Neues Zeitalter des wissenschaftlichen Publizierens
Freiburg, 16.11.2020
„Publish or perish“, veröffentlichen oder von der Bildfläche verschwinden, lautet ein berühmter Ausspruch in der akademischen Welt. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es wichtig, möglichst viele begutachtete Studien in Fachmagazinen zu publizieren. Das gilt als Zeichen für Qualitätskontrolle. In den sozialen Medien oder in Vorabdrucken zu veröffentlichen gehört inzwischen aber zunehmend dazu. Welche Vorteile und welche Probleme bringt dieser Wandel hin zu einer offeneren Wissenschaft mit sich? In einer online geführten Podiumsdiskussion des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg sprechen am 23. November 2020 Wissenschaftler sowie Kommunikatorinnen und Kommunikatoren darüber, wie diese Entwicklung im Publikationswesen die Erkenntnisprozesse beeinflusst und verändert. Der Freiburger Pharmakologe Prof. Dr. Robert Grosse ist mit dabei. Zuvor hat er Annette Kollefrath-Persch erklärt, welche Vor- und Nachteile er in den neuen Methoden des wissenschaftlichen Publizierens sieht.
Forschung in Fachzeitschriften: Vom Einreichen eines Artikels bis zu seinem Erscheinen können bis zu zwei Jahre vergehen. Foto: Peter Mesenholl
Herr Grosse, was unterscheidet eine wissenschaftliche Veröffentlichung in der Preprint-Fassung von der final veröffentlichten Version?
Robert Grosse: Für mich als Forscher ist der entscheidende Unterschied die Qualitätskontrolle, die bei einem im Preprint erscheinenden Paper noch fehlt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Gutachterinnen und Gutachter immer Korrekturen vornehmen, nicht selten finden sie auch wichtige Mängel. Und fehlt diese Kontrolle, können in einer Veröffentlichung durchaus mal zum Beispiel statistische Fehler vorkommen. Dadurch sind auf den Preprint-Servern Paper zu finden, die sowohl von fantastischer Qualität sind als auch solche, die Fehler aufweisen. Es liegt da letztlich an den Leserinnen und Lesern, zu differenzieren.
Robert Grosse setzt auf die Qualitätskontrolle durch Fachleute, die ein Paper vor der Veröffentlichung begutachten. Foto: Jürgen Gocke
Was ist dann der Vorteil, ein Paper in der Preprint-Fassung zu veröffentlichen? Wie handhaben Sie das?
Dank des Preprint-Angebots können wir Forschende unsere Befunde schnell innerhalb unserer Community sichtbar machen, denn inzwischen gelten Preprint-Versionen schon als zitierfähig. Der übliche Prozess, bis die Ergebnisse endlich veröffentlicht sind, dauert schließlich lange. Vom Einreichen bis zur finalen Version können durch die Begutachtung schon mal ein bis zwei Jahre vergehen. Deshalb gibt es unter Forschenden viele Fans der Preprint-Veröffentlichung. Ich gehöre vielleicht nicht unbedingt dazu, obwohl ich zuletzt aber so publiziert habe.
Gibt es auch Druck auf die Wissenschaftler, auf dem schnellsten Weg zu publizieren?
Das ist sicher ein Grund für den Preprint-Boom. Allerdings gilt auch, dass durch die Preprint-Versionen der Konkurrenz frühzeitig wissenschaftliche Ideen und Ansätze offengelegt werden. Aber inzwischen gibt es durchaus auch Journals, die von Vorneherein wollen, dass Forschende einwilligen, ihre Ergebnisse im Preprint zu veröffentlichen. Mein Eindruck ist, dass in dem Fall die Herausgeber darauf schauen wollen, wie viele „Likes“ das Paper erreicht, also wie „popular“ das Thema ist - -was ich aber nicht gut fände.
Digitale Podiumsdiskussion Die Podiumsdiskussion findet am 23. November 2020 ab19 Uhr in englischer Sprache statt und richtet sich an alle Interessierten. Sie wird auf der Plattformen Youtube und Panopto live gestreamt, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Zuschauerinnen und Zuschauer können im Chat Fragen stellen.
Informationen zur Podiumsdiskussion
Livestream YouTube
Livestream Panopto