Schraubenzieher, bitte
Freiburg, 19.04.2018
Gebrochene Felge, platter Reifen, Achter im Hinterrad: Wer sein Fahrrad kostenlos reparieren möchte, ist bei der Werkstatt der Studierendenvertretung richtig.
In der Werkstatt an der Belfortstraße lassen sich fast alle Fahrradpannen beheben.
Foto: Thomas Kunz
Alisa hat ein Problem. Schon vor Monaten hat ihr blaues Fahrrad angefangen zu eiern. Erst ein bisschen, dann immer mehr. Und jetzt lässt sich der Achter im Hinterrad beim besten Willen nicht mehr ignorieren. Er soll weg. Möglichst bald, möglichst günstig. Die Studentin kniet im Hinterhof der Freiburger Belfortstraße 24, neben ihr das auf Lenker und Sattel stehende Fahrrad. Sie drückt, dreht, schraubt und lässt sich von Stefan erklären, wie sie ihren Reifen wieder gerade bekommt. Stefans Fahrrad ist auch kaputt: „Felge gebrochen“, lautet die Diagnose. Doch jetzt hilft er erst einmal Alisa. Der Vorderreifen ihres Fahrrads steckt in einem Zentrierständer. Ein bisschen geht es zu wie im Operationssaal: „Schraubenzieher, bitte.“ „Und jetzt die Flachzange.“ Günstiger als in der Fahrradwerkstatt der Studierendenvertretung geht es nicht. Hier ist der Service kostenlos. Und gebrauchte Ersatzteile gibt es gratis obendrein.
Alisa und Stefan sind nicht die Einzigen, die an diesem sonnigen Mittwochnachmittag in die Fahrradwerkstatt gekommen sind. Der Hof ist voll. Neun Leute, neun Fahrräder. Und dann gibt es noch Klara. Sie gehört zum Reparaturteam der Selbsthilfewerkstatt, die während des Semesters einmal die Woche ihre Türen öffnet. Wer eine Frage hat, stellt sie Klara. Soziologiestudent Paul zum Beispiel hat keine Ahnung, wie er den Platten aus seinem Reifen bekommen soll. „Noch nie gemacht“, gibt er zu. Klara zeigt, wie man den Mantel aus der Felge hebelt, den Schlauch herausnimmt, das Loch identifiziert und den Reparaturflicken aufklebt. Als Paul sich nach einer halben Stunde wieder auf sein fahrtüchtiges Rad schwingt, drückt er Klara sein Flickzeug in die Hand. „Eine Spende, als kleines Dankeschön“, sagt er und fährt davon. Auf einem umgekippten Anhänger steht ein Kuchen mit bunten Streuseln. „Hat eine Studentin vorhin vorbeigebracht“, sagt Klara. „Eine Kundin, der wir vergangene Woche das Tretlager repariert haben.“ Sei eine etwas arbeitsreichere Sache gewesen.
Die Fahrradwerkstatt nimmt oft Spenden an und verwertet alles, was noch zu gebrauchen ist.
Foto: Thomas Kunz
Dynamos, Schalthebel, Pedale
Das Team der Werkstatt besteht aus vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die für ihre Arbeit eine kleine Aufwandsentschädigung bekommen. Klara jobbt neben ihrem Studium der Forstwissenschaften hier. In der Regel sei am Mittwochnachmittag immer das ganze Team im Hof, zwei Personen zwischen 14 und 16 Uhr und zwei zwischen 16 und 18 Uhr. Heute allerdings ist Klara alleine. „Keine Ahnung, wo die anderen stecken“, sagt sie mit einem Schulterzucken. „Kommen vielleicht noch.“ Hinten in der Ecke stehen zwei begehbare Blechcontainer, die bis unters Dach vollgestopft sind. Darin stapeln sich Kisten mit Dynamos, Schalthebeln, Ventilen, Pedalen, Speichen – kurz: mit allem, was ein Fahrrad braucht. Die Werkstatt nimmt immer wieder Fahrradspenden entgegen und recycelt, was noch zu gebrauchen ist. Alisa hat zwischenzeitlich festgestellt, dass zwei Speichen ihres Reifens gebrochen sind. Zusammen mit Stefan sucht sie im Container nach neuen. Oder besser: nach gebrauchten, die noch intakt sind.
Die meisten Studierenden hier haben von Bekannten erfahren, dass es gleich hinter der Universitätsbibliothek eine Fahrradwerkstatt gibt, in der man selber drauflosreparieren kann. Ephraim findet den Service praktisch. An seinem Fahrrad ist vor einigen Wochen das Pedal abgebrochen. „Hier finde ich das Werkzeug, das ich brauche. Und das Pedal gleich mit dazu.“ Alisa stimmt ihm zu: „Im Fahrradladen kostet die Reparatur. Hier macht man alles selber und bekommt die Unterstützung, die man braucht.“ Sie hofft, heute ohne Achter nach Hause fahren zu können. „Es dann selbst geschafft zu haben, fände ich schön.“
Stephanie Streif
Fahrradwerkstatt
Die Selbsthilfefahrradwerkstatt der Studierendenvertretung ist während der Vorlesungszeit immer mittwochs ab 14 Uhr geöffnet – im Wintersemester bis 18 Uhr und im Sommersemester von 16 bis 20 Uhr. Die Werkstatt befindet sich im Hinterhof des Studierendenhauses in der Belfortstraße 24. Der Service ist kostenlos.