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Athena ist abgestaubt

Jens-Arne Dickmann muss hoch hinaus, um einen Gipsabguss zu reinigen

Freiburg, 13.12.2017

Athena ist abgestaubt

Foto: Sandra Meyndt

Sie ist groß, streng, schön – und ziemlich schmutzig: Athena, eine etwa drei Meter hohe Statue, steht seit knapp 20 Jahren auf einem hohen Sockel im Foyer des Rektoratsgebäudes. „Und seitdem ist sie wohl auch nicht gereinigt worden“, sagt Dr. Jens-Arne Dickmann, Kurator der Archäologischen Sammlung. Der Fachmann störte sich seit Längerem an der Schmutzschicht. Mit Helm, Kittel, Mundschutz, Staubsauger, Handfeger und Pinsel ausgestattet, stieg er auf eine hohe Leiter – und wurde deshalb mit Klettergurt und Seil von seinem Kompagnon Rüdiger Braunbehrens gesichert. Während der Archäologe die Athena reinigte, hat Rimma Gerenstein mit ihm gesprochen.


Mit Helm, Kittel und Staubsauger: Jens-Arne Dickmann reinigt Athena. Foto: Sandra Meyndt

Herr Dickmann, Sie entstauben seit 45 Minuten die Falten und Rillen in Athenas Mantel. Würden Sie nicht lieber eine Skulptur der Neuen Sachlichkeit reinigen?

Jens-Arne Dickmann: Meinen Sie zum Beispiel die Skulpturen von Käthe Kollwitz? Stimmt, sie wären einfacher und schneller zu reinigen – es sind ja sehr reduzierte, klare Formen. Trotzdem finde ich es im Moment interessanter, mit der Athena auf Augenhöhe zu sein.

Höhenangst haben Sie also nicht. Schließlich befindet sich Athena etwa vier Meter über dem Boden.

Nein, ich habe keine Höhenangst. Ich gehe gerne klettern; da kommt es schon einmal vor, dass ich 200 Meter Abgrund unter mir habe. Es ist alles eine Frage der Konzentration. Ein Draufgänger bin ich allerdings nicht und nehme die Sicherheit nicht auf die leichte Schulter. Deswegen habe ich meinen Freund Rüdiger, mit dem ich klettern gehe, gebeten, mich zu sichern. Da bin ich in den besten Händen und werde auch auf der obersten Sprosse nicht nervös.

Staubsauger_Handfeger_Pinsel_540_v2.jpgFür die erste Trockenreinigung eignet sich der Staubsauger – bei den feineren Partien kommen Pinsel und Handfeger zum Einsatz. Fotos: Sandra Meyndt

Was fällt Ihnen an Athena aus nächster Nähe auf?

Sie ist in keinem guten Zustand, und damit meine ich nicht nur die Schmutzschicht. Es gibt eigentlich kaum eine Stelle, an der die Farbe nicht abblättert. Da bilden sich richtige Schollen, die bei Berührung abgehen. Eigentlich müsste man die Farbschicht komplett abtragen und dann wieder neu aufbringen. Außerdem entdecke ich an der Skulptur Farbspritzer, Mörteltropfen und Laufspuren von verschmutztem Wasser. Offensichtlich ist in den oberen Stockwerken mal gemalert und verputzt worden. Und jemand hat wohl auch zu stark Blumen gegossen.

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Sollte die Statue lieber woanders stehen?

Unter klimatischen Gesichtspunkten ist das Foyer des Rektorats ein denkbar ungünstiger Standort. Die Türen werden ständig auf- und zugemacht, was sich auf die Luftfeuchtigkeit auswirkt. Gips ist ein äußerst wasserliebendes Material – es zieht Feuchtigkeit an, dehnt sich aus und führt schließlich zu Rissen. Die Skulptur müsste an einem trockenen Ort stehen, um sie zu schützen. In der Archäologischen Sammlung haben wir in unseren klimatisierten Räumen natürlich viel bessere Bedingungen. Doch was die Wirkung der Figur angeht, steht sie hier genau richtig.

Athena, die Göttin des Kampfes?

Nicht nur. Sie ist auch die Göttin der Weisheit und der Kunstfertigkeit. Als hochklassische Statue entstand sie in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vor Christus. Ursprünglich in Bronze gegossen, wurde sie Jahrhunderte später in einer römischen Werkstatt nach diesem Vorbild in Marmor geschlagen. Diese Darstellung der Athena zeigt die Göttin in einem beruhigten Stand, wehrhaft bewaffnet, majestätisch und keineswegs betont feminin. Ihre Haltung verkörpert Standhaftigkeit und Entschiedenheit und soll nach außen wirken – diese Eigenschaften passen doch gut zu einer Universität. Deswegen ist es mir wichtig, dass die Statue gepflegt wird. Wenn man sie an solch einem repräsentativen Ort lediglich als vernachlässigte Reminiszenz an die griechische Klassik aufstellt, bekommt auch die Metapher Risse.

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Fast auf Augenhöhe: Jens-Arne Dickmann arbeitet sich Zentimeter für Zentimeter hoch. Foto: Sandra Meyndt

Nach dreistündiger Putzaktion hat die Statue ihre Farbe verändert: Der gräulich-gelbliche Schleier ist einem weichen Eierschalenweiß gewichen. Sind Sie zufrieden?

Fürs Erste ist es ein deutlicher Fortschritt. Sie müssen sich vorstellen, dass die Statue seit knapp 20 Jahren – also seit sie hier steht – nicht gereinigt worden ist. Das war nicht nur ein persönliches Unbehagen. Der Zustand ist auch vielen Kolleginnen und Kollegen aufgefallen. Die gröbste Schmutzschicht habe ich entfernt, doch mit Staubsauger, Handfeger und Pinsel allein bekomme ich den direkt auf dem Gips anhaftenden Dreck nicht weg. Der nächste Schritt wäre eine Nassreinigung – doch das wird länger als drei Stunden in Anspruch nehmen.

Archäologische Sammlung der Universität Freiburg