Neue Erkenntnis in der Astronomie: Schwarzes Loch dreht sich auf die Seite
Freiburg, 28.02.2022
Wissenschaftlerin Prof. Dr. Svetlana Berdyugina, Professorin für Astrophysik an der Universität Freiburg und Direktorin des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik (KIS), hat zusammen mit einem internationalen Team von Astronom*innen zum ersten Mal zuverlässig einen großen Unterschied zwischen der Rotationsachse des Schwarzen Lochs und der Achse der Umlaufbahn des Doppelsternsystems namens MAXI J1820+070 gemessen. Die Rotationsachse des Schwarzen Lochs ist um mehr als 40 Grad gegenüber der Achse der Sternbahn geneigt. „Diese Erkenntnis stellt die derzeitigen theoretischen Modelle zur Entstehung Schwarzer Löcher in Frage“, sagt Berdyugina. Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Team in der Zeitschrift Science.
Astronomen gingen bisher von einem kleinen Winkel aus
„Der Unterschied von mehr als 40 Grad zwischen der Bahnachse und dem Spin des Schwarzen Lochs war völlig unerwartet. Wissenschaftler*innen sind bisher oft davon ausgegangen, dass dieser Unterschied sehr gering ist, wenn sie das Verhalten von Materie in einem gekrümmten Zeitraum um ein Schwarzes Loch modelliert haben“, erklärt Berdyugina. Die neue Erkenntnis zwinge Astronom*innen dazu, die Modelle um eine neue Dimension zu erweitern.
Polarisation eröffnet neuen Weg zum Verständnis von Schwarzen Löchern
Das Forschungsteam machte seine Entdeckung mit dem astronomischen Polarimeter DIPol-UF, einem Instrument zur Messung des Winkels der optischen Drehung des Lichts. Gebaut wurde es vom Leibniz-Institut für Sonnenphysik (KIS) und der Universität Turku/Finnland. Im Nordic Optical Teleskop auf La Palma/Spanien kam es dann schließlich zur Anwendung. „Unser verwendetes Polarimeter DIPol-UF ist einzigartig in seiner Fähigkeit, die optische Polarisation mit der Präzision und Genauigkeit von wenigen Teilen pro Million zu messen. Die Bestimmung der Bahnorientierung von Schwarzen Löchern anhand der Polarisation eröffnet einen neuen Weg zum Verständnis ihrer Entstehung und Physik", erklärt Berdyugina.
Astronom*innen beobachteten Jets im Radio- und Röntgenbereich
Die schwarzen Löcher in Doppelsternsystemen sind durch einen kosmischen Kataklysmus entstanden – den Kollaps eines massereichen Sterns. Jetzt stellten die Forschenden fest, wie ein Schwarzes Loch Materie von dem nahen, leichteren Begleitstern mitreißt, der das Gravitationszentrum des Systems umkreist. Die Wissenschaftler*innen sahen helle optische Strahlung und Röntgenstrahlung als letzten Seufzer des einfallenden Materials und die Radioemission von den Jets, die aus dem System ausgestoßen wurden. Indem sie die leuchtenden Gas-Ströme, die Jets, im Radio- und Röntgenbereich verfolgten, konnten die Astronom*innen die Richtung der Rotationsachse des Schwarzen Lochs genau bestimmen.
Am Forschungsprojekt beteiligt waren neben Svetlana Berdyugina Forschende der Universität Turku/Finnland, dem Weltraumforschungsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften/Russland, der Universität Stockholm/Schweden, der Liverpool John Moores Universität/England, der Radboud Universität/Niederlanden, des Niederländischen Instituts für Weltraumforschung/Niederlande, der University of Denver/USA und der Universidad de La Laguna/Spanien.
Originalpublikation:
Poutanen, J., Veledina, A., Berdyugin, A. V., Berdyugina, S. V., Jermak, H., Jonker, P. G., Kajava, J. J. E., Kosenkov, I.A., Kravtsov, V., Piirola, V., Shrestha, M., Torres, M. A. P., Tsygankov, S. S. (2022): Black hole spin–orbit misalignment in the x-ray binary. In: Science. DOI: 10.1126/science.abl4679
Bildunterschrift:
Künstlerische Darstellung des Röntgendoppelsystems MAXI J1820+070 mit einem Schwarzen Loch (kleiner schwarzer Punkt im Zentrum der Gasscheibe) und einem Begleitstern (rot). Ein schmaler Strahl ist entlang der Spinachse des Schwarzen Lochs gerichtet, die stark von der Achse der Umlaufbahn abweicht. (Darstellung: R. Hynes).
Kontakt:
Prof. Dr. Svetlana Berdyugina
Fakultät für Mathematik und Physik
Physikalisches Institut
Tel.: 0761/3198-101
E-Mail: sveta@kis.uni-freiburg.de
Franziska Becker
Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-54271
E-Mail: franziska.becker@pr.uni-freiburg.de