„De/Coloniality Now“ fördert wissenschaftliche Karrieren mit Early Career Research Tandems
Freiburg, 20.12.2023
Wie wirkt sich der Kolonialismus von damals auf die Welt von heute aus? Diese Frage steht im Zentrum der multidisziplinären Initiative „De/Coloniality Now – Cluster for Reciprocal and Reflective Research“ an der Universität Freiburg. Seit Oktober 2023 beschäftigt sie auch neun Wissenschaftler*innen aus aller Welt, die innerhalb des Projekts vier sogenannte Early Career Research Tandems bilden. „Dieses Angebot richtet sich an Postdocs, deren Promotion maximal sechs Jahre zurückliegt“, sagt Prof. Dr. Johanna Pink vom Orientalischen Seminar der Universität Freiburg und eine der Sprecher*innen von De/Coloniality Now. „Ihnen möchten wir die Chance geben, ein Forschungsprojekt für den begrenzten Zeitraum von rund sechs Monaten weitgehend risikolos zu leiten, das dazugehörige Budget zu verwalten und mit internationalen Kolleg*innen zusammenzuarbeiten.“
Aus ihrer Sicht qualifizieren die dadurch gewonnenen Praxiserfahrungen für weitere Karriereschritte, auf die auch die in der Tandemarbeit erzielten Forschungsergebnisse einzahlen können. Hinzu kämen die Optionen, Pilotprojekte zu verstetigen oder in anderen Kontexten weiterzuführen, wodurch sich den beteiligten Wissenschaftler*innen weitere interessante Zukunftsaussichten eröffneten. Dass letztlich vier Tandems gefördert werden, war zu Beginn nicht angedacht. „Ursprünglich sollten es nur drei sein“, lässt Pink durchblicken. „Da uns jede der vier eingereichten Projektskizzen überzeugt hat, haben wir uns dafür eingesetzt, alle zu realisieren. Wir finden es wichtig, Wissenschaftler*innen in der frühen Karrierephase bei ihrem akademischen Werdegang zu unterstützen, und sind froh darüber, dass nun alle Bewerber*innen von den Vorteilen des Projekts profitieren können.“
Von der ehemaligen Sowjetunion…
Aleksej Tikhonov (links) und Aren Vanyan. Fotos: Maria Gerasimova und Maria Boytsova.
Um für die Early Career Research Tandems möglichst große methodische und inhaltliche Freiheiten zu schaffen, wurde an diesen Stellen auf strikte Vorgaben verzichtet – ein Aspekt, der sich auch in den eingereichten Anträgen widerspiegelt. Eines der Tandems besteht aus Dr. Aleksej Tikhonov, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Slavischen Seminar der Universität Freiburg, und seinem Forschungspartner Aren Vanyan, einem im EU-Exil lebenden Mitarbeiter der in Russland gegründeten und dort mittlerweile aufgelösten Menschenrechtsorganisation Memorial International. Sie arbeiten im Projekt „AI-assisted exploration of the Sovjet colonialism and the concepts of language and nation: A case study with documents from the Nobel Peace Prize-awarded Memorial archives“ zusammen. „Darin analysieren wir mithilfe von künstlicher Intelligenz und Computerlinguistik digitalisierte Handschriften, die aus dem Memorial-Archiv stammen und von Gulag-Insassen geschrieben wurden“, erklärt Tikhonov. Die Analyse der Zeitzeug*innendokumente soll sowohl die Folgen des sowjetischen Kolonialismus für die verschiedenen Nationen innerhalb des kommunistischen Staates aufzeigen als auch die der Konzepte von Sprache, Nation und Kolonialismus für die Lebensrealitäten der Menschen. Die Zusammenarbeit mit Vanyan beschreibt Tikhonov als sehr bereichernd: „Der Austausch fördert die geistige Vorstellungskraft. Zudem bietet die Arbeit im Tandem die Chance, Vertrauen aufzubauen und sich als zuverlässiger Partner zu positionieren.“ Dies sei besonders wertvoll, wenn es darum geht, neue und auch größere Kooperationen anzustoßen.
… bis nach Afrika
Tim Zajontz (links) und Muhidin Shangwe. Fotos: Kylie Andrews und ZVG.
Der regionale Schwerpunkt der anderen Tandems liegt in Afrika. Im Projekt „The coloniality of contemporary geopolitcs in East Africa: Insights from Dar es Salaam“ untersuchen Dr. Tim Zajontz vom Seminar für Wissenschaftliche Politik an der Universität Freiburg und Dr. Muhidin Shangwe von der Universität Dar es Salaam unter anderem, wie externe Akteure – etwa die Europäische Union, die USA und China – in Ostafrika agieren, und zwar auf Basis von Theorien der internationalen Beziehungen, die in Dar es Salaam selbst entwickelt wurden.
Richard Legay (links) und Zainab Musa Shallangwa. Fotos: ZVG
„Restitution beyond the objects: rethinking the return of African cultural heritage as a decolonial issue“ heißt das Projekt von Dr. Richard Legay, Arnold-Bergstraesser-Institut in Freiburg, Dr. Rebecca Ohene-Asah, Universität für Medien, Kunst und Kommunikation in Accra/Ghana, und Dr. Zainab Musa Shallangwa, Universität von Maiduguri in Maiduguri/Nigeria. Darin hinterfragen die Wissenschaftler*innen das aktuelle Verständnis von Restitution, indem sie den Begriff über Kunst hinausdenken und um Gebeine, Fotos, Ton- und Videodokumente sowie Bücher erweitern.
Balz Andrea Alter (links) und André Ottou Ottou. Fotos: ZVG
Balz Andrea Alter, Afrika-Zentrum für Transregionale Forschung an der Universität Freiburg, und André Ottou Ottou, Universität Genf/Schweiz, legen in ihrer Forschung den Fokus auf Oral History und nähern sich mit Pod- und Videocasts im Projekt „SwissCameroonian – Geneva based Memories (SC-G Memories)“ der eng verwobenen Geschichte der Schweiz und Kameruns an.
„De/Coloniality Now – Cluster for Reciprocal and Reflective Research“ ist eine von sieben Exzellenzcluster-Initiativen der Universität Freiburg. Weitere Informationen dazu sowie zur Freiburger Exzellenzstrategie insgesamt finden Sie hier.