Bewusst nutzen und einsparen
Freiburg, 27.01.2020
Wie kann man Menschen dazu bringen, sich energiesparender zu verhalten? Mit dieser Frage befasst sich Dr. Michael Stumpf vom Institut für Psychologie der Universität Freiburg. Zudem erforscht er im Exzellenzcluster livMatS – Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems, wie noch zu entwickelnde Materialsysteme von den Menschen akzeptiert werden. Claudia Füßler hat sich mit ihm unterhalten.
Energiebewusstes Handeln ist mit Aufwand verbunden und erfordert eine Abwägung der Alternativen: Die Stand-by Funktion beispielsweise ist bequem, verbraucht aber Ressourcen und kostet Geld. Foto: Sandra Meyndt
Herr Stumpf, was genau machen Umweltpsychologinnen und Umweltpsychologen?
Michael Stumpf: Wir interessieren uns dafür, wie der Mensch seine Umwelt wahrnimmt, wie er in ihr agiert, sie nutzt. Ich beschäftige mich vor allem mit dem Umgang mit Energie. Wie kann man jemanden dazu bringen, sich energiesparender zu verhalten?
Wie geht denn der Mensch mit Energie um?
Energie ist oft unsichtbar, Energieverbrauch ist kein Selbstzweck und man ist sich des Verbrauchs von Energie oft gar nicht bewusst. Der Energieverbrauch ist die unbeabsichtigte Folge einer Tätigkeit: Wir wollen zum Beispiel Kuchen backen und brauchen dafür Strom für den Herd. Deshalb ist ein wichtiger erster Schritt, bewusst zu machen, dass und wieviel Energie verbraucht wird. Im zweiten Schritt kann ich darüber aufklären, wie man Energie bewusster nutzt und einspart.
Wissen das nicht inzwischen die meisten?
Das ist heute tatsächlich anders als noch vor 20 Jahren. Damals hat man mit solchen Informationen noch eher einen Aha-Effekt erzielt, heute rennt man bei vielen damit durchaus offene Türen ein. Allerdings ist es auch so, dass es beim Wissen über Verbräuche – zum Beispiel den Stand-by-Modus des Fernsehers – noch viel zu tun gibt. Dies gilt genauso für Wissen über konkrete Handlungsoptionen, also wie ich Energie sparen kann.
Was motiviert Menschen am ehesten zu energiebewusstem Verhalten?
Da gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, die wir systematisch einsetzen. Generell ist wichtig, dass man sich klar macht: Ein energiebewusstes Verhalten ist immer mit Aufwand verbunden. Der Mensch fragt sich dann: Rechnet sich das? Finanziell? Aus der Sicht der individuellen Bequemlichkeit? Was ist mir wichtiger, dass ich die Umwelt schone oder dass mein Fernseher auf Stand-by steht und ich ihn jederzeit vom Sofa aus anschalten kann? Das eine ist das Wissen um mögliche Probleme und Alternativen, das andere, wie dieses Wissen bewertet wird, wie wichtig mir mögliche Auswirkungen meiner Handlungen sind, wie sehr ich mich selbst davon betroffen fühle, ob ich glaube, etwas verändern zu können.
Vorbilder, Aufforderungen oder individuelles Feedback können Menschen zum Energiesparen motivieren, sagt Michael Stumpf. Foto: Thomas Kunz
Was sind denn Dinge, die hinsichtlich der Motivation funktionieren?
Wir wissen zum Beispiel, dass die Leute sich gerne an dem orientieren, was andere tun. Außerdem funktionieren Appelle und Aufforderungen recht gut. So haben wir vor einigen Jahren mal Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern morgens, wenn sie sich am PC angemeldet haben, gleich einen Energiespartipp auf den Bildschirm geschickt. Zum Beispiel: Heute scheint gleich die Sonne ins Büro, es lohnt sich nicht, die Heizung anzuschalten. Auch ein Feedback über den Verbrauch und eventuelle Einsparungen kann motivierend wirken, wie auch Anreize wie eine Prämie fürs E-Auto oder Wertschätzungen.
Das sind alles Anreize, die von außen gesetzt werden. Wie steht es um die intrinsische, also die innere Motivation des Menschen, bewusster mit Energie umzugehen?
Die spielt eine große Rolle und kann ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Ist die intrinsische Motivation stark, braucht es eigentlich keine oder kaum äußere Anreize. Das Problem mit den externen Motivatoren ist, dass das System oft zusammenbricht, sobald die Belohnung ausfällt. Wenn zuvor aber eine intrinsische Motivation aufgebaut werden konnte, steigen die Chancen, dass der Mensch sich dennoch weiter umweltbewusst verhält.
Wie nachhaltig sind Ihrer Meinung nach Bewegungen wie Fridays for Future?
Ich denke nicht, dass das so schnell abebben wird, da spielt ja ein Generationenkonflikt mit rein: Wir leben heute auf Kosten unserer Kinder, die das dann in Zukunft ausbaden müssen. Die Klimaproblematik ist seit einigen Monaten das wichtigste Thema in Deutschland. Unsere Aufgabe ist, wie der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber einmal sagte, das Unbeherrschbare zu vermeiden und das Unvermeidliche zu beherrschen.
Sie beschäftigen sich im Exzellenzcluster livMatS mit der Untersuchung psychologischer, philosophischer und ethischer Implikationen von Materialsystemen. Was kann man sich darunter vorstellen?
In livMatS werden neuartige Materialsysteme entwickelt, die bestimmte Eigenschaften verbinden. Das Projekt steht dazu auf vier Säulen. Die ersten drei sind eher technischer Natur, sie erforschen die Energieautonomie, Langlebigkeit und Anpassungsfähigkeit dieser Materialsysteme. Die vierte Säule bilden das Öko-Institut Freiburg, das Philosophische Seminar und wir, das Psychologische Institut der Universität Freiburg. Wir in der Psychologie wollen vorhersagen, wie die noch zu entwickelnden Materialien von den Menschen akzeptiert werden. Das ist sehr spannend, weil die Akzeptanzforschung normalerweise an Prototypen arbeitet – wir haben aber im Moment noch keine.
Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?
Nehmen wir eine Fassade zur Verschattung eines Hauses, die selbständig arbeitet: sich anhand des Sonnenlichts verändert und sich selbst repariert, wenn sie kaputtgeht. Da kommt jetzt beispielsweise jemand aus der Biologie mit der Idee: Das kann man wunderbar aus pilzartigen Strukturen machen. Wir Psychologinnen und Psychologen sagen dann den Entwicklerinnen und Entwicklern: Vorsicht, vielleicht wollen nicht alle Menschen in einem Haus mit einer Pilzfassade wohnen, das könnte ein eher negatives Attribut sein. Wir haben daher eine Liste an möglichen Attributen zusammengestellt – solche, die eher positiv, und solche, die eher negativ konnotiert sind. Die soll den Entwicklern helfen. Außerdem entwickeln wir mit kognitiv-affektiven Karten eine Technik aus dem Mind-Mapping-Bereich weiter, die wir zur Visualisierung solcher Attribute und ihrer Verkettung nutzen wollen.