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Borkenkäfer können ihre Nahrungspilze an Duftstoffen erkennen

Experimente an der Universität Freiburg liefern erstmals Belege für die Fähigkeit, Nahrungs- und Schadpilze zu unterscheiden

Freiburg, 14.04.2023

Borkenkäfer können ihre Nahrungspilze an Duftstoffen erkennen

Nest eines Schwarzen Nutzholzborkenkäfers in einem Haselnuss-Zweig. Foto: Antonio Gugliuzzo

Bestimmte Borkenkäfer-Arten betreiben aktive Landwirtschaft. Als soziale Gemeinschaften züchten und pflegen sie im Holz von Bäumen Nahrungspilze und sorgen dafür, dass sich so genannte Unkrautpilze weniger stark ausbreiten. Forschende um Prof. Dr. Peter Biedermann, Professor für Forstentomologie und Waldschutz der Universität Freiburg, haben nun erstmals nachgewiesen, dass Borkenkäfer verschiedene Pilzarten anhand ihrer Duftstoffe unterscheiden können. „Die Ergebnisse können dazu beitragen besser zu verstehen, warum Käfer gezielt Bäume mit Artgenossen besiedeln und wie ihre Pilzzucht genau funktioniert“, sagt Biedermann. „Außerdem könnten sich aus den Duftstoffen der Pilze Lockstoffe entwickeln lassen, um nicht heimische Käfer zu kontrollieren.“

Käfer orientieren sich an Pilz-Duftstoffen

Ein Forschungsteam um Biedermann und den Umweltwissenschaftler Dr. Antonio Gugliuzzo von der Universität Catania/Italien konnte zum ersten Mal zeigen, dass der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germanus) Duftstoffe seiner Nahrungspilze wahrnimmt und diese als so genannte Aggregationspheromone wirken. Das bedeutet, der Käfer verwendet den Geruch des Nahrungspilzes dafür, Bäume zu finden, die bereits von Artgenossen besiedelt sind. Bei dem Käfer handelt es sich um eine invasive Art, die inzwischen in Deutschland weit verbreitet und vor allem in Obstbäumen zu finden ist. Die Ergebnisse sind soeben in der Fachzeitschrift Frontiers in Microbiology erschienen.

„Bisher konnte man noch nicht wirklich erklären, wann diese Käfer in Gruppen Bäume befallen“, sagt Biedermann – denn man hatte bisher keinen entsprechenden eigenen Duftstoff der Insekten gefunden. Im Experiment zeigte sich nun, dass die Käfer auf die Duftstoffe der spezifischen Nahrungspilze reagieren, die ihre Artgenossen bereits in den Ästen eines Baumes angebaut haben. „So können die Käfer zum Beispiel geschwächte Bäume in größerer Anzahl besiedeln, leichter die Baumabwehr überwinden und den Baum so zum Absterben bringen“, sagt Biedermann. In weiteren chemischen Analysen lasse sich nun eventuell eine Komponente des Pilzduftes ermitteln, die dann als Lockstoff für Fallen im Obstbau verwendet werden könne.

Schon Larven können Pilze unterscheiden

In einer weiteren Studie konnten die Umweltwissenschaftlerin Denicia Kassie und die Biologin Janina Diehl erstmals experimentell nachweisen, dass eine andere Borkenkäfer-Art, der Kleine Holzbohrer (Xyleborinus saxesenii), seine Nahrungspilze und so genannte Unkraut- oder Schadpilze anhand ihrer Duftstoffe erkennen und unterscheiden kann. Diehl ist Doktorandin bei Biedermann an der Universität Freiburg. „Je nach Zustand der Pilze suchten die Käfer in den Experimenten die Pilzkulturen entweder gezielt auf oder sie mieden sie“, sagt Biedermann. Die Fähigkeit, eine potenzielle Bedrohung für Nahrungspilze oder die eigene Gesundheit zu erkennen, biete den Käfern die Möglichkeit zu reagieren – und die Schadpilze entweder zu meiden oder gezielt zu bekämpfen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Symbiosis erschienen.

Die Fähigkeit, verschiedene Nahrungs- und Schadpilze zu unterscheiden, konnten die Wissenschaftler*innen sowohl bei Larven als auch bei erwachsenen Individuen des Kleinen Holzbohrers nachweisen – die im sozialen Verbund je eigene Aufgaben bei der Zucht und Pflege der Nahrungspilz-Kulturen übernehmen. „Diese Erkenntnisse sind ein weiterer Baustein, um besser zu verstehen, wie die Steuerung der Pilzzucht durch Borkenkäfer funktionell abläuft“, sagt Biedermann. „Daraus könnten sich auch Ideen für unsere Landwirtschaft ergeben, um nachhaltig und umweltgerecht Schadorganismen zu bekämpfen.“

Faktenübersicht:

  • Originalpublikationen: Gugliuzzo, A., Kreuzwieser, J., Ranger, Ch. M., Tropea Garzia, G., Biondi, A., Biedermann, P. H. W.: Volatiles of fungal cultivars act as cues for host-selection in the fungus-farming ambrosia beetle Xylosandrus germanus. In: Front. Microbiol. 14:1151078 (2023). DOI: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmicb.2023.1151078/full
    Diehl, J.M.C., Kassie, D., Biedermann, P.H.W.: Friend or foe: Ambrosia beetle response to volatiles of common threats in their fungus gardens. Symbiosis (2023). https://link.springer.com/article/10.1007/s13199-023-00914-y
  • Peter Biedermann ist Professor für Forstentomologie und Waldschutz an der Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Borkenkäfer, Symbiosen zwischen Insekten und Mikroorganismen, insbesondere Pilzen, und das Sozialverhalten von Insekten. Janina Diehl ist Doktorandin an der Universität Freiburg, Denicia Kassie hat ihre Bachelorarbeit an der Universität Freiburg zum Thema verfasst. Antonio Gugliuzzo ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Catania/Italien.
  • Die Forschungsarbeiten wurden gefördert von einem DAAD-Stipendium für Antonio Gigliuzzo, von einem Emmy Noether Grant der DFG für Peter Biedermann und durch Förderungen der Universität Freiburg für Open-Access-Publikationen.

 

Pressebilder zum Download

Borkenkäfer Nest eines Schwarzen Nutzholzborkenkäfers (Xylosandrus germanus) in einem Haselnuss-Zweig mit erwachsenen Weibchen (groß), einem Männchen (klein) und einzelnen Larven. An den Gangwänden ist der gräuliche Pilzbelag des Nahrungspilzes erkennbar. Foto: Antonio Gugliuzzo
Käfernest Nest eines Kleinen Holzbohrers (Xyleborinus saxesenii) mit erwachsenen Käfern und Larven. In der Umgebung des Nests ist das gelbe Pilzmycel des Nahrungspilzes erkennbar. Foto: Davide Vallotto.
Kulturen des Nahrungspilzes Ambrosiella grosmanniae des Schwarzen Nutzholzborkenkäfers im Labor der Universität Freiburg. Foto: Antonio Gugliuzzo

 

Kontakt:
Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-4302
E-Mail: kommunikation@zv.uni-freiburg.de