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Reise durch die Region

Schuhe schnüren, Rucksack packen und auf zur mittelalterlichen Erkundungstour durch das Dreiländereck

Freiburg, 04.09.2017

Reise durch die Region

Fotos: Alexi Tauzin/Fotolia, jorisvo/Fotolia, Alexandre Dulaunoy/Wikimedia Commons, jojojo07/Fotolia, Joergens.mi/Wikimedia Commons

Kölner Dom, Notre Dame, Sixtinische Kapelle: Das Mittelalter hat viele bedeutende Bauwerke hervorgebracht – auch in der hiesigen Region. In dem jüngst erschienenen Band „Erinnerungsorte des Mittelalters am Oberrhein“ zeigen Forscherinnen und Forscher, dass die prachtvollen Münster in Freiburg und Strasbourg nicht die einzigen beeindruckenden Sehenswürdigkeiten sind, die zu dieser Zeit im Dreiländereck errichtet wurden. Unweit der eigenen Haustür verstecken sich einige historisch wertvolle, architektonische Perlen – von malerischen Burgruinen über einzigartige Bibliotheken bis hin zum modernen Denkmal in Freiburgs Innenstadt.



Liebfrauenmünster in Strasbourg

Die Reise beginnt in Strasbourg/Frankreich: Das dortige Münster ist ein römisch-katholisches Gotteshaus und gehört zu den bedeutendsten Kathedralen der europäischen Architekturgeschichte. Mit einer Höhe von 142 Meter war der Turm der höchste, der im Mittelalter auf dem europäischen Festland gebaut wurde. Das Liebfrauenmünster, wie die Kathedrale auch genannt wird, hat eine lange Baugeschichte. Angefangen Ende des 12. Jahrhunderts, wurde es erst Ende des 16. Jahrhunderts fertiggestellt. Aufgrund der langen Bauzeit und vieler wechselnder Architekten sind die Baupläne mehrfach geändert und unterschiedlich fortgeführt worden. Dadurch entstanden Bauelemente, die einzeln zwar von höchster Perfektion sind, im Ganzen allerdings kein vollkommen harmonisches Bild abgeben. Trotzdem, oder gerade deswegen, gilt das Liebfrauenmünster mit seiner charakteristischen asymmetrischen Form bis heute als Wahrzeichen Strasbourgs und sogar der gesamten Region Elsass.


Vollendete Einzelbauteile, die kein harmonisches Ganzes ergeben: Das Liebfrauenmünster in Strasbourg hatte im Laufe seiner fast 400-jährigen Entstehungszeit viele Architekten. Foto: Alexi Tauzin/Fotolia

Kloster Hohenburg und die heilige Odilia

Von Strasbourg führt die Reise weiter, rund 40 Kilometer südwestlich zum Kloster Hohenburg und der heiligen Odilia. Der Legende nach kam die Schutzpatronin des Elsass und des Augenlichts im siebten Jahrhundert nach Christus blind zur Welt und wurde von ihrem Vater verstoßen. Die Mutter jedoch gab sie heimlich zur Erziehung in ein Kloster. Dort wurde Odilia mit 12 Jahren getauft und konnte wie durch ein Wunder sehen. Da sie den Ruf der eigenen Familie nun nicht mehr schädigte, bat sie ihren Bruder darum, wieder nach Hause kommen zu dürfen. Als der Vater von der Rückkehr Odilias erfuhr, erschlug er den eigenen Sohn aus Wut mit einem Stab. Diese Tat bereute er so sehr, dass er aus seiner Burg ein Kloster machte und Odilia zu dessen erster Äbtissin ernannte. Die begehbare Abtei gilt heute als größter Erinnerungsort an die Heilige. Im Inneren birgt das Gebäude den Sarkophag mit den Reliquien Odilias.


Erhaben thront die heilige Odilia, die Schutzpatronin des Elsass und des Augenlichts, über dem Kloster Hohenburg – der Legende nach war sie seine erste Äbtissin. Foto: jorisvo/Fotolia

Humanistenbibliothek in Schlettstadt

25 Kilometer weiter südlich befindet sich das Städtchen Schlettstadt, in dem ein weiteres Wahrzeichen des Elsass verborgen liegt: Die Humanistenbibliothek gehört zu den bedeutendsten kulturellen Schätzen der Region und besteht aus zwei eigenständigen Büchersammlungen. Zum einen ist dort die Bibliothek der alten Lateinschule Schlettstadts untergebracht. Sie erneuerte sich im Laufe des 15. und 16. Jahrhundert durch Stiftungen und Schenkungen ehemaliger Lehrer und Schüler und erhielt dadurch ihr humanistisches Profil. Zum anderen beinhaust das Gebäude die Privatbibliothek des Gelehrten Beatus Rhenanus, die er seiner Heimatstadt vermachte. Die Büchersammlung des Rhenanus ist die einzige größere Humanistenbibliothek, die beinahe vollständig erhalten ist. Aus diesem Grund hat die UNESCO sie 2011 in die Liste des Weltdokumentenerbes aufgenommen. Seit 1889 sind die wertvollen Buchbestände beider Bibliotheken unter einem Dach vereint; in einer ehemaligen Markthalle nahe der gotischen Kirche St. Georg. Sie dient nicht nur als Bibliothek, sondern auch als Museum.


Die prächtige Bibliothek des Gelehrten Beatus Rhenanus steht seit 2011 auf der Liste des Weltdokumentenerbes der UNESCO. Foto: Alexandre Dulaunoy/Wikimedia Commons unter CC BY-SA 2.0

Hohkönigsburg bei Schlettstadt

Nur wenige Kilometer von Schlettstadt entfernt liegt die größte Burgruine des Elsass. Die Hohkönigsburg war nach ihrer Fertigstellung im 12. Jahrhundert Zeitzeugin mehrerer innereuropäischer Konflikte und Rivalitäten zwischen Besitzern, Kaisern und Königen. Nachdem schwedische Truppen die Burg 1633 im 30-jährigen Krieg zerstört hatten, wurde sie vorerst bedeutungslos. Erst Kaiser Wilhelm II. entschied sich Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Wiederaufbau, nachdem ihm der Stadtrat von Schlettstadt die Hohkönigsburg geschenkt hatte. Die Bevölkerung im Elsass erhoffte sich durch den Wiederaufbau, den Status eines Bundesstaates mit einer Verfassung und einem Landtag zu erhalten, doch das blieb unter der Führung des Kaisers aus. Heute ist die Hohkönigsburg mit jährlich mehr als einer halben Million Besucherinnen und Besuchern einer der beliebtesten historischen Besichtigungsorte Frankreichs und neben dem Liebfrauenmünster in Strasbourg wohl das bekannteste Bauwerk des Elsass.


Seit ihrer Fertigstellung im 12. Jahrhundert war die Hohkönigsburg stille Zeitzeugin etlicher innereuropäischer Konflikte. Heute lockt die Burgruine jährlich mehr als eine halbe Million Besucher an.Foto: jojojo07/Fotolia

Die Zähringer

Von Schlettstadt geht es zurück nach Deutschland, auf Spurensuche nach einer der größten Mittelalterfamilien im damaligen Herzogtum Schwaben. Die Zähringer, genauer: die Familie der Bertholde, gelten als Gründer der Stadt Freiburg sowie als Erbauer des Freiburger Münsters. Anfang des 13. Jahrhunderts starb mit Herzog Bertold V. der letzte wahre Zähringer. Noch heute schmücken Freiburg etliche Bauwerke und Symbole, die aus dieser Zeit stammen oder an sie erinnern. Vor allem die Burg Zähringen im gleichnamigen Stadtteil sowie die Reiterstatue am Bertoldsbrunnen verweisen auf die Gründer der Stadt. Das heutige Denkmal in der Innenstadt hatte einen Vorgänger aus dem frühen 19. Jahrhundert, der zum Übergang Freiburgs an Baden errichtet wurde. Nachdem die Engländer den so genannten Fischbrunnen bei einem Luftangriff im November 1944 zerstört hatten, baute ihn der Bildhauer Nikolaus Röslmeir zwischen 1956 und 1965 nach neuen Plänen wieder auf. Seitdem thront auf dem Steinsockel aus Marmor ein Reiterstandbild aus Bronze. Darauf zu lesen ist die Innschrift: „Den Herzogen von Zähringen, Gründern und Herren von Freiburg im Breisgau“.


Das Zähringer-Denkmal am Bertoldsbrunnen, ein Reiterstandbild aus Bronze, erinnert an die einstigen Gründungsväter und Herren der Stadt Freiburg. Foto: Joergens.mi/Wikimedia Commons unter CC BY-SA 3.0

Jannis Behnke

 

Erinnerungsorte des Mittelalters am Oberrhein

Der 2017 erschienene Band „Erinnerungsorte des Mittelalters am Oberrhein“ ist der gleichnamigen Vorlesung des Studium generale entsprungen, die einige der bedeutendsten Bauwerke und Geschichten im Dreiländereck vorstellte. Anlass war das 75. Jubiläum der Abteilung Landesgeschichte am Historischen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität. Jürgen Dendorfer, Professor für Mittelalterliche Geschichte, hat als Herausgeber die Beiträge der Referentinnen und Referenten in dem Band versammelt.

Blog „Mittelalter am Oberrhein