontrolliert werden sollen? „Die Technikforschung hat gezeigt, dass der Einsatz bestimmter Methoden auch nicht beabsichtigte Folgen haben kann." Die Verwendung so genannter Nacktscanner zum Beispiel sei zwar effektiv, doch sie löse auch Widerstände aus: Viele Menschen empfinden sie als massiven Eingriff in ihre Intimsphäre.

„Ein Hund verletzt die Privatsphäre von Menschen anscheinend weniger", sagt Biebert. Auch wenn jede Einsatzsituation für sich betrachtet werden müsse, zieht sie ein insgesamt positives Fazit: „Der Hund ist ein sehr etabliertes einsatztaktisches Hilfsmittel." Das liege nicht nur an der mehr als hundertjährigen Tradition des Polizeihundewesens in Deutschland, sondern auch an der schon Jahrtausende währenden gemeinsamen Geschichte von Mensch und Hund. Beide Säugetiere lebten einst in einer Art Symbiose zusammen: „Der Hund räumte Reste weg, hielt die Herde zusammen, meldete Gefahr und wurde dafür vom Menschen versorgt."

Hunde können selbst kleinste Geruchsspuren wahrnehmen – dabei ist bisher nicht bekannt, wie sie das tun.
Foto: Christoph Breithaupt

Biebert hat zahlreiche Interviews geführt: mit Hundeführern der Polizei und mit Sicherheitsbeauftragten der Industrie, mit Einsatzleitern und privaten Sicherheitsdienstleistern, mit Ultras und Fanbeauftragten. Sie hat einen Hundeführer und seine Schäferhündin begleitet, die vor einer Aktionärsversammlung eine Messehalle kontrollierten, und sie hat das Bundesligaspiel zwischen Werder Bremen und dem Hamburger Sportverein beobachtet. Während verärgerte Fans eine Maschine zur Personenkontrolle durchaus einmal zusammentreten könnten, hätten ihr Ultras erzählt, dass sie die Hunde wegen des vermeintlich stressigen Einsatzes eher bemitleideten.

Großer Bedarf an Einheitlichkeit

Bei Einsatzleitern und Sicherheitsverantwortlichen hingegen beobachtete Biebert eine gewisse Skepsis gegenüber dem Einsatz von Spürhunden: Technische Hilfsmittel erschienen ihnen meist zuverlässiger oder berechenbarer – was Biebert sowohl auf das individuelle Verhältnis zwischen Hundeführer und Hund als auch darauf zurückführt, dass einheitliche Standards fehlen.

Zu deren Entwicklung soll das Projekt ebenfalls beitragen. Die Angst vor terroristischen Anschlägen habe die Nachfrage nach Sprengstoff-Spürhunden bei Großveranstaltungen stark wachsen lassen. Biebert hofft, dass ihre Ergebnisse in die überarbeiteten Standards für Sicherheitsdienstleister des Deutschen Instituts für Normung einfließen werden: „Der Bedarf ist da – und es gibt jede Menge Normierungspotenzial." So ließen sich etwa mögliche Angst- oder Ekelreaktionen bei Kontrollen reduzieren, wenn bestimmte Rassen zum Einsatz kämen und Beißkörbe verwendet würden; Einsatzabläufe könnten stärker vereinheitlicht werden, die Ausbildung und Prüfung der Hunde ebenso.

Dazu erforscht das Projektteam auch das Riechvermögen der Hunde grundlegend: „Wir wissen zwar, dass sie Geruchsspuren bis zu absurden Kleinstmengen wahrnehmen können – aber wir wissen nicht genau, wie sie das tun", sagt Biebert. Bei Experimenten mit einer kooperierenden Schweizer Hundestaffel untersuchen Biebert und die Naturwissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinztal bei Karlsruhe, was genau bei einem Spürhunde-Einsatz passiert. Die gemeinsame Arbeit sei toll, sagt die Kulturanthropologin: „Der Hund ist ein fächerübergreifendes Erkenntnisobjekt."

Thomas Goebel