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Vier Wochen Neapel und zurück

Austauschstudierende weltweit müssen sich wegen der Corona-Krise entscheiden, ob sie vor Ort bleiben oder abreisen

Freiburg, 02.04.2020

Vier Wochen Neapel und zurück

Foto: Kim Witetzek

Hannah Rüßmann studiert im 8. Semester Humanmedizin an der Universität Freiburg. Ihr Wunsch, einmal für ein halbes Jahr in Italien zu leben und zu studieren, sollte im Februar 2020 Wirklichkeit werden. Sie reiste mit dem Erasmus-Programm der Europäischen Union nach Neapel. Statt bis Juli zu bleiben, war sie vier Wochen später schon wieder zurück – im Gepäck: ein wenig Wehmut, etwas Hoffnung und viele neue Eindrücke. Manche wiederum, so wie Kim Witetzek, bleiben auch noch im Ausland. Zu allen Austauschstudierenden haben das EU-Büro und das International Office der Universität Freiburg frühzeitig Kontakt aufgenommen. Sie helfen bei Fragen, die sich aufgrund der Corona-Krise neu stellen: Wie geht es nun mit dem Studium weiter? Welche formalen Dinge sind zu beachten? Wie sehen die Online-Angebote der eigenen beziehungsweise die der Partneruniversitäten aus?

Ausblick aus der Pädiatrie am Policlinico in Neapel, wo Hannah Rüßmann vor dem Semesterstart ein Praktikum absolvierte. Foto: Hannah Rüßmann

Hupende Mopeds, enge Gassen, waghalsige Überholmanöver: Mit dem Taxi dauerte es Mitte Februar noch gut 45 Minuten vom Flughafen bis ins Zentrum der italienischen Stadt Neapel. Vier Wochen und eine landesweit geltende Ausgangssperre später brauchte das Taxi für den gleichen Weg zurück nur noch knapp zehn Minuten. Die Straßen waren so gut wie leer. Hannah Rüßmann hat sich, nachdem sich die Lage in Italien aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus weiter zuspitzte, schweren Herzens entschieden, ihr Auslandssemester vorübergehend abzubrechen. „Ich hatte Sorge, dass ich aus Italien nicht mehr rauskomme. Es kann immer eine Situation auftreten, unabhängig von Corona, weshalb man ins Krankenhaus oder nach Deutschland muss“, erläutert sie ihre Beweggründe. Die Entscheidung fühle sich zwar richtig an, leicht sei sie ihr aber nicht gefallen. „Ich habe mich in Neapel und an der Universität dort sehr wohlgefühlt. Außerdem hatte ich eine tolle Wohngemeinschaft“, sagt sie wehmütig. Zusammen hätten sie eine Quarantäne sicher gut überstanden.

Frühzeitige Kontaktaufnahme

Das EU-Büro der Universität Freiburg kontaktierte ab Mitte Februar Rüßmann und die anderen Erasmus-Studierenden in Europa. „Wir haben alle angeschrieben und gefragt, wie es ihnen geht, ob sie bleiben oder zurückkommen möchten und versucht, möglichst viele Informationen bereitzustellen“, erklärt der Leiter des EU-Büros Christian Jäger. Er und sein Team haben eine Liste mit den wichtigsten Fragen zusammengestellt und prüfen weiterhin täglich, inwiefern sich die Situation aufgrund des sehr dynamischen Geschehens verändert. Zu dieser Zeit im Jahr seien normalerweise 300 bis 350 Studentinnen und Studenten der Universität Freiburg mit Erasmus in Europa unterwegs, sagt Jäger. „Davon haben 42 komplett storniert oder abgebrochen, 142 sind bereits zurück in Deutschland und besuchen Online-Kurse der jeweiligen Partneruniversitäten, 144 sind noch im Ausland“, beschreibt er den aktuellen Stand Ende März.

Von sieben Studierenden hätten sie trotz mehrmaligen Anschreibens noch nichts gehört und versuchten nun, über die Eltern Kontakt aufzunehmen. Umgekehrt hätten sich bislang aber keine besorgten Eltern bei ihm oder seinem Team gemeldet. Auch nicht bei Dr. Jens Langer, der als Koordinator im International Office (IO) Austauschstudierende in Asien, Australien und Ozeanien betreut. „In erster Linie geht es momentan darum, möglichst flexibel auf spontane Fragen zu antworten“, sagt er und ergänzt: „Am häufigsten wird nach den Online-Angeboten der Partneruniversitäten gefragt.“ Rund 20 Studierende aus Freiburg wären derzeit zum Austausch in der von ihm betreuten Weltregion unterwegs, etwa die Hälfte davon hätte ihren Aufenthalt frühzeitig abgebrochen oder ganz storniert.

Das Tragen einer Schutzmaske gehöre aktuell zur sozialen Norm in Hongkong, sagt Kim Witetzek. Foto: Kim Witetzek

Präsenz auch bei Online-Kursen

Zu denen, die noch im Ausland sind, gehört Kim Witetzek. Sie studiert im vierten Fachsemester des Masterstudiengangs Molekulare Medizin. Seit Ende August 2019 ist sie in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong und möchte ihr Auslandssemester wie geplant abschließen – trotz politischer Proteste und Coronavirus. „Ich bin sehr glücklich, dass mir die Universität Freiburg über das International Office die Freiheit gelassen hat, selbst zu entscheiden, ob ich hierbleiben oder zurückkommen möchte“, sagt Witetzek. Sie entschied sich zum Bleiben, obwohl die Lage in Hongkong zwischenzeitlich recht angespannt war. „Durch die relative Nähe zum Ursprungsort des Virus in Wuhan in China war es schwierig, die Auswirkungen und die Ansteckungsrate abzuschätzen“, erläutert sie. Allerdings seien die Fallzahlen bisher verhältnismäßig niedrig geblieben und das Gesundheitssystem in Hongkong sei zudem sehr gut, weshalb sie im Fall einer Ansteckung dennoch gut versorgt wäre.

In Hinblick auf das Studium sei ihre Entscheidung gut gewesen: „An der University of Hong Kong gibt es Präsenzzeiten, denn die Tutorien und Vorlesungen finden zur ursprünglich geplanten Zeit nun online statt. Zu denen muss ich eingeloggt und interaktiv dabei sein“, erläutert sie. Würde sie die Kurse von Deutschland aus fortsetzen wollen, müsste sie aufgrund der Zeitverschiebung zwischen zwei und zehn Uhr morgens wach sein. Sehr wahrscheinlich wird Witetzek ihr Auslandssemester wie geplant abschließen können. Denn die Universität habe aufgrund der verschärften Proteste im letzten Semester bereits früh Strategien entwickelt, um auch Prüfungen online abzunehmen. Ob sie danach allerdings Mitte Juni zurück nach Deutschland fliegen könne, sei unklar: „Konkret planen lässt sich das zurzeit auf jeden Fall nicht.“

Judith Burggrabe

 

EU-Büro

International Office