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Auftritt in der Aula

In zehn Minuten die eigene Forschung erklären und das Publikum begeistern – Bühne frei für den Science Slam

Freiburg, 14.07.2017

Auftritt in der Aula

Foto: Patrick Seeger

Aula, Kollegiengebäude I, 19 Uhr, volle Bude: Der zweite Science Slam der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg präsentierte sechs junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in zehnminütigen Beiträgen über ihre Forschung berichteten. Ob Bestechung mit Bonbons, Tweets von US-Präsident Donald Trump, Selfies aus der Antike oder plüschige Viren: Das Publikum wählte am Ende den Gewinner – doch nicht ohne ein Kopf-an-Kopf-Rennen.


Anna Krohmer begeisterte mit psychodelischen Luftblasen – das Publikum hätte sie um ein Haar zur Gewinnerin gekürt. Foto: Patrick Seeger

Zehn Minuten: So viel hat jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer Zeit, um das eigene Forschungsprojekt an die Öffentlichkeit zu bringen. Und zwar am besten so, dass das Publikum danach nicht nur klüger ist, sondern auch ordentlich seine Lachmuskeln trainiert hat. Vorhang auf für den diesjährigen Science Slam. In der Aula des Kollegiengebäudes I sitzen 350 Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie haben die Macht: An diesem Abend werden sie sechs Vorträge hören und mit Punkten und Applaus über die Gewinnerin oder den Gewinner abstimmen.

Bestechen mit Bonbons

Gerrit Gonschorek eröffnet den Abend. Der Wirtschaftswissenschaftler verteilt erstmal Bonbons ans Publikum. Bestechung mit Konzept: Er untersucht, nach welchen Prinzipien die Regierung in Indonesien ihre Fördergelder auf die Distrikte des Landes verteilt. Gibt er seine Bonbons an die unterzuckert wirkenden Zuschauer, also an die Bedürftigen, oder doch besser an diejenigen mit den Bewertungstafeln, die am Ende des Abends über den besten Redebeitrag abstimmen werden? „Ich könnte auch meiner Freundin hier vorne in der zweiten Reihe ein bisschen mehr Bonbons zukommen lassen – einfach, weil ich das für eine sinnvolle Idee halte“, erklärt er die Möglichkeiten und erzählt, begleitet von Reisefotos, wie er das Thema empirisch angeht. Obwohl keine Bonbons mehr übrig sind, erntet der Slammer großen Applaus.


Bunter Beifall: Gerrit Gonschorek hatte eine gut organisierte Fan-Ecke. Foto: Patrick Seeger

Ein starker Einstieg, aber die Konkurrenz schläft nicht. Die Archäologin Annemarie Schantor erzählt über Klamotten, Selfies und Geschlechtsumwandlungen in der Antike. Die Immunologin Julia Braun erklärt die Auswirkung von ko-stimulatorischen Molekülen auf zytotoxische T-Zellen mithilfe von Plüsch-Viren und den Superhelden aus dem Marvel-Universum. Und Hannah Kilian, Psychologin, berichtet über Tiefe Hirnstimulation bei Depressionen – und schafft es trotz des düsteren Themas, das Publikum zum Lachen zu bringen.

„Mir ist es ein Anliegen, einem möglichst großen Publikum zu zeigen, in welcher fachlichen Breite und in welcher Qualität an unserer Universität geforscht wird“, sagt Prof. Dr. Karl-Reinhard Volz. Er ist der Vorsitzende der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg, die die Forschung an der Universität und vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs fördert: „Mit dem Science Slam möchten wir uns tiefer in das Bewusstsein unserer jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingraben.“ Deshalb stehen auch nur Slammer aus Freiburg auf der Bühne. Zwischen den Beiträgen sorgen die Studenten Thomas Wiebe und Benjamin Ries der Musikhochschule für Stimmung: Sie haben eigens für diesen Abend einen Science-Slam-Song geschrieben.

Faule Forscher und „50 Shades of Grey“

Fast jedes Thema lässt sich publikumswirksam präsentieren: Die Wissenschaftliche Gesellschaft organisierte für die sechs Vortragenden einen Workshop unter Anleitung einer professionellen Slammerin, die ihnen Tipps gab, wie sich ein Thema der Öffentlichkeit zugänglicher machen lässt.


Punktlandung: Das Publikum bewertete jeden Beitrag. Foto: Patrick Seeger

„Mein Thema ist die Nutzbarmachung fremder Planeten zur Bekämpfung des Welthungers“, verkündet Dr. Axel Bohmann und sichert sich damit die gespannte Aufmerksamkeit der ganzen Aula. „Das war ein Spaß. Ich bin Sprachwissenschaftler. Aber ihr unterschätzt die größte Stärke von uns Philologen: Die Faulheit“, erklärt er und möchte dem Publikum damit die automatische Textanalyse schmackhaft machen.

Mit vielen Bildern erklärt Bohmann die sprachliche Analyse von Zeitungsartikeln, von hoher Literatur – das Buchcover von „50 Shades of Grey“ ist zu sehen – und von noch höherer Literatur: ein Tweet von US-Präsident Donald Trump. Zum Schluss ist allen klar, warum es eigentlich gut ist, dass Sprachwissenschaftler zu faul zum Lesen sind und dass man mit Bohmanns Textanalyse-Programm viel Zeit sparen kann. Warum man körpereigene Cannabinoide nicht nutzen kann und dass man daher auch zukünftig noch nachts in den Stühlingerpark gehen muss, wenn man Drogen benötigt, erklärt zuletzt die Pharmakologin Anna Krohmer. Sie kündigt „reine Effekthascherei“ an – und hält Wort: Mit kunstvollen psychodelisch gestalteten Folien, Synapsenhandschuhen und Seifenblasen liefert sie zum Abschluss die größte Show des Abends ab. Das Publikum ist begeistert.

Kopf an Kopf

Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach einer längeren Pause, in der das Publikum heftig diskutiert, halten die Zuschauer ihre Punkttafeln in die Höhe. Einmal erscheint die Fünf, niedriger wird es nicht. Bohmann ist der erste, der mehrere Neuner und Zehner absahnt. Aber Krohmer zieht nach. Es ist knapp: Bohmann, der zum ersten Mal an einem Science Slam teilnimmt, gewinnt – und wirkt etwas ungläubig. Er erinnert sich an den Workshop eine Woche zuvor. „Dort habe ich gemerkt, dass mein ursprünglicher Plan, einen leicht abgeänderten Konferenzvortrag zu geben, total am Thema vorbeiging“, berichtet er. Die Dozentin hatte ihm prophezeit, dass er die größten Probleme hätte, seine Präsentation interessant zu vermitteln. „Vielleicht hat mir das den letzten Kick gegeben, nochmal eine Schippe drauf zu packen. Jedenfalls habe ich dann zwei Tage vor dem Event alles noch einmal komplett umgeschmissen und von vorne begonnen.“


Axel Bohmann belegte den ersten Platz und war überrascht: Zwei Tage vor seinem Auftritt schmiss er seinen ganzen Vortrag um und begann nochmal von vorne. Foto: Patrick Seeger

Trainieren für 2018

Der Applaus geht an alle. Ein tolles Programm, gute Vorträge – und sogar was gelernt dabei. Das Publikum verlagert sich langsam in die Prometheus-Halle, um den Abend bei einem Glas Wein Revue passieren zu lassen. Volz ist mit der Veranstaltung sichtlich zufrieden: „Die Bude ist zum zweiten Mal ganz voll, bis hinten zu den Stehplätzen. Besser hätte es nicht laufen können.“ Schade findet er, dass sich nur wenige Wissenschaftler trauen, am Science Slam teilzunehmen: „Die Promovierenden haben oft Bedenken, dass ihre Doktormütter oder Doktorväter das nicht akzeptieren würden. Ich persönlich habe mich immer gefreut, wenn sich meine Doktoranden gut verkauft haben.“

Der nächste Science Slam soll 2018 stattfinden. Wer sich also mal als Slammer versuchen möchte: noch ist genug Zeit zur Vorbereitung.

Sarah Schwarzkopf

Wissenschaftliche Gesellschaft Freiburg
www.wissges.uni-freiburg.de

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