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Jäger und Sammler

Für seine Feldforschung hat Adrian Hiss 509 leere Toilettenpapierrollen an die Elfenbeinküste transportiert – und im Gegenzug 2.000 Termiten mitgebracht

Freiburg, 28.06.2017

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Foto: Adrian Hiss

Der Biologiestudent Adrian Hiss hat in seinem Forschungspraktikum im Comoé National Park in der Elfenbeinküste das Konkurrenzverhalten von Termiten untersucht.

Die Termitenart Macrotermes bellicosus baut bis zu neun Meter hohe Hügel. Adrian Hiss hat das Fress- und Konkurrenzverhalten der Tiere erforscht. Foto: privat

Früh am Morgen, wenn die Luft noch kühl und der Busch ruhig ist, macht sich Adrian Hiss auf den Weg in die Savanne. Er besucht 21 Termitenhügel und verteilt um sie herum in allen Himmelsrichtungen Gras, Laub und Zellulose in Form leerer Toilettenpapierrollen. Er begutachtet, was sich seit dem Vorabend verändert hat, gräbt die Erde um den Hügel etwas auf und beobachtet die zum Vorschein kommenden Termiten. Dasselbe macht er auf 21 weiteren ausgesuchten Flächen, auf denen keine Hügel stehen. Am nächsten Morgen wird er wiederkommen und kontrollieren, ob die Termiten das ausgelegte Futter gefressen haben. Einige von ihnen wird er einsammeln, um sie in Deutschland in einem Genetiklabor analysieren zu lassen. „Man kann Termiten anhand ihres Aussehens nicht bis zur Art bestimmen", erklärt er. „Um herauszufinden, mit welchen Termiten wir es im Einzelnen zu tun haben, müssen wir sie mitnehmen."

Hiss beschäftigt sich noch gar nicht so lange mit Termiten. Im Januar 2017 flog der Biologiestudent für drei Wochen in die Elfenbeinküste, um ein Forschungsprojekt des Teams um Prof. Dr. Judith Korb zum Konkurrenzverhalten der Termitenart Macrotermes bellicosus (M. bellicosus) zu unterstützen. Die zwei bis drei Zentimeter kleinen Tierchen leben in bis zu neun Meter hohen Hügeln. Doch sie sind nicht die einzigen Termiten, die im Comoé National Park vorkommen – andere Arten leben in Nestern unter dem Boden, auch rund um die Hügel von M. bellicosus. Um den Einfluss der hügelbauenden Art zu bestimmen, gibt es Versuchsflächen um die Hügel und weitere, auf denen keine stehen, sodass man ausschließen kann, dass die Art dort vorkommt. Hiss hat Futter ausgelegt und Termiten eingesammelt, um herauszufinden, ob die verschiedenen Arten in einer bestimmten Reihenfolge zur Futterstelle kommen und ob es unterschiedliche Futterpräferenzen gibt. Damit hat er die Grundlagen für weitere Studien geschaffen: Langfristiges Ziel ist es herauszufinden, ob M. bellicosus zu anderen Termitenarten in Konkurrenz stehen, ob sie sie vertreiben oder ob sie vielleicht sogar nötig sind, um die Erde für andere Termitenarten bewohnbar zu machen. Vorangehende Feldforschungen legen nahe, dass M. bellicosus die Artenvielfalt fördert – nun soll herausgefunden werden, welcher Mechanismus dahinter steckt.

Eine Termite der Art Macrotermes bellicosus. Die Insekten leben und fressen überwiegend im Dunkeln, also in Hügeln und unter der Erde. Foto: Adrian Hiss

Natur hautnah

Wenn Adrian Hiss von seiner Feldforschung berichtet, wird schnell klar: Er hatte sichtlich Freude an seiner Arbeit an der Elfenbeinküste. Das liegt nicht etwa nur daran, dass er Insekten interessant findet, er träumt auch schon seit seiner Kindheit davon, Feldforschung zu betreiben. „Es ist spannend, draußen in der Natur zu arbeiten und Prozesse zu beobachten, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben." Außerdem, betont er, sei es ein großes Privileg gewesen, sich so lange und intensiv mit einer einzigen Tierart beschäftigen zu können. „Man lernt sehr viel in kurzer Zeit. Bei der täglichen Beschäftigung mit den Tieren taucht man ein in eine völlig neue Welt."

Durch den Kontakt mit anderen Kulturen lerne man außerdem, die Gepflogenheiten, aber auch Probleme in anderen Ländern besser zu verstehen, betont er. So wurde Hiss etwa mit dem Glauben an die Heilkräfte von Tierprodukten und der daraus resultierenden Wilderei konfrontiert: Auf lokalen Märkten werden beispielsweise Löwensperma und Elefantenhaut angeboten. „Nicht der Tourismus ist der Hauptgrund für Wilderei. Es ist vor allem, die Überzeugung, dass tierische Produkte Krankheiten heilen und Segen bringen können", erklärt er.


In der Forschungsstation am Rand des Comoé Nationalparks sind Wissenschaftler und Mitarbeiter in kleinen Steinbauten untergebracht. Foto: Adrian Hiss

Forschergeist erleben

Auch das Zusammenleben mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat Hiss als bereichernd empfunden: „Man bekommt einen direkten Einblick – auch in andere Projekte. Der Forschergeist der anderen ist ansteckend, alle haben Lust rauszugehen und Neues zu entdecken." Im Nationalpark lernte er unter anderem einen Wissenschaftler kennen, der die Schimpansen Westafrikas erforscht. Die Gespräche mit ihm, aber auch die sich scheinbar endlos hinziehenden Palmölplantagen haben ihm bewusst gemacht, wie sehr die westliche Industrie dazu beiträgt, den Lebensraum für Schimpansen und andere Tierarten zu zerstören – Palmöl ist unter anderem in vielen Kosmetikprodukten beigemengt.

Feldforschung stellt für Hiss die optimale Ergänzung zum Studium dar. „Das Gelernte bleibt viel besser hängen, wenn man Erlebnisse damit verbindet", findet er. Nur leere Toilettenpapierrollen auf dem Flugweg zu transportieren kann er nicht uneingeschränkt empfehlen: „Als die Koffer durchleuchtet wurden, waren die Flughafenmitarbeiter sehr irritiert und nur schwer davon zu überzeugen, dass es sich nicht um Gefahrgut, sondern um wichtige Requisiten für unsere Forschung handelt." Trotz solch kleiner Widerstände, trotz Buschbränden und Hyänengeheul in der Nacht will Hiss der Feldforschung treu bleiben. In seiner Bachelorarbeit beschäftigt er sich mit nordtunesischen Ameisen, danach möchte er weitere Forschungspraktika absolvieren, etwa in der Wal- oder Großkatzenforschung.

Julia Dannehl

 

Zum Weiterlesen
Website der Forschungsstation im Comoé National Park


Artikel im Forschungsmagazin uni'wissen über Judith Korbs Forschung

 

Verband der Freunde

Adrian Hiss' Forschungspraktikum an der Elfenbeinküste wurde vom Verband der Freunde der Universität Freiburg gefördert. Der gemeinnützige Verein wurde 1925 gegründet, um bedürftigen Studierenden zu helfen. Mit seinen etwa 800 Mitgliedern und den von ihm verwalteten Stiftungen unterstützt er auch heute noch vor allem Studierende, zum Beispiel durch finanzielle Hilfen bei Exkursionen und Forschungsvorhaben oder durch Examensstipendien und Preise für hervorragende Leistungen.