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Kontrolle statt Katastrophe

An allen Ecken und Enden gab es 2018 verheerende Brände – Johann Georg Goldammer berät weltweit Politiker in Sachen Feuermanagement

Freiburg, 25.01.2019

Die Feuerökologie ist eine noch junge Disziplin, doch sie macht von sich reden: Das Global Fire Monitoring Center (GFMC) – eine Außenstelle des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie an der Universität Freiburg berät Politikerinnen und Politiker bei der Prävention von Landschaftsbränden und im Umgang mit solchen Katastrophen. Prof. Dr. Johann Georg Goldammer leitet die weltweit einzigartige Einrichtung. Seit 2018 entwickelt er mit seinem Team ein Konzept zur Brandprävention in Griechenland im Auftrag der dortigen Regierung. Hans-Dieter Fronz hat sich mit dem Experten über seine Arbeit sowie die gegenwärtige Gefahrenlage – auch in Deutschland – unterhalten.


Kontrolliertes Feuer: Johann Georg Goldammer bei einem Experiment am Mittelrhein. Foto: GFMC

Herr Goldammer, hatten Sie beruflich mit den verheerenden Bränden des letzten Sommers in Schweden, Griechenland oder Kalifornien zu tun?

Georg Goldammer: Die griechische Regierung hat mich nach den Bränden im Sommer beauftragt, eine nationale Kommission einzurichten, um eine zukunftsweisende Strategie für das zu entwickeln, was wir „Feuermanagement auf Landschaftsebene“ nennen. Dieser Auftrag ist ein Ausdruck großen Vertrauens. Vergleichbare Aufgaben haben wir auch schon in anderen Ländern übernommen. Im vergangenen Herbst haben wir die staatliche Dienststellen in Griechenland mit Befragungen und Interviews einbezogen. Im Dezember 2018 habe ich in Athen einen runden Tisch einberufen, an dem sämtliche Behörden und Vertreter der Zivilgesellschaft beteiligt waren. Mittlerweile ist unser Bericht an das griechische Parlament fertiggestellt. Ich werde ihn in der ersten Februarwoche Premierminister Alexis Tsipras und Parlamentspräsident Nikolaos in Athen übergeben.

Was ist dabei Ihre Aufgabe?

In Griechenland liegt unsere Hauptaufgabe in der Analyse. Es geht, wie mir der griechische Premierminister bei seinem Anruf letzten August mitteilte, um die ursächlich zugrunde liegenden Probleme, also um die Katastrophenanfälligkeit. Wir unterhalten uns also nicht darüber, wie viele Hubschrauber oder Feuerlöschfahrzeuge gekauft werden müssen, sondern über die Gründe für die sich ständig erhöhende Brennbarkeit oder Entflammbarkeit griechischer Landschaften einschließlich der Vorstädte. Und darüber, wie die Regierung in einem sehr breit aufgestellten Programm dafür sorgen kann, dass die Landschaften widerstandsfähiger gegen das Feuer sind.

Was genau ist eigentlich Feuerökologie?

Die Feuerökologie will die Rolle von Feuer in natürlichen Ökosystemen untersuchen. Dabei spielt natürliches Feuer, etwa durch Blitzschlag, eine Rolle, aber auch durch den Menschen eingebrachtes Feuer. Es geht in der Feuerökologie darum, herauszufinden, wo Feuer eine zerstörerische Rolle spielt und wo es dazu beiträgt, eine nachhaltige Land- und Ökosystementwicklung zu ermöglichen. Eine richtige Nutzung des Feuers hat dazu beigetragen, dass sich unsere Zivilisation entwickeln konnte. Wir können aber in viele Brände, wie sie sich im vergangenen Jahr ereigneten, nichts Gutes hineininterpretieren.


Der griechische Premierminister Alexis Tsipras (links) hat Johann Georg Goldammer damit beauftragt, eine Feuermanagement-Strategie für Griechenland zu entwickeln. Foto: Maximos Mansion, Athen

Welche Funktion hat dabei das GFMC?

Wir arbeiten an der Schnittstelle von Wissenschaft und konkreter Anwendung, auf Neudeutsch: im „Science-Policy-Interface“ (SPI). Wir bringen Wissen aus der Grundlagenforschung in die Politik ein, als Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen des Umwelt- und Waldschutzes. Wir haben erkannt, dass die Lücke zwischen dem stetig wachsenden theoretischen Wissen und seiner Anwendung so groß ist, dass wir angesichts der rasanten Entwicklung eine schnellere Umsetzung von Wissen in Politik und Praxis benötigen – ich verweise nur auf Faktoren wie den demografischen Wandel, das Bevölkerungswachstum, die Landnutzung und insbesondere den Klimawandel.

Ihre Arbeit besteht also hauptsächlich in der Politikberatung?

Ja, zu einem großen Teil. Dafür führen wir Situationsanalysen durch und beraten Länder und Organisationen beim Aufbau eigener Kapazitäten – damit sie künftig nicht mehr von unserer Beratung abhängig sind.

Beraten Sie, etwa in Akutsituationen, auch Feuerwehren?

Wir beraten Feuerwehren, aber auch Universitäten, Akademien und Schulen, letztere in Form von Lehrgängen und Schulungen. Feuerwehren beraten wir beispielsweise bei der Frage, wie eine sinnvolle Ausrüstung oder Sonderausrüstung aussehen kann.


Personal schützen: Gemeinsam mit einem Unternehmen hat das Global Fire Monitoring Center einen Löschpanzer entwickelt, mit dem sich Feuer auf munitionsbelasteten Standorten sicher bekämpfen lässt. Foto: DiBuKa

Wie schätzen Sie die Gefahrenlage in Deutschland ein?

Dass wir jetzt auch in Deutschland einige große Brände hatten, hat viele überrascht. Aufgrund des Klimawandels, aber auch wegen der Schwächung des ländlichen Raums warnen wir seit vielen Jahren vor dieser Entwicklung. Hinzu kommt, dass die Feuerwehren Nachwuchsprobleme haben. Seit Jahren erheben wir die Forderung nach einer besseren Vorbereitung auf diese Probleme. Doch erst jetzt sind die Behörden aufgewacht. In Berlin sind wir demnächst beratend zu der Frage tätig, wie sich Deutschland in Sachen Brandschutz besser aufstellen kann. Es geht um den Aufbau von Kapazitäten, die es erlauben, in einem durch den Klimawandel bedingten Umfeld mit extrem langen Trockenperioden und extremen Wetterlagen wie jüngst in Kalifornien besser umzugehen. Wir haben, sehr ungewöhnlich für Deutschland, noch im Oktober Waldbrände gehabt. Wir kommen in ein Klima der extremen Ausreißer. Darauf muss sich der Wald einstellen, aber auch die Forstwissenschaft. Das ist ein Prozess, der viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern wird. Wir müssen ihn aber jetzt angehen. Die Ereignisse in Kalifornien und Europa sind klare Warnsignale.

Sie beklagen fehlende politische und finanzielle Unterstützung für die Brandprävention. Hat sich seit letztem Sommer etwas geändert?

Nein, wenn sich die Frage auf Europa und Deutschland bezieht. In Deutschland sind zwei Bereiche gut entwickelt und ausgestattet: der Waldbrandwarndienst und die Feuerdetektionssysteme. Es gibt jedoch keine ausreichenden waldbaulichen oder landschaftsgestaltenden Maßnahmen, sondern im Grunde nur rein technische Maßnahmen. Für Europa wiederum gibt es ein neues Programm mit dem Namen rescEU, dessen Schwerpunkt der Aufbau einer EU-eigenen Flugzeugflotte ist. Das heißt aber, das Pferd von hinten aufzäumen. Europa ist noch nicht soweit, dass es in ausreichendem Maße in die Prävention und Katastrophenvorsorge investiert. Prävention ist aber absolut prioritär. Es gibt Faktoren bei der Brandentstehung, die sich nicht eliminieren lassen – wie achtlos weggeworfene Zigaretten, unvorsichtiges Umgehen mit Grillfeuer in der Natur oder erhitzte Autokatalysatoren. Prävention bedeutet vielmehr, dass wir uns die Landschaftselemente einschließlich des Waldes daraufhin anschauen müssen, inwieweit sie tatsächlich geeignet sind, das Auftreten eines Feuers nicht zu einer Katastrophe werden zu lassen. Das ist viel komplexer, als in schierem politischen Aktionismus Geld für den Kauf von Löschflugzeugen bereitzustellen.