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John F. Kennedy: 100. Geburtstag eines amerikanischen Mythos

Der Zeithistoriker Arvid Schors zur Bedeutung Präsident Kennedys für die US-amerikanische Nation und Geschichte

Freiburg, 08.05.2017

John F. Kennedy: 100. Geburtstag eines amerikanischen Mythos

John F. Kennedy und seine Familie im Jahr 1962. Foto: Cecil W. Stoughon/White House

Vor 100 Jahren, am 29. Mai 1917, wurde John Fitzgerald Kennedy geboren, der von 1961 bis 1963 als 35. Präsident der USA amtierte. „Obwohl Kennedys Amtszeit zu den kürzesten der amerikanischen Geschichte zählt, ist er bis heute ein amerikanischer, ja globaler Mythos geblieben“, erläutert der Freiburger Historiker Dr. Arvid Schors. Dies sei nicht zuletzt auf seine Ermordung am 22. November 1963 zurückzuführen, die ihm die Aura eines nationalen Märtyrers verliehen habe – ein Bild, das von seinen Anhängerinnen und Anhängern nach seinem Tod geschickt befördert worden sei.

„Kennedy ist durch seinen frühen Tod zu einer Projektionsfläche für die unerfüllten Hoffnungen der Nation geworden“, sagt Schors. Als jüngster Mann, der je zum Präsidenten gewählt worden ist, habe er Anfang der 1960er Jahre sein Amt zu einem Zeitpunkt amerikanischer Machtentfaltung und steigenden Wohlstands angetreten. „Eine Generation junger Amerikaner blickte damals voller Optimismus in die Zukunft. Vielen schien es tatsächlich möglich, dass die Politik ihre moralischen Sehnsüchte würde erfüllen können. Nach seiner Ermordung avancierte der in der Erinnerung für immer jung bleibende Kennedy zu einem Symbol dieses verlorenen Moments des amerikanischen Idealismus“, betont der Zeithistoriker. 

Zu Kennedys anhaltender Anziehungskraft habe ebenso beigetragen, dass er mit seinem guten Aussehen, nicht zuletzt in Zusammenspiel mit seiner Ehefrau Jackie, das Selbstbild der Nation als vital und zukunftsgewiss zu personifizieren vermochte. „Sein politischer Aufstieg kann zugleich nicht vom Beginn des Fernsehzeitalters getrennt werden, für das der telegene und redegewandte Kennedy wie geschaffen war.“ 

Allerdings verschleiere der Heldenmythos den Blick auf die reale politische und private Person: Entgegen seines kraftvollen Images sei Kennedy während der Präsidentschaft gesundheitlich angeschlagen und medikamentenabhängig gewesen. Entgegen der heilen Fassade seiner Ehe sei sein Privatleben von Affären gekennzeichnet gewesen, ohne dass die Öffentlichkeit zeitgenössisch davon erfahren habe. Auch die politische Bilanz seiner kurzen Amtszeit falle gemischt aus. „Bemerkenswert ist allerdings die große Lernfähigkeit, die Kennedy im Amt auszeichnete. Durch seinen aggressiven Antikommunismus hatte er etwa die Kubakrise selbst mit herbeigeführt, die die Welt an den Rand des Atomkriegs brachte. Gegen große Widerstände trug er dann wiederum während der Krise maßgeblich dazu bei, sie zu entschärfen.“ Ähnliches lasse sich über den Kampf für Bürgerrechte der afro-amerikanischen Bevölkerung festhalten, den er zunächst eher halbherzig geführt, schließlich aber unerlässliche Impulse für dessen spätere Erfolge gegeben habe.

„Gerade heute, wo die USA politisch stark gespalten sind, kann Kennedys Lernfähigkeit im Amt, sein Pragmatismus, aber auch seine idealistische Ausstrahlung als Bezugspunkt der nationalen Selbstvergewisserung dienen“, bilanziert Schors.  „Tatsächlich ist Kennedy heute einer der wenigen positiven Referenzpunkte, auf die sich Demokraten wie Republikaner, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, gleichermaßen berufen.“

Arvid Schors ist Akademischer Rat am Historischen Seminar der Universität Freiburg. Zu seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören die Geschichte der amerikanischen Politik und Gesellschaft im 20. Jahrhundert sowie die Geschichte der internationalen Politik und des Kalten Krieges.



Dr. Arvid Schors

Philosophische Fakultät
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