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Generationen ohne Grenzen

Jung und Alt machen bei einer studentischen Initiative gemeinsame Sache

Freiburg, 04.06.2018

Generationen ohne Grenzen

Foto: Ingeborg F. Lehmann

Das Thema „Einsamkeit im Alter“ treibt Nancy Frehse schon seit Langem um. Zu viele alte Menschen, so ihr Eindruck, werden von der Gesellschaft im Stich gelassen. Das wollte die Studentin ändern und hat gemeinsam mit anderen die Gruppe „Generation Grenzenlos“ gegründet.


Würfeln, ziehen, lachen: Beim Spielenachmittag tauschen sich Studierende und Senioren miteinander aus. Foto: Ingeborg F. Lehmann

Das „Mensch ärgere dich nicht“-Spielbrett ist viel größer als üblich. Irina Grimm ist dran. Die junge Frau würfelt, zieht und kickt die Spielfigur ihrer Sitznachbarin vom Feld. „Sie müssen leider zurück“, sagt sie und zieht ihre Schultern entschuldigend hoch. „Aber Sie haben ja vorhin auch schon jemanden rausgeschmissen.“ Es ist Samstagnachmittag. Die Cafeteria des Evangelischen Stifts an der Hermannstraße ist gut besucht. Die Türen, die nach draußen in den Garten führen, stehen weit offen. Auch dort sitzen Alte und Junge in Grüppchen zusammen und spielen. Mühle, Uno oder eben „Mensch ärgere dich nicht“. Der Spielenachmittag ist kein zufälliges Zusammenkommen. Initiiert hat ihn „Generation Grenzenlos“, eine Studierendengruppe der Universität Freiburg. Nancy Frehse hat sie vor einem guten halben Jahr zusammen mit Sarah Böhm und Juy Chu Chak gegründet. Anfangs war man zu dritt. Zurzeit hat die Gruppe neun aktive Mitglieder. Bald soll ein Verein daraus werden.

Die Kooperation mit dem Freiburger Seniorenheim war Frehses Idee. Während ihres Studiums der Kunstgeschichte hat sie im Stift die Ausstellungsreihe „Café & Kunst“ mit organisiert. „Die Stelle war ausgeschrieben, und ich habe mich vor fast zwei Jahren darauf beworben“, erinnert sich die 26-Jährige. Drei Ausstellungen hat sie damals kuratiert. Heute macht die Studentin ein Volontariat in der Fondation Beyeler in Riehen/Schweiz. Ab Oktober wird sie im Bachelorstudiengang „Public and Non-Profit Management“ studieren.

An diesem Nachmittag spielt sie mit, schenkt Apfelschorle nach und bringt den Stiftbewohnerinnen und -bewohnern auch mal ein Stück selbst gebackenen Kuchen. Es sei allerhöchste Zeit für eine Hochschulgruppe, die sich um alte Menschen kümmere, findet sie. „Viele Studierende engagieren sich für Flüchtlinge, Kinder, Kranke. Das ist auch gut so. Vergessen hat man allerdings die Generation unserer Großeltern.“

Austausch bei Spaziergängen

Das Thema „Einsamkeit im Alter“ treibt Frehse schon seit Längerem um. Zu viele alte Menschen, so ihr Eindruck, werden von der Gesellschaft im Stich gelassen. „Sie verbringen zu viel Zeit alleine, auch weil sie häufig aus finanziellen Gründen ihre alte Wohnung verlassen und anderswo neu anfangen müssen.“ Hinzu komme, dass Freizeit auch koste. Konzerte, Theater, Ausstellungen – ohne Geld geht da nichts. Frehse findet das schade. Durch den Mangel an Kontakt mit Älteren gehe der jungen Generation viel Wissen verloren. Die studentische Gruppe will das ändern: „Jung und Alt sollen von dem Miteinander gleichermaßen profitieren.“ Es gehe um Begegnungen auf Augenhöhe, bei Spielenachmittagen und Spaziergängen. Immer sonntags um 15 Uhr brechen die Studierenden zusammen mit einigen Stiftbewohnern in den Stadtgarten auf. Alle Angebote sind kostenlos und stehen allen offen: Angehörigen, Freundinnen und Freunden oder Familien mit Kindern. „Vor allem Kinder tun alten Menschen gut“, betont Frehse. Sie beleben.


Foto: Ingeborg F. Lehmann

Die Stimmung am Tisch ist gut. Eine ältere Dame schiebt Irina Grimm eine Papierserviette mit aufgedruckten Hyazinthen rüber. „Die sind für Sie“, sagt sie und lacht. Zwei Tische weiter geht es etwas strenger zu. Eine Stiftbewohnerin schüttelt den Kopf. „Nein, du musst vorwärtslaufen und nicht rückwärts!“, fährt sie ihre Sitznachbarin an. Energisch packt sie die Spielfigur und setzt sie um. Einer, der von Anfang an bei „Generation Grenzenlos“ dabei ist, ist Steffen Reuss. Warum er sich engagiere? Es mache einfach Spaß und erfrische ihn.

Über das Altsein informieren

Reuss erzählt von den wöchentlichen Spaziergängen. Wie man gemeinsam durchs Grüne stiefelt, ins Erzählen kommt und dabei immer eine spannende Geschichte aufschnappt. „Diese Generation hat so viel erlebt. Ich höre mir ihre Geschichten gerne an.“ Reuss erzählt auch von seiner Großmutter. 92 Jahre ist sie alt und hat lange Zeit alleine gelebt. „Seit Kurzem hat sie eine Betreuerin, die nach ihr sieht. Und dieses Miteinander macht meine Oma um mindestens zehn Jahre jünger.“

Spaziergänge und Spielenachmittage sind das eine. Die Gruppe will aber auch über das Altsein informieren. Geplant ist, Expertinnen und Experten an die Universität zu holen, um das Thema auch wissenschaftlich aufzubereiten. Im Wintersemester 2018/19 soll es damit losgehen. Außerdem wird es bald ein offenes Erzählcafé geben, und ein altersgemischter Chor ist auch geplant. Dabei ist die Gruppe immer auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern. Gegen fünf Uhr ist Aufbruch angesagt. Man verabschiedet sich. „Sehen wir uns morgen?“, will eine Stiftbewohnerin wissen, die ihren Rollator vor Nancy Frehse parkt. „Na klar“, antwortet die Studentin. „Um 15 Uhr geht es los.“ Die alte Dame lacht und nickt. „Schön. Ich freue mich“, sagt sie und rollert weiter. Und schon ist sie im Haus verschwunden.

Stephanie Streif

 

Mitmachen

Die Hochschulgruppe „Generation Grenzenlos“ trifft sich im Semester immer mittwochs um 20 Uhr in Raum 1231 im Kollegiengebäude I. Außerdem findet einmal die Woche ein Spaziergang statt, an dem sich Menschen aller Altersgruppen beteiligen können. Treffpunkt ist der Haupteingang von Haus Schlossberg, Hermannstraße 14 in Freiburg. Veranstaltungen, Projekte und Ideen postet die Gruppe auf ihrer Facebookseite.