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Paula und die Zauberschuhe

Die Medizinstudentin Alexandra Haag hat ein Kinderbuch über körperliche Behinderung geschrieben

Freiburg, 23.11.2017

Paula und die Zauberschuhe

Illustration: Carolina Moreno

Nichts liege ihr ferner, als Schriftstellerin zu werden. „Ich mache das nie wieder“, bekennt Alexandra Haag. „Für die deutsche Rechtschreibung und Grammatik habe ich kein Talent.“ Trotzdem hat sie ein Kinderbuch geschrieben: „Paula und die Zauberschuhe. Ein Bilderbuch über körperliche Behinderung“.


Die Figur Paula trägt Orthesen, braucht einen Rollator und ist voller Tatendrang – damit macht sie betroffenen Kindern Mut. Illustration: Carolina Moreno

 Die Freiburger Medizinstudentin Alexandra Haag will mit dem Buch dazu beitragen, dass ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung gelingt. In ihrem früheren Beruf als ausgebildete Physiotherapeutin und Sonderpädagogin für körperliche und motorische Entwicklung hat sie mitbekommen, welche Kraft sich aus Büchern ziehen lässt, wenn einem Krankheit oder Behinderung das Leben schwer machen. Das hat Haag zum Beispiel von Paul und seiner Familie gelernt, denen sie in der Kinderonkologie begegnete. Mit Paula, der Hauptfigur ihres Buches, hat sie ihrem ehemaligen Patienten ein kleines Denkmal gesetzt. Viele weitere Begegnungen und Beobachtungen aus ihrem Berufsleben sind in das Buch eingeflossen.

Neun Tafeln Schokolade schwer

Die sechsjährige Paula war „neun Tafeln Schokolade schwer“, als sie geboren wurde. Wegen einer kleinen Gehirnblutung bei der Geburt „wohnt“ nun eine Spastik in ihren Muskeln, und sie soll Orthesen tragen. Sie helfen ihr, beim Gehen die Füße auf den Boden zu setzen, aber sie stören beim Krabbeln. Manchmal ist sie traurig, weil ihre Beine so schnell müde werden und sie nicht mit den anderen Kindern mithalten kann. Paula hat einen nur zehn Minuten älteren Zwillingsbruder, Pavo. Er braucht keine Gehhilfen. Pavo hat ein Skateboard, Paula einen Rollator. Manchmal tauschen sie, und sie lässt ihr Schaf auf dem Skateboard fahren. Der Rollator taugt als Fußballtor – und im Kindergarten ganz wunderbar dazu, einen Turm aus Bauklötzen höher und höher werden zu lassen. Ihre Freundin Annika klettert am Rollator hoch, und Paula hält ihn fest. Sie sind ein Team, und jede macht das, was sie gut kann.


Alexandra Haag will mit ihrem Buch dazu beitragen, dass ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung gelingt. Foto: Sandra Meyndt

In Deutschland, informiert das Vorwort, leben derzeit etwa 50.000 Kinder mit einer spastischen Lähmung infolge einer frühkindlichen Hirnschädigung. Sie gilt als die häufigste Ursache für eine körperliche Behinderung im Kindesalter. Haag fiel auf, dass es zwar viele Bücher für Kinder über Krebserkrankungen, aber keine über Zerebralparese – so der medizinische Fachausdruck – gab. Dabei könnte eine lebensnahe Aufklärung für Kinder und Erwachsene dazu beitragen, Unwissenheit und Unsicherheiten abzubauen. Haag lässt Paula mit kindlicher Kreativität erklären, woher ihre Spastik kommt, was das überhaupt ist und warum sie so läuft, wie sie läuft.

Keinen falschen Trost spenden

Die von der Grafikdesignerin Carolina Moreno zauberhaft illustrierten Doppelseiten geben Einblicke sowohl in Paulas Alltag als auch in die Therapien. Das Buch ist damit situationsbezogen einsetzbar. Zur Vorbereitung auf den Besuch in der Bewegungsambulanz könnten Eltern ihren Kindern das entsprechende Kapitel vorlesen. Auch die Eltern selbst können von dem Buch profitieren: Die von Paula sind so klug, keinen falschen Trost zu spenden, wenn ihre Tochter wegen ihrer Einschränkungen mal unglücklich ist. „Ich kann dich gut verstehen“, sagt die Mutter, lässt sich aber auch nicht an der Nase herumführen, wenn Paula ihre Behinderung zum Vorwand nimmt, um nicht aufräumen zu müssen.

Für ihr Buch, das neben Hintergrundinformationen auch Praxisideen für inklusive Gruppen enthält, hat Alexandra Haag den Sonderpreis für studentisches Engagement der Universität Freiburg erhalten. Die Autorin betont, dass viele Menschen dazu beigetragen hätten, dass das Buch entstehen konnte. Freunde und Mitbewohner wurden für Illustrationen, Layout und Lektorat gewonnen, Psychologen, Pädagogen, Mediziner, Betroffene und ihre Angehörigen in der Bewegungsambulanz der Kinderklinik Freiburg befragt und ihre Ideen aufgegriffen. Die Hans-Böckler-Stiftung und der Förderverein für Neurokinder an der Universitätsklinik haben sich finanziell beteiligt. Für alles, was sie selbst nicht kann, hat Alexandra Haag Menschen gefunden, die diesen Part übernommen haben.

Anita Rüffer