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Stars im Schwarzwald

Wildtiere wecken bei Menschen unterschiedliche Assoziationen – das Reh ist der Liebling, und das Auerhuhn verspricht, was es nicht halten kann

Freiburg, 31.01.2018

Stars im Schwarzwald

Fotos: C. Schüßler, Friedberg/ beide Fotolia

Ob im Tourismus, in der Öffentlichkeitsarbeit oder in der Politik: Im Nordschwarzwald werden Botschaften an unterschiedliche Zielgruppen häufig über Tiere vermittelt. Doch welche Inhalte lassen sich zum Beispiel über Reh, Auerhuhn und Wolf kommunizieren? Damit beschäftigt sich Dr. Andy Selter von der Professur für Forst- und Umweltpolitik der Universität Freiburg. Gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrich Schraml von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg und Julian Jaeger, Student der interdisziplinären Anthropologie, untersucht Selter, wie Menschen verschiedene Tierarten wahrnehmen.


Fotos: C. Schüßler, Friedberg/ beide Fotolia

„Wir wollen verstehen, wo Wildtiere in der politischen Diskussion im Nordschwarzwald eine Rolle spielen“, erläutert Schraml. In welchen Zusammenhängen werden sie als Symbole genutzt? Welche Geschichten „erzählen“ sie? Und was bedeutet das für den Austausch zwischen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren? Das Projekt ist Teil des „Wissensdialogs Nordschwarzwald“ – ein Verbund, der die Entwicklung des ersten Nationalparks in Baden-Württemberg über drei Jahre hinweg begleitet hat – und nun in die zweite Runde startet. Die Wissenschaftler befragten 480 Einheimische sowie Gäste des Naturparks. Deren Assoziationen zu 13 Tierarten setzten sie mit kulturgeschichtlichen Überlieferungen in Zusammenhang. „Wildschwein und Wolf sind am wenigsten sympathisch und polarisieren am meisten. Dann gibt es ein Mittelfeld, bestehend aus Auerhuhn, Fledermaus, Fischotter, Luchs, Fuchs und Bachforelle. Die beliebtesten Wildtiere sind Reh, Rothirsch, Eule, Falke und Specht“, resümiert Selter. „Wir haben aber auch Methoden aus den Gender und den Human-Animal Studies genutzt, um den kulturellen Rucksack der Tiere auszupacken. Es ist eine der ersten derartigen Studien im deutschsprachigen Raum“, erklärt Jaeger. „Das Besondere an unserem Projekt ist der intensive Diskurs mit der Bevölkerung“, betont Selter. Regionale Akteure können die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um zu entscheiden, welche Tiere sie in welchen Bereichen symbolisch einsetzen möchten. „Wir wollen die Leute dafür sensibilisieren, dass sie auch Fehler machen können, wenn sie politisch oder in der Öffentlichkeit mit Tiersymbolen arbeiten“, erklärt Schraml.

Symbol des Schwarzwalds: das Auerhuhn


Foto: edgar schepul/Fotolia

Das Auerhuhn steht in der Werbung für ursprüngliche Natur. In der Vergangenheit bot ihm der stark übernutzte Schwarzwald einen optimalen Lebensraum. Schlechte Zeiten für den Wald waren also immer gute Zeiten für das Auerhuhn. Inzwischen ist es selten. Es reagiert besonders sensibel auf Störungen und gehört zu den schutzbedürftigen Tierarten. Im Artenschutz werden häufig die seltensten und aus ökologischer Sicht spannendsten Arten zu Symboltieren auserkoren. „Doch wenn Besucherinnen und Besucher der Region ans Auerhuhn denken, denken sie dann wirklich zuerst an einen seltenen, scheuen, vorsichtigen Vogel, der behütet werden sollte?“, fragt Schraml. „Das Auerhuhn wird immer als männlich, balzend, potent und vital dargestellt. Mit dem Bild bringt man also eine ganz andere Botschaft rüber.“ Zudem fällt den Menschen zu keinem Wildtier weniger ein. „Man könnte dieses alte Schwarzwaldsymbol durch einen anderen Vogel ersetzten, der auch für Schutzziele steht“, schlägt Jaeger vor.

Wild und sympathisch: der Specht


Foto: kwasny221/Fotolia

„Wir haben einen Shootingstar entdeckt, der sich auf vielen Ebenen als Symbol für die Region eignet“, erzählt Jaeger. Der Specht lebt wild und gehört zu den fünf beliebtesten Wildtieren des Nordschwarzwalds. „Er ist präsent. Diesen Vogel nimmt man wahr: Man hört ihn, und man sieht ihn“, bringt es Selter auf den Punkt. Der Specht trägt durch seine Lebensweise zur Aufrechterhaltung des Ökosystems Wald bei. Er braucht eine Umgebung, in der Totholz vorkommt – und der Prozessschutz, der dazu führt, dass Totholz entstehen kann, steht wiederum ganz oben auf der Liste des Nationalparks. „Daran sieht man, dass sich bestimmte Tierarten mit manchen regionalen Zielen gut verknüpfen lassen“, sagt Jaeger.

Faszinierend und zum Fürchten: der Wolf


Foto: Mari_art/Fotolia

Zum Wolf haben Menschen eine geteilte Meinung. Die einen haben Angst, die anderen finden ihn gerade wegen seiner Gefährlichkeit spannend. Die Ergebnisse zeigen, dass man im städtischen Bereich mit Wölfen deutlich mehr Leute begeistern könnte als auf dem Land. „Tierarten, die stark einen Aspekt von Wildnis verkörpern, werden von urban sozialisierten Menschen positiver gesehen als von denen, die das Land nutzen und ihre Weidetiere schützen möchten“, erklärt Selter. Die Faszination, die der Wolf auslöst, kommt unter anderem aus den Massenmedien. „Man kriegt vom Wolf anders als vom Wildschwein viel darüber mit, wie er lebt, welche Ökologie er hat und was für ein interessantes Tier er ist“, so Selter. Wie das Auerhuhn wird auch er in der Werbung als Symbol für Wildnis eingesetzt. „Allerdings muss die Projektion in keinem realen Zusammenhang zu den biologischen Zusammenhängen stehen“, erklärt Schraml: „Menschen wundern sich immer wieder, dass Wölfe aus direkter Nähe fotografiert werden können. Aus biologischer Sicht ist das nicht überraschend. Warum sollte ein junger, unerfahrener Wolf, dem noch nie etwas Schlimmes passiert ist, weglaufen? Aber in unserer Vorstellung ist der Wolf wild und geheimnisvoll. Dieses Bild hat sich von der Lebensweise der Art entkoppelt.“

Lieblingstier: das Reh

 


Foto: johnwilhelm/Fotolia

Das Reh ist das beliebteste Tier im Nordschwarzwald. „Es ist eine Allerweltsart, die keinen Ökologen oder Artenschützer interessiert. Aber es hat alles, was man für eine Kampagne braucht“, sagt Schraml: Rehe sind relativ klein, werden gerne mit Weiblichkeit und dank Walt Disneys „Bambi“ auch mit einer traurigen Geschichte assoziiert. „Eigentlich könnte man das, was man mit dem Auerhuhn transportieren möchte, mit dem Reh viel besser vermitteln.“ Selter ergänzt: „Das Reh ist viel beliebter als das Auerhuhn. Ob es Schäden in Wäldern verursacht und ob es selten vorkommt oder nicht, scheint gar nicht so wichtig zu sein. Sogar Landwirte und Waldbesitzer stufen das Tier als sympathisch ein.“ Das Wildtiermanagement kommt, wenn es ums Jagen geht, in sensible Gefilde. Gerade in die Rotwildpopulation wird momentan intensiv eingegriffen. Mit der Jagd, insbesondere auf Rehe, bedroht man die ideale Vorstellung eines wilden, unberührten Nationalparks. „Wenn Tiere geschossen werden, kommen schnell wieder Assoziationen zu Bambi“, sagt Schraml. „Das muss eine Nationalparkverwaltung den Leuten gut erklären, sonst tritt sie in viele Fettnäpfchen.“

 

Sarah Schwarzkopf

www.wissensdialog-nordschwarzwald.de