Kaffee mit Aha-Effekt
Freiburg, 28.02.2019
Anfeindungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Extremismus, Vorurteile und Halbwissen: Um dagegen ein Zeichen zu setzen, haben Studierende die Gruppe „Café Abraham Freiburg“ gegründet, die sich der interreligiösen Verständigung widmet.
Alle zwei Wochen trifft sich die Gruppe in ungezwungener Atmosphäre in unterschiedlichen Freiburger Cafés. Foto: Joshua Ness/Unsplash
„Wir wollen, dass sich bei uns Menschen begegnen, die sonst nicht miteinander ins Gespräch gekommen wären“, sagt die Psychologiestudentin Hannah Seidler. Als Vorbild diente eine Studierendengruppe aus Erlangen, die die Idee ausarbeitete und Gleichgesinnte aufforderte, an anderen Universitäten weitere Lokalgruppen zu gründen. Das Projekt stieß auch in Freiburg auf Begeisterung, und so fanden zu Beginn des Wintersemesters 2017/18 interessierte Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen.
Der Fokus liegt auf den abrahamitischen Religionen, also auf Judentum, Christentum und Islam, aber auch alle anderen Religionen sollen miteinbezogen werden. Auch Atheistinnen und Atheisten sind willkommen. Die Initiative will mit Debatten in geselliger Runde an die Tradition der Kaffeehauskultur anknüpfen. Alle zwei Wochen trifft sie sich in ungezwungener Atmosphäre in unterschiedlichen Freiburger Cafés. Studierende unterschiedlicher Konfessionen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität nehmen an den Treffen teil. Manchmal taucht ein neues Gesicht auf, und bei Bedarf verständigt man sich auf Englisch. Die Anwesenden tauschen sich über aktuelle Ereignisse oder gesellschaftliche, politische und religiöse Fragen aus.
Fragen nach Gott
Viele schätzen die Gelegenheit zum offenen Austausch. „Im ‚Café Abraham‘ befindet man sich nach fünf Minuten in einem ehrlichen Gespräch über Religion“, erläutert Seidler. Nour al-Huda Schröter, Studentin der Liberal Arts and Sciences, betont: „Uns ist wichtig, dass man sich nicht rechtfertigen und auch kein theologisches Hintergrundwissen haben muss, um mitmachen zu können. Die Leute können einfach aus ihrem Leben erzählen.“
Das Team von „Café Abraham“ informiert Interessierte beim „Tag der Vielfalt“ der Universität Freiburg. Foto: Harald Neumann
Die Theologie- und Philosophiestudentin Anne Fischbach hat zwei Semester in Jerusalem studiert. Die Erfahrungen, die sie in Israel machte, haben sie zum „Café Abraham“ gebracht. „Gerade Jerusalem ist ein Ort, wo die Religionen aufeinanderprallen, aber keine Verständigung zwischen ihnen herrscht. Mir hat dieser Auslandsaufenthalt gezeigt, wie ich es nicht machen will. Denn wir haben alle die gleichen Fragen, auch wenn unsere religiösen Ausdrucksformen unterschiedlich sind.“
Die Begegnung mit Menschen, die gemeinsam Fragen nach Gott stellen, verändere das Verständnis von der Religion als Konzept. „Dadurch berührt es einen mehr, man versteht es besser“, findet Seidler. Falsche Vorstellungen werden entkräftet und Vorurteile oder Verunsicherungen abgebaut. Franziska Fischer, Studentin der Sozialen Arbeit, stellte schon nach dem ersten Treffen überrascht fest, wie viel Neues sie gelernt hatte. Einiges wusste sie noch vom Religionsunterricht in der Schule, aber mit Menschen in Berührung zu kommen, die ihren Glauben tatsächlich leben, war für sie ein Aha-Erlebnis.
Gebet und Büffet
Neben den Treffen stehen auch andere Veranstaltungen auf dem Programm: Die Gruppe hat das Freiburger Münster und die Synagoge besichtigt und durfte bei einem Gebet der Bahai zugegen sein. Ein gemeinsames interreligiöses Gebet zum Semesterabschluss mit anschließendem Büffet hat es auch schon einmal gegeben. Durch Kontakte zu anderen Hochschulgemeinden ergeben sich viele Möglichkeiten, diverse religiöse Praktiken kennenzulernen. „Während des Ramadan war ich bei der muslimischen Hochschulgemeinde beim interreligiösen Fastenbrechen. Die Atmosphäre beim Gottesdienst ist völlig unabhängig von der Religion. Es ist ein Gefühl des Zusammenhalts, und das ist unglaublich schön“, erzählt Franziska Fischer.
Das Interesse am anderen und den gemeinsamen Dialog wünscht sich die Gruppe auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. „Es geht gar nicht darum, allem zuzustimmen und alles auf den kleinsten gemeinsamen Nennen zu bringen, sondern darum, das andere kennenzulernen und diese Vielfalt als bereichernd zu erleben“, unterstreicht Hannah Seidler. Deshalb wünschen sich die Studierenden, dass sich das „Café Abraham“ in Freiburg fest etabliert.
Alice Tátrai-Gruda
Mitdiskutieren und Kaffee trinken
Die Hochschulgruppe „Café Abraham“ trifft sich alle zwei Wochen um 19 Uhr in einem Freiburger Café. Eingeladen sind alle, die sich an einem interreligiösen Dialog beteiligen wollen, unabhängig von ihrer Religion oder Herkunft. Die genauen Treffzeiten, -orte sowie Veranstaltungshinweise postet die Gruppe auf Facebook.