Bloggen gegen das Klischee der Brotlosigkeit
Freiburg, 04.02.2021
Meistens stellt sich dieses Gefühl irgendwann während des Studiums ein. Wie ein leiser Luftzug umweht es einen dann plötzlich, als stünde irgendwo ein Fenster offen, durch das die Fragen hereinströmen: Wofür studiere ich eigentlich, was ich studiere? Welche Möglichkeiten werde ich mit einem Studium der Geisteswissenschaften einmal haben? Gibt es überhaupt Jobs für mich? Ein Onlineprojekt will Abhilfe schaffen.
Bunte Presseschau: Die Arbeit in Redaktionen von Zeitungen und Magazinen ist bei Geisteswissenschaftlern ein beliebtes Berufsbild. Foto: Thomas Kunz
Ina Kuhn und Julia Dornhöfer, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Freiburg, kennen das Gefühl der Verunsicherung, wenn es um die Jobaussichten geht. Und sie wissen, dass es gerade Studierende der Geisteswissenschaften irgendwann packt, die nicht für einen bestimmten Beruf ausgebildet werden. Zusammen betreuen die beiden das Onlineprojekt „Blog The Job“. „Wir wollen damit Berufsperspektiven für Absolventinnen und Absolventen der Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie sichtbar machen“, sagt Kuhn, „und zwar in einem Format, das die Studierenden erreicht und den Austausch fördert“. Im Sommersemester 2018 hat sie den Blog als Projekt des Praxisseminars „Digitale Kommunikation und Berufsperspektiven“ mit Studierenden des Instituts auf den Weg gebracht.
Tipps und Essays
Schon der erste Beitrag brach mit dem Klischee von der brotlosen Wissenschaft, die nur zum Taxifahren befähige. Ein Wirtschaftsprüfer erzählte in einem Interview, warum Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, die Expertise und die fachübergreifenden Sozialkompetenzen von Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftlern brauchen: „Sie sind darin ausgebildet, Problemsituationen in ihrer Komplexität zu erkennen und daraus Lösungsoptionen zu entwickeln.“ Es geht um Soft Skills, Teamfähigkeit, emotionale Intelligenz, starke Kommunikationskompetenz und Kreativität.
Gut 80 Posts finden sich heute in dem Blog. In ihnen geht es um grundsätzliche Fragen der beruflichen Orientierung, um Erfahrungen während Erasmus-Semestern, um Praktika, Volontariate und Nebenjobs, aber auch Berufsfelderkundungen in Redaktionen, Museen, Pressestellen, Kulturzentren oder bei Filmfestivals. Der Blog gibt nicht nur Tipps für die Jobsuche oder für Bewerbungen, sondern bietet Autorinnen und Autoren auch Raum für Essays, zum Beispiel über Genderpolitik und soziale Ungleichheit.
Diese kurzweilige Mischung gibt Nutzerinnen und Nutzern der Plattform eher das Gefühl, in einem gut gepflegten Onlinemagazin zu stöbern, anstatt ihnen den Eindruck zu vermitteln, sie klickten sich durch einen Karriereratgeber. Das ist kein Zufall, denn das Projekt setzt auf die Erweiterung des Horizonts – nicht nur der User, sondern auch der Studierenden, die den Blog im Seminar produzieren. „Ganz im Sinne der praxisorientierten Lehre können sie hier die Grundlagen des Bloggens erlernen, den Umgang mit Wordpress oder die Arbeit im Redaktionsteam“, sagt Julia Dornhöfer. „Auf der Suche nach einem Job kann das dann wiederum eine gute Referenz sein.“
Gastbeiträge sind willkommen
Mit diesem Konzept ist „Blog the Job“ in der deutschen Hochschullandschaft eines der wenigen nachhaltigen Projekte seiner Art. Nach dem erfolgreichen Aufbau des Portals, das mit Mitteln aus dem Studierendenvorschlagsbudget gefördert wird, wollen Kuhn und Dornhöfer nun an der Erhöhung der Reichweite arbeiten und werben für aktive Mitarbeit. „Wir sind offen für Gastbeiträge“, sagt Dornhöfer, je mehr, desto besser. „Wenn wir den Studierenden der Kulturanthropologie und der Europäischen Ethnologie zeigen, wie vielfältig ihre Berufsperspektiven sind, stärken wir damit auch unser Fach.“
Dietrich Roeschmann