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Aus Nutzersicht denken

Die Pastoraltheologie hat zeitgemäße Kommunikationswege für die Seelsorge entwickelt

Freiburg, 21.08.2020

In den vergangenen Jahren schwand deutschlandweit das Interesse an katholischen Trauungen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat Bernhard Spielberg, Professor für Theologie, mit seiner Arbeitsgruppe die interaktive Website „www.einfach-kirchlich-heiraten.de“ einwickelt. Das Portal senkt für heiratswillige Paare die rechtlichen und organisatorischen Hürden bei der Planung einer Hochzeit.

Auch in der modernen, digital geprägten Zeit wollen Paare mit ihrer individuell gestalteten Trauung zeigen, wie ernst es ihnen mit ihrer Beziehung ist. Foto: Sandra Meyndt

Ganz in weiß? Mit einem Blumenstrauß? Paare, die ihre Traumhochzeit planen, werden im Internet von Hochzeitsideen geradezu überrannt: Vom Blumenschmuck über die Trauringe bis zur Musik finden sie jeweils eine ganze Palette von Angeboten — wenn die Paare nicht ohnehin die gesamte Organisation einer darauf spezialisierten Agentur überlassen. Soll es eine katholische Trauung sein, stoßen Paare zum Beispiel auf der Seite „katholisch.de“ auf formale Informationen bis hin zu den Schaukästen mit den Kontaktdaten ihrer Wunschpfarrei, falls sie nicht an ihrem Wohnort den kirchlichen Segen einholen wollen. Seit dem 14. Februar 2020 geht die Erzdiözese Freiburg zunächst probeweise in den Dekanaten Freiburg, Mannheim, Rastatt und Mosbach-Buchen einen ganz neuen Weg: Unter „www.einfach-kirchlich-heiraten.de“ findet sich eine interaktive Internetseite, die heiratswilligen Paaren die Suche nach dem Wunschpfarrer und der Wunschkirche erleichtert. Schritt für Schritt können sie sich durch Fragen klicken, die ihre persönlichen Vorstellungen einkreisen, bis hin zu den Pfarrern mit Fotos und Profilen sowie Beschreibungen zu Kirchen, die in ihrer Region in Frage kommen. „Wir kümmern uns um Sie“, versprechen die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner.

Zuletzt weniger Trauungen

„Wir denken Seelsorge heute von den Nutzerinnen und Nutzern, nicht von den Institutionen her. Und entwickeln Lösungen dafür“, erläutert Prof. Dr. Bernhard Spielberg das der Website zugrundeliegende Motiv. In Zusammenarbeit mit der Erzdiözese hat das von ihm geleitete „zap“, eine pastoraltheologische Forschungseinrichtung an der Freiburger Universität, die interaktive Heiratsplattform entwickelt. Dass es höchste Zeit ist, von den Nutzern her zu denken, zeigen die Zahlen: Weitaus deutlicher als an standesamtlichen Eheschließungen schwindet deutschlandweit das Interesse an katholischen Trauungen. Ende der 1980er Jahre trauten sich noch 110.000 Paare, im Jahr 2018 traten hingegen mit knapp 42.800 nicht einmal mehr halb so viele vor den Altar. Wobei die Abwärtskurve seit einigen Jahren deutlich flacher geworden ist.

Organisatorische Hürden senken

Christina Biskupek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Projekt, hat nach einer zeitgemäßen Kommunikationsform gesucht, „mit der sich rechtliche und organisatorische Hürden senken“ lassen. Mit der Plattform will sie Kirche „erreichbar machen für heiratswillige Menschen“. Sie sollten nicht länger an Öffnungszeiten von Pfarreien gebunden sein, stundenlang herumfahren auf der Suche nach der zu ihnen passenden Kirche, einen Priester finden, der ihnen sympathisch ist und zu ihrem Wunschtermin auch noch Zeit hat. „Jüngere Katholikinnen und Katholiken haben kaum noch Kontakt zur Pfarrei ihres Wohnortes“, weiß Biskupek. Eigentlich müssten sie aber zuerst mal dahin, sich über alle Formalitäten aufklären lassen und sich eine Art Überweisung holen, wenn sie woanders von jemand anderem getraut werden wollen. Das alles kann ihnen das neue Webportal erleichtern oder ganz ersparen. Zumal die wenigsten Paare heute noch dem klassischen katholischen Milieu entstammen. Bei den meisten ist ohnehin nur einer der Partner katholisch.

Individuelles Ritual der Trauung

Aber dennoch wird die katholische Trauung in einer säkularisierten und individualisierten Gesellschaft damit nicht zum dekorativen Beiwerk beim durchgestylten Hochzeitsevent degradiert.  Zwar räumt Bernhard Spielberg ein, mit der Website auch ein Stück Marketing zu betreiben: „Das heißt ja zunächst einmal, sich ehrlich dem Wettbewerb zu stellen und zeigen, was man hat.“  Aber „mehr als allen Hochglanz wünschen sich die Paare, dass ihre Verbindung unter einem guten Stern steht und in eine Wirklichkeit eingebettet ist, die größer ist als sie selbst“. Das Ritual der Trauung könne dabei in einer Weise gestaltet werden, dass „sie als Menschen mit ihrer Geschichte und ihren Vorlieben vorkommen und nicht nur Teil eines festgelegten Vorgangs sind“. Für Spielberg ist das Angebot alles andere als eine Anleitung zum bloßen Konsumieren von Kirche: „Mit ihrer selbst gewählten Musik, mit dem Blumenschmuck, mit dem besonderen Ambiente ihrer Wunschkirche können sie einen Rahmen gestalten, in dem sie Freunden und Verwandten zeigen, wie ernst es ihnen mit ihrer Beziehung ist.“

Anita Rüffer

 

Arbeitsbereich Pastoraltheorie

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