„Wichtig ist, sich einfach zu trauen"
Freiburg, 01.09.2017
Was gehört zu einem erfolgreichen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)? Welches Antragsformat passt zum eigenen Projekt? Worauf legen Gutachterinnen und Gutachter besonderen Wert? Diesen und weiteren Fragen zum Thema „Erfolgreich DFG-Mittel einwerben" widmet sich eine Podiumsdiskussion, zu der Prof. Dr. Annegret Wilde, DFG-Vertrauensdozentin der Universität Freiburg, und das Science Support Centre der Freiburg Research Services einladen. Die Biologin erklärt im Gespräch mit Nicolas Scherger ihre Rolle als DFG-Vertrauensdozentin – und ermutigt junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Förderanträge zu stellen.
Der Inhalt zählt: Das wissenschaftliche Projekt ist für die Erfolgsaussichten eines Förderantrags bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft entscheidend, sagt Annegret Wilde.
Foto: Patrick Seeger
Frau Wilde, Sie sind seit 2012 DFG-Vertrauensdozentin der Universität Freiburg. Was sind Ihre Aufgaben?
Annegret Wilde: Zum einen möchte ich junge Antragsstellerinnen und Antragssteller informieren, ihnen bei ihrem ersten Antrag helfen und sie auf mögliche Stolpersteine hinweisen. Zum anderen würde ich bei Konflikten zwischen der Universität und der DFG vermitteln – allerdings habe ich diesen Fall bislang noch nicht erlebt. Meine Aufgaben sind klar abgegrenzt: Ich bin als Vertrauensdozentin für die gesamte Universität zuständig und kann es daher nicht leisten, die vielen Anträge, die unsere Forscherinnen und Forscher bei der DFG stellen, zu lesen – zumal sie ja aus ganz unterschiedlichen Fachkulturen kommen. Dafür hat die Universität das Science Support Centre, mit dem ich eng kooperiere und hier eine hervorragende Hilfestellung leistet. Zudem habe ich keine Ombudsfunktion und kann nicht aktiv werden, wenn es zum Beispiel in einem DFG-Projekt Konflikte unter den Forschern gibt. Um solche Fälle kümmern sich die Ombudspersonen der Hochschuleinrichtungen oder der DFG.
Worauf kommt es bei einem Förderantrag besonders an?
Das wissenschaftliche Projekt ist bei der DFG entscheidend. Die Forscher sollten eine klare Vorstellung von ihrem wissenschaftlichen Projekt haben und Publikationen zu dem Thema, zu dem sie den Antrag stellen, vorweisen. Bei einem ersten Antrag müssen die Vorarbeiten jedoch noch nicht so umfangreich sein. Die Gutachterinnen und Gutachter müssen vor allem überzeugt werden, dass sie das beantragte Projekt umsetzen können. Bei Förderanträgen bei der Europäischen Union dagegen sind neben dem wissenschaftlichen Projekt auch viele Formalitäten wichtig, wobei das Science Support Centre helfen kann, die richtigen Worte zu wählen. Inhaltliche Beratung kann aber auch das Science Support Centre nicht leisten. Für ihr Projekt sind ausschließlich die Forscher selbst verantwortlich.
Wie wichtig sind in diesem Zusammenhang Schlagwörter – zum Beispiel „innovativ", „international", „interdisziplinär"?
Das kommt möglicherweise auf die Gutachter an. Ich bin der Meinung: Wissenschaft sollte immer innovativ sein und sich international orientieren. Und in der Biologie arbeiten wir fast immer interdisziplinär. Aber ein paar Schlagwörter können manchmal durchaus hilfreich sein. In der Biologie ist derzeit CRISPR-Cas angesagt, eine Methode, die es erlaubt, DNA gezielt zu schneiden und zu verändern. Diese Methode ist in vielen Projekten derzeit State-of-the-Art – allerdings ist es dann keine leere Formel, wenn diese experimentellen Ansätze zum Erkenntnisgewinn beitragen.
Ab welcher wissenschaftlichen Karrierestufe kann man sich trauen, den ersten Antrag zu stellen?
Nach der Promotion. Die meisten fangen mit einem Forschungsstipendium an, um ins Ausland zu gehen. Einige werben auch Mittel zur Organisation einer Konferenz oder für die eigene Stelle ein. Ich hatte meine ersten DFG-Anträge als junge Postdoktorandin innerhalb eines Sonderforschungsbereichs zusammen mit erfahrenen Wissenschaftlern. Für Einzelprojekte, bei denen man Doktorandinnen und Doktoranden einstellen kann, wird meist eine Anstellung über die Laufzeit des Antrags benötigt, was bei jüngeren Antragstellern oft nicht der Fall ist.
Was sind mögliche Fallstricke, die jungen Kolleginnen und Kollegen oft nicht bewusst sind?
Wichtig ist, nicht zu viele Fördermittel zu verlangen und auch nicht gleich zu viel erreichen zu wollen. Manche Anträge sind zu ambitioniert, und die Gutachter sagen: Das ist in der Zeit und mit der Ausstattung nicht zu schaffen. Es ist besser, sich weniger vorzunehmen, das aber sehr gut zu beschreiben: Was will der Wissenschaftler erforschen, mit wem will er zusammenarbeiten, welche Methoden setzt er ein? Auch bei der Fördersumme ist es wichtig, das richtige Maß zu finden. Wer zum ersten Mal einen Antrag einreicht, sollte nicht Stellen für zwei Doktoranden und einen Postdoc beantragen. Auch ich würde in einen Antrag auf Einzelförderung nie mehr als zwei Doktorandenstellen oder eine Postdocstelle reinschreiben. Außerdem ist es schwierig, Grundausstattung wie Computer oder bestimmte Geräte oder technische Angestellte zu beantragen. Das muss die Universität bereitstellen.
Wie nehmen Sie den Wettbewerb um DFG-Fördermittel wahr?
Die DFG fördert etwa ein Drittel der bundesweit eingereichten Anträge – bei kaum einer anderen Förderorganisation, auch weltweit, sind die Bewilligungsraten so gut. Ich kann deshalb nur dazu ermutigen, Anträge zu stellen. Dazu muss man auch sagen: Einzelprojekte, also Anträge einzelner Forscher beispielsweise für Sachbeihilfen oder Forschungsstipendien, machen immer noch den Hauptanteil der bewilligten Fördersummen aus – auch an der Universität Freiburg. Das wird oft nicht gesehen, weil vor allem die Sonderforschungsbereiche und die Exzellenzwettbewerbe im Fokus stehen.
Was raten Sie Wissenschaftlern, die zum ersten Mal einen Förderantrag bei der DFG stellen?
Bei Unklarheiten rate ich immer dazu, direkt bei der DFG nachzufragen. Da scheuen sich viele, weil sie denken, dass das einen negativen Einfluss auf die Chancen des Antrags haben könnte, aber das stimmt nicht. Man kann sich mit allen Fragen, auch mit kritischen, an die Ansprechpersonen der DFG-Geschäftsstelle mit der jeweiligen Fachzuständigkeit wenden. Zudem würde ich den Wissenschaftlern empfehlen, sich erfolgreiche Anträge von ihren Chefinnen und Chefs anzuschauen. Und es gibt sehr detaillierte Formulare auf den Internetseiten der DFG, die erläutern, wie ein Antrag auszusehen hat. Wichtig ist, sich einfach zu trauen, einen Antrag zu stellen – und nicht zu denken: Ich kann das noch nicht.
Und wenn der Antrag abgelehnt wird?
Dann sollte man nicht deprimiert sein. Das passiert auch erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, und man lernt ja auch daraus. Was viele nicht wissen: Bei der DFG ist es möglich, den Antrag unter Berücksichtigung der Kommentare der Gutachter zu überarbeiten und nochmal einzureichen. Mir ist es auch schon passiert, dass ein Antrag abgelehnt wurde, und beim zweiten Anlauf ist er bewilligt worden. Daher wäre mein Rat, die Gutachten aufmerksam zu lesen, sich mit anderen Wissenschaftlern auszutauschen und das Projekt gründlich zu überarbeiten, um es dann wieder bei der DFG einzureichen.
Informationen zu den Förderprogrammen
Veranstaltung „Erfolgreich DFG-Mittel einwerben“
Die Veranstaltung „Erfolgreich DFG-Mittel einwerben“ am 10. Oktober 2017, 14 Uhr im Hörsaal Biologie I, Hauptstraße 1, 79104 Freiburg, ist offen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen. An der Podiumsdiskussion beteiligen sich Prof. Dr. Jürgen Hennig, DFG-Fachkollegium Medizin, Prof. Dr. Christian Mair, DFG-Fachkollegium Sprachwissenschaften, Prof. Dr. Annegret Wilde, DFG-Vertrauensdozentin, Prof. Dr. Peter Woias, Mitglied des Bewilligungs- und des Senatsausschusses der DFG für Graduiertenkollegs, und Dr. Anne-Kathrin Classen, Emmy Noether-Gruppenleiterin. Die Moderation übernimmt Dr. Frank Krüger von den Freiburg Research Services. Um Anmeldung bis zum 15.09.2017 per E-Mail an kursprogramm@frs.uni-freiburg.de wird gebeten.
Förderungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2015 (in Millionen Euro, gerundet)
Programm | bundesweit | Universität Freiburg | |
Einzelförderung | 886,6 | 25,2 | |
Sonderforschungsbereiche | 626,6 | 18,3 | |
Exzellenzinitiative | 545,8 | 14,5 | |
Schwerpunktprogramme | 194,4 | 4,2 | |
Graduiertenkollegs | 178,2 | 8,3 | |
Infrastrukturförderung | 167,6 | 3,6 | |
Forschergruppen | 153,6 | 3,2 | |
Preise, weitere Förderungen | 58,2 | 0,9 | |
Forschungszentren | 28,5 | - | |
Gesamt | 2.839,60 | 78,3 | |
Fachgebiet | bundesweit | Universität Freiburg | |
Medizin | 608,1 | 21,1 | |
Biologie | 330,4 | 17,8 | |
Geisteswissenschaften | 271,9 | 9,5 | |
ohne Fachzuordnung | 266,3 | 2,5 | |
Physik | 257,2 | 2,9 | |
Elektrotechnik, Informatik, Systemtechnik | 181,1 | 13,5 | |
Chemie | 171 | 3,8 | |
Sozial- und Verhaltenswissenschaften | 160,6 | 2,2 | |
Maschinenbau, Produktionstechnik | 145,5 | 0,2 | |
Geowissenschaften, Geographie | 116,5 | 1,3 | |
Materialwissenschaft, Werkstofftechnik | 115,3 | 0,6 | |
Wärmetechnik, Verfahrenstechnik | 77,5 | - | |
Mathematik | 68,7 | 1,1 | |
Agrar-, Forstwissenschaft, Gartenbau, Tiermedizin | 41,1 | 1,6 | |
Bauwesen, Architektur | 28,5 | 0,2 | |
Gesamt | 2.839,60 | 78,3 |