Gespräche übers Getriebe
Freiburg, 17.05.2018
Welche Informationen müssen zu welchem Zeitpunkt weitergegeben werden? Wofür setzt sie eine Abteilung ein? Und wer macht eigentlich was? Jeden Tag gehen an der Universität Freiburg Hunderte von Arbeitsabläufen vonstatten – ob in Lehre, Forschung oder Administration. Doch wie kann man die Verwaltungsprozesse erfassen und den Service verbessern? Wie kann eine Einrichtung sichergehen, dass alle Rädchen im Getriebe ineinandergreifen? 31 Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich zum Netzwerk „Hochschulnetz Prozesse“ zusammengeschlossen. Mitbegründerin ist Dr. Claudia Breuer, die an der Universität Freiburg fürs Prozessmanagement zuständig ist. Im Gespräch mit Rimma Gerenstein berichtet die Wirtschaftswissenschaftlerin, warum es sich lohnt, die eigene Arbeit einer Inventur zu unterziehen und weshalb Prozessmanagement so logisch wie Kaffeekochen ist.
Foto: nikkytok/Fotolia
Frau Breuer, Sie sind fürs Prozessmanagement an der Universität Freiburg zuständig. Was genau ist darunter zu verstehen?
Claudia Breuer: Das bedeutet zunächst einmal, dass ich mit den Leuten viel über ihre Arbeit spreche – und zwar nicht über den Inhalt, sondern über die Abläufe. Beim Prozessmanagement geht es darum, Geschäftsprozesse zu erfassen und festzulegen, nach welcher Struktur ein Prozess, zum Beispiel die Einführung eines neuen Studiengangs, durch die entsprechenden Stellen läuft. Ich bringe alle Beteiligten an einen Tisch und frage sie: Was ist die Rolle Ihrer Abteilung in einem bestimmten Prozess? Und wie tragen Sie durch Ihr Wissen und Können dazu bei, dass er vonstattengeht? Das Ziel, das man erreichen möchte, ist ja bekannt. Es geht um die Frage, wie man dorthin kommt.
Dabei gibt es doch sicher unterschiedliche Vorstellungen – je nachdem, wen man fragt.
Richtig. Das ist eine der größten Herausforderungen im Prozessmanagement: eine Lösung zu finden, mit der die Abläufe reibungslos funktionieren und möglichst alle zufrieden sind. Früher dachte man sich: „Ich bin in Abteilung x, meine Aufgabe ist y, und damit hat es sich.“ Heute herrscht eine immer größere Spezialisierung, Abteilungen müssen zusammenarbeiten, um bessere Serviceleistungen zu erbringen. Deswegen ist es notwendig, über die eigene Abteilung hinauszudenken. Es geht also um die Frage, wie man seine Arbeit besser gestalten kann, sodass auch die Kolleginnen und Kollegen sowie Kundinnen und Kunden davon profitieren. Aus dieser übergreifenden Organisationssicht heraus zu handeln bedeutet im ersten Moment meistens mehr Arbeitsaufwand.
Mehr Aufwand: Wie reagieren die Leute da?
Ich denke, wir kennen alle die Situation: Jemand fragt, ob man einen Ablauf nicht auch anders gestalten könne, und unsere erste Reaktion ist: Nein, stopp. Niemand verlässt gerne die Komfortzone. Aber am Ende des Gesprächs sagen die meisten: „So viel mehr Arbeit ist das ja gar nicht.“ Außerdem darf man abteilungsübergreifendes Arbeiten nicht so verstehen, dass Team x immer mehr leisten muss als Team y. Es ist ein Geben und Nehmen. Bei dem einen Prozess mache ich mehr, bei dem nächsten die Kollegin oder der Kollege.
„Es ist eine Frage der Logik, und es geht Schritt für Schritt voran“: Claudia Breuer vergleicht das Prozessmanagement mit dem Kaffeekochen. Foto: Ingeborg F. Lehmann
Welche Prozesse betreuen Sie?
Im Prinzip sind das alle Abläufe, die die gesamte Universität betreffen und noch nicht klar geregelt sind. Aktuell liegen etwa 20 bis 30 Prozesse auf meinem Tisch. Dazu gehören zum Beispiel gemeinsame Berufungen mit außeruniversitären Einrichtungen, die Änderung von Organisationsstrukturen und die Umstellung der Qualitätssicherung in der Lehre auf das Modell der Systemakkreditierung. Bis vor ein paar Monaten hat mich die Unicard besonders beschäftigt, bei der die Hard- und Software komplett erneuert worden sind. Da stellten sich unterschiedliche Fragen: Wie werden die Daten in der zentralen Datenbank aufbereitet, wie werden die Subsysteme, also zum Beispiel die Mensa und die Universitätsbibliothek, angeschlossen, und was passiert, wenn die Informationen aktualisiert werden müssen? Ich bilde ab, was vorhanden ist, was fehlt und wie man die Abläufe gestalten sollte. Dazu verwende ich Prozessdiagramme. Gleichzeitig muss man sich dabei vor der Gefahr der „bunten Bildchen“ in Acht nehmen.
Was meinen Sie damit?
Es kann schnell passieren, dass eine Einrichtung alle ihre Standardprozesse in wunderschöne Diagramme übersetzt – aber die eigentliche Frage ist: Werden sie auch eingehalten und gelebt? Oder gibt es Abweichungen, weil es zum Beispiel an Zeit fehlt? Es sollte nicht zu einer großen Diskrepanz zwischen der Abbildung und der Umsetzung des Prozesses kommen.
Jeder Prozess ist anders – aber gibt es einige Schritte, die immer gleich bleiben?
Natürlich. Überlegen Sie doch mal, wie Sie vorgehen würden, wenn Sie sich einen Kaffee kochen wollten. Es ist eine Frage der Logik, und es geht Schritt für Schritt voran. Die wichtigsten Fragen lauten: Wer ist beteiligt, was tun die Personen, und wann tun sie das? Das brauchen Sie nicht in tollen Prozessdiagrammen abzubilden, sondern können es sich in eine Tabelle eintragen oder aufmalen. Damit hat man schon eine solide Struktur und einen guten Überblick. Wenn man den Ist-Zustand beschrieben hat, kann man einen Schritt weitergehen: Gibt es etwas, das ich weglassen kann? Und wenn das nicht geht, gibt es etwas, das ich vereinfachen kann? Kann ich etwas standardisieren oder automatisieren, also eine Regelmäßigkeit schaffen? Diese Fragen sind für eine außenstehende Person meistens leichter zu beantworten.
Was steht als nächstes auf Ihrer Agenda?
Wir arbeiten daran, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Modelle zur Verfügung zu stellen, die die wichtigsten Prozesse der Universität Freiburg abbilden. Ich denke an eine Art Landkarte, die die Abläufe abbildet und zum Download anbietet. Daran könnte man sich orientieren und die Modelle ohne großen Aufwand an den eigenen Bedarf anpassen. Für den Bereich Studium und Lehre sind einige wichtige Abläufe schon erfasst – nun fehlen noch Forschung und Verwaltung.