Hessischer Wahlkampf geht in die heiße Phase
Freiburg, 20.09.2018
Bis zur Landtagswahl in Hessen am 28. Oktober 2018 sind es nur noch wenige Wochen, der Wahlkampf ist in vollem Gange: Mit dem „WahlSwiper“ steht erstmals in der hessischen Wahlgeschichte eine Online-Wahlhilfe zur Verfügung. Damit können sich Wählerinnen und Wähler in Hessen vor der Wahl über die politischen Angebote informieren und prüfen, welche Parteien ihren politischen Präferenzen am nächsten kommen. Für die 18 Parteien, die ihre Antworten auf die 32 Fragen des „WahlSwipers“ gegeben haben, zeigen sich große inhaltliche Unterschiede, aber auch überraschende Gemeinsamkeiten, erklärt Prof. Dr. Uwe Wagschal vom Seminar für Wissenschaftliche Politik der Universität Freiburg. Er hat die App und Website zusammen mit seinem Team und Dr. Pascal König von der Universität Frankfurt am Main sowie der Agentur Movact in Berlin erstellt.
Wagschal hat alle 32 Fragen des „WahlSwipers“ für die sechs im Bundestag vertretenen Parteien ausgewertet, um herauszufinden, welche Parteien sich von ihren Zielen besonders ähneln beziehungsweise stark unterscheiden: „Linke und Grüne liegen sich am nächsten“, so sein Ergebnis. „Über 87 Prozent ihrer Positionen sind identisch.“ Das überrascht den Politikwissenschaftler nicht: Bereits seit dem Start der ersten Online-Wahlhilfe zur Bundestagswahl 2002 ist die Links-Grüne-Kombination bei allen Bundes- und Landtagswahlen die mit den deutlichsten Übereinstimmungen. Bei den derzeitigen Regierungsparteien in Hessen ergibt sich ein anderes Bild: „Trotz ihrer Koalition liegt die Übereinstimmung bei der CDU und den Grünen nur bei 50 Prozent.“
Verwundert ist Wagschal über die starke Ähnlichkeit bei den Antworten der SPD und FDP: „Vielleicht steht ein Comeback sozial-liberaler Optionen an, denn die inhaltliche Übereinstimmung beträgt in Hessen 84 Prozent. Das liegt vor allem an der FDP. Da werden, wie bei linken Parteien, Ausgabensteigerungen in vielen Bereichen gefordert. Selbst bei Ladenschluss will die FDP keine weitergehende Liberalisierung mehr. Zudem befürwortet sie in Hessen mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau und eine Ausweitung der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. Dadurch stimmen selbst die Positionen der FDP und der Linken zu 56 Prozent überein.“
Die drittähnlichste Kombination mit 78 Prozent Übereinstimmung ist Rot-Grün, gefolgt von der CDU-FDP-Kombination mit 75 Prozent. „Doch glaubt man den aktuellen Meinungsumfragen“, so der Freiburger Forscher, „dann ist die Große Koalition die rechnerisch wahrscheinlichste Option. Die 60 Prozent Übereinstimmung von CDU und SPD im ‚WahlSwiper‘ zeigen, dass es eine große inhaltliche Überschneidung gibt, trotz aller Querelen in der Bundesregierung und auf Länderebene.“
Auffällig ist bei der Untersuchung der Abstand der AfD zu allen anderen Parteien: „Wie erwartet sind die ideologisch am entferntesten Parteien, also die Linke und die AfD, auch am unterschiedlichsten bei den Antworten zu den Fragen im ‚WahlSwiper‘. Aber auch zu den Grünen, der SPD und der FDP gibt es deutliche Differenzen. Lediglich die Schnittmenge zwischen CDU und AfD ist mit 53 Prozent mittelstark.“ Bemerkenswert ist jedoch, ergänzt Wagschal, dass die AfD die gleiche Haltung zum Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen besitzt wie die Linke und die Grünen: Diese drei Parteien befürworten die Ausweitung, CDU, SPD und FDP wollen diese nicht.
Bei vier der 32 Fragen im „WahlSwiper“ sind sich die sechs im Bundestag vertretenen Parteien einig: So befürworten alle, dass die Todesstrafe aus der hessischen Landesverfassung gestrichen werden soll. Auch will keine der sechs Parteien, dass das hessische Ladenöffnungsgesetz geändert wird, damit mehr verkaufsoffene Sonntage möglich sind. Außerdem lehnen sie die Senkung des Wahlalters für Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 Jahre ab. Diese Forderung wird aber in Hessen von einigen kleinen Parteien, wie der Partei der Humanisten, unterstützt. Zudem sind sich alle sechs Landesverbände der Bundestagsparteien einig, dass in hessischen Innenstädten kein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge kommen soll, die nicht die Abgasnorm Euro 5 erfüllen: „Zumindest von der Landesregierung und -opposition drohen damit nach der Wahl keine Fahrverbote.“
Uwe Wagschal ist Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seine Forschungsinteresse gilt unter anderem der vergleichenden Analyse politischer Systeme mit Schwerpunkt Deutschland sowie der Konflikt- und Staatstätigkeitsforschung.
Prof. Dr. Uwe Wagschal
Seminar für Wissenschaftliche Politik
Vergleichende Regierungslehre
Werthmannstraße 12
79098 Freiburg
Telefon: +49(0) 761 / 203-9361
E-Mail: uwe.wagschal@politik.uni-freiburg.de
Alle Expertinnen und Experten im Überblick