Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin fördern & engagieren Neugierig bleiben

Neugierig bleiben

Gerda und Fritz Ruf sind das erste Ehepaar, dem die Universität die Ehrensenatorenwürde verliehen hat – zwei Menschen, die den Forschergeist beflügeln

Freiburg, 22.10.2018

Neugierig bleiben

Foto: Thomas Kunz

Das gibt es auch nicht alle Tage: dass einem Ehepaar, wie im Juni 2018, gemeinsam die Ehrensenatorenwürde der Universität Freiburg verliehen wird. Genau genommen, ist das bisher noch nie vorgekommen. Die Universität ehrt Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise um die Universität verdient gemacht haben, mit der Würde einer Ehrensenatorin oder eines Ehrensenators. Gerda und Dr. Fritz Ruf gehören mit ihrer 2006 eingerichteten Fritz-Hüttinger-Stiftung schon lange zu den wichtigen Förderern ihrer Alma Mater: So gründeten sie mit der Fritz-Hüttinger-Professur für Mikroelektronik die erste Namensprofessur in Freiburg und stellten seinerzeit eine Weiche für die Entwicklung der Technischen Fakultät.


Fritz und Gerda Ruf haben immer wieder einen Grund, ihre alte Heimatstadt Freiburg zu besuchen. Die Universität hat beiden die Ehrensenatorenwürde verliehen. Foto: Thomas Kunz

Sie nannten ihn „Figaro“. Nicht wegen seiner Haarpracht, sondern wegen des „Kittels“. Der stammte nämlich von einem Friseur. Denn Laborkittel waren nach dem Krieg, als Fritz Ruf im Wintersemester 1946/47 sein Chemiestudium in Freiburg begann, Mangelware. Es gab eigentlich auch kein Chemisches Institut. Denn das war beim Bombenangriff im November 1944 zerstört worden. Der 1927 in Waldkirch geborene und in Freiburg aufgewachsene Ruf hatte sich bei der Kriegsmarine und später in der kurzen Gefangenschaft bei den Engländern viele praktische Fähigkeiten angeeignet, zum Beispiel schweißen oder Traktor fahren und reparieren. Er war also bestens für den Wiederaufbau zu gebrauchen. Ein angehender Akademiker, der nie die Bodenhaftung verlieren sollte.

Mit dem Wiederaufbau war derweil auch seine spätere Frau, die damals noch Gerda Hüttinger hieß, beschäftigt. Die von ihrem Vater Fritz Hüttinger 1922 in Freiburg gegründete Fabrik für elektromedizinische Geräte war demselben Luftangriff zum Opfer gefallen. Auch diese ist aus den Ruinen wiederauferstanden und mauserte sich mit einer erweiterten Fertigungspalette zur Firma Hüttinger Elektronik, die seit 2013 Trumpf Hüttinger heißt. Nicht nur für Gerda und Fritz Ruf bahnte sich ein langes gemeinsames Leben an. Auch die Universität sollte später eng mit dem Namen Hüttinger verbandelt sein.


Das Ehepaar hat der Archäologischen Sammlung der Universität eine Replik einer hethitischen Ritualtafel aus Ton gestiftet. Foto: Patrick Seeger

In eine Richtung blicken

Am Anfang war ein Opernglas. Sie hatte eins, und er nicht, als sie sich bei einer Theateraufführung kennenlernten. Er durfte durch ihres schauen. 1957 heirateten sie in der Freiburger Annakirche. Eigene Kinder haben sie nicht, aber im Laufe der Jahre haben sie, wie sie sagen, „eine Familie adoptiert“. Vergangenes Jahr haben die Rufs am Ort ihrer Trauung ihre diamantene Hochzeit gefeiert. Auch die Liebe zur Kultur ist ihnen geblieben. Sie erinnern sich an den ersten Auftritt des später so berühmten Opernsängers Fritz Wunderlich im hiesigen Theater, der an der Freiburger Musikhochschule studiert hatte. Heute sind sie große Fans des renommierten Freiburger Barockorchesters. Als die Musikerinnen und Musiker mit dem Ensemblehaus am Messplatz endlich zu einem eigenen Domizil kamen, „waren wir etwas hilfreich“, sagt Gerda Ruf in aller Bescheidenheit.

Dass ihr Mann in die Firma ihres Vaters, in der sie selbst zehn Jahre arbeitete, einsteigen würde, stand nie zur Debatte. Fritz Ruf hatte Feuer gefangen für die Lebensmittelchemie, nachdem ihm die makromolekulare Chemie nicht die erwartete Freude gemacht hatte. Auch wenn er mit dem späteren Nobelpreisträger Hermann Staudinger einen berühmten Lehrer hatte. Doch zunächst musste das Fach für Ruf in Freiburg „erfunden“ werden. Er wurde zu seinem ersten Studenten und arbeitete danach als städtischer Chemierat in der Lebensmittelkontrolle in Freiburg. „Jeder, der ihn gesehen hat, ging in Deckung“, verrät seine Frau. Für das enge Korsett, das ihrem Mann während seiner Beamtenlaufbahn auferlegt wurde, hatte sie wenig Verständnis. „Zu festgelegt“ fand sie das. Auch er hatte mehr im Sinn. Eine leitende Position in der chemischen Industrie verschlug das Paar nach Ludwigshafen, wo Ruf sich etwa mit der Verwendung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln beschäftigte. Es folgten Stationen in Karlsruhe und zuletzt in Heilbronn, wo das Ehepaar bis heute lebt.


Mit der Methode Energy Harvesting könnte ein Herzschrittmacher in Echtzeit Energie aus Blutzucker gewinnen und sich selbst versorgen: An der Fritz-Hüttinger-Professur für Mikroelektronik arbeiten die Forschenden an zukunftsweisenden Vorhaben. Foto: Choo/Fotolia

Promotion mit 65 Jahren

„Es wurde nie langweilig“, zieht Gerda Ruf Bilanz. Sie hat ihm nicht einfach nur den Rücken freigehalten, sagt ihr Mann. „Sie war mit Leib und Seele dabei.“ Am Revers des Ehrensenators prangt nicht nur eine Anstecknadel der Universität Freiburg, sondern auch das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, das ihm auf Antrag des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft verliehen wurde. Im Lebensmittelrecht und in der Ernährungswissenschaft hat Ruf sich einen Namen gemacht. Noch im Alter von 65 Jahren promovierte er mit einer Arbeit über die Geschichte der Ernährung. Damit war die Leidenschaft des Ehepaars für antike Zeitzeugnisse, die mit Essen und Trinken zu tun haben, geweckt. Der Archäologischen Sammlung der Universität, die sie beide sehr schätzen, schenkten sie jüngst eine Replik einer jahrtausendealten Tontafel, auf der in hethitischer Sprache und in Keilschrift Ritualhandlungen rund um Speisen festgehalten sind. „Diese Ritualtafel wird gerne als Reinheitsgebot verstanden und als ‚ältestes Lebensmittelgesetz der Welt‘ bezeichnet“, erklärt Fritz Ruf.

„Wer nicht neugierig bleibt, sitzt irgendwann nur noch vor dem Fernseher oder löst Kreuzworträtsel“, sagt Gerda Ruf. Mit ihrem privaten Vermögen haben sie und ihr Mann die Fritz-Hüttinger-Stiftung gegründet, die mit dafür sorgt, dass die Neugierde auch an der Universität den Forschergeist beflügeln kann. Gerne lassen sie sich auf dem Laufenden halten, was an der von ihnen gestifteten Professur an innovativer Forschung etwa zur Energiegewinnung (Energy Harvesting) stattfindet. „Wir staunen darüber, was die Studierenden alles entwickeln“, sagt Fritz Ruf und strahlt. Besonders angetan hat es ihm die Möglichkeit, aus Blutzucker in Echtzeit die Energie für einen Herzschrittmacher zu gewinnen. Schließlich arbeitete er einst bei dem Unternehmen Maizena/Knorr in Heilbronn selbst an Dextrose-Produkten.


Fritz Hüttinger hat seine Fabrik für elektromedizinische Geräte 1922 in Freiburg gegründet. Foto: Thomas Kunz

Gerda Ruf ist die letzte Hüttinger-Gesellschafterin in der von ihrem Vater gegründeten Firma. Ihr Mann ist Mitglied im Beirat. So haben sie auch dadurch immer wieder einen Anlass, nach Freiburg zu kommen, wo sie nicht nur mit finanziellen Hilfen dafür gesorgt haben, dass der Name Fritz Hüttinger an vielen Stellen präsent bleibt – zum Beispiel mit der 2017 errichteten Hüttinger-Stele „Induktor“ an der Elsässerstraße vor dem ehemaligen Firmengelände. Auch im Foyer des neuen Unternehmenssitzes im Quartier „Auf der Haid“ findet sich eine Büste des verstorbenen Firmengründers. Daneben steht sein 91-jähriger Schwiegersohn und bekundet: „Ich bin dankbar für mein Leben.“

Anita Rüffer