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Starke Säulen

Die Prorektoren für Forschung und Innovation sowie Studium und Lehre haben ihre Amtszeit beendet

Freiburg, 01.12.2020

Forschung und Lehre: Das sind die zwei wichtigsten Grundpfeiler einer Universität. Sechs respektive acht Jahre lang haben die Slavistin Prof. Dr. Juliane Besters-Dilger als Prorektorin für Studium und Lehre und der Biologe Prof. Dr. Gunther Neuhaus als Prorektor für Forschung und Innovation die Geschicke der Universität Freiburg mitgelenkt. Sie verantworten entscheidende Entwicklungen und Erfolge auf ihren Gebieten. Wie blicken sie auf ihre Amtszeiten zurück? Nicolas Scherger und Rimma Gerenstein haben bei den beiden nachgefragt.

Foto: Sandra Meyndt

Frau Besters-Dilger, Herr Neuhaus, Sie haben über viele Jahre den Kurs der Universität Freiburg mitgelenkt und mitbestimmt. Mit welchen zwei Worten würden Sie diese Erfahrung beschreiben?

Juliane Besters-Dilger: „Reichtum“ und „Dialog“. Was ich vorher nicht wusste, war, welchen Reichtum die Universität Freiburg bietet, nicht nur an Fächern, sondern auch an interdisziplinären Verknüpfungen und an Transfer in die Gesellschaft. Das ganze erste Jahr habe ich eigentlich nur gelernt, die Universität mit anderen Augen zu sehen. Und ohne den Dialog mit den Fächern und Fakultäten geht gar nichts voran. Die gemeinsame Arbeit muss immer Hand in Hand gehen, denn wenn in Studium und Lehre etwas von oben diktiert wird, kann das  nicht funktionieren.

Gunther Neuhaus: Da möchte ich die Begriffe „Herausforderung“ und „Stolz“ nennen. Man ist als Prorektor ja nicht mehr nur Wissenschaftler in seinem Fach, sondern betreut die gesamte Universität mit all ihren Disziplinen. Das war anfangs eine Herausforderung, die ich als stimulierend empfunden habe. Und Stolz empfinde ich, weil an unserer Universität herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten. Das merkt man sowohl bei den Einzelforschungsanträgen als auch bei Verbundprojekten wie Exzellenzclustern oder Sonderforschungsbereichen, und das über das gesamte Fächerspektrum hinweg – von den Geistes- und Sozialwissenschaften über die Biologie und Medizin bis hin zur Technik.

Auf welche Erfolge aus Ihren Amtszeiten sind Sie besonders stolz?

Juliane Besters-Dilger: Ich hatte im Wesentlichen drei große Aufgaben in meiner Verantwortung. Dazu gehörte erstens die Umstellung des Lehramts von Staatsexamen auf Bachelor und Master. Diesen Prozess haben wir mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg gemeistert, es entstand die gemeinsame School of Education „Freiburg Advanced Center of Education“ (FACE). Aus vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus Baden-Württemberg weiß ich, dass es anderswo längst nicht so gut wie bei uns läuft. Als nächstes kam die Systemakkreditierung. Im März 2020 erhielten wir die Erlaubnis, unsere Studiengänge selbst zu akkreditieren, anstatt dies wie bisher an eine Agentur auszulagern. Das war ein umfangreicher Prozess, der uns alle forderte – und der uns mehr Autonomie einbrachte. Und drittens und ganz aktuell: die Digitalisierung. Die Vorarbeit zu diesem Thema begann 2017 mit einer Umfrage an der Universität, und das interessanteste Ergebnis war, dass 80 Prozent der Lehrenden und Studierenden sich mehr digitale Angebote wünschten. Die Studierenden sprachen sich für asynchrone digitale Lehrformate aus, die Lehrenden baten um mehr Unterstützung und Anleitung. Dann begann der Co-Creation-Prozess, bei dem alle Statusgruppen gemeinsam eine Strategie für Digitalisierung in der Lehre erarbeiteten, die wir im Mai 2020 verabschiedet haben. Da steckten wir schon mitten in der Corona-Pandemie, ein historischer Zufall.

Juliane Besters-Dilger macht sich für hybride Lehrformate stark: „Das wäre ein riesiger Fortschritt, der vielen Studierenden helfen würde.“ Foto: Sandra Meyndt 

Gunther Neuhaus: Besonders gefreut habe ich mich über die Exzellenzcluster. Es war sehr schön zu sehen, wie sie sich von der ersten Idee bis zur Förderung in der Exzellenzstrategie entwickelt haben. Das war sicher einer der wichtigsten Erfolge, gemeinsam mit allen Sonderforschungsbereichen, die wir in den vergangenen acht Jahren eingeworben haben. Aber es kommen noch ein paar weitere hinzu: Es ist gemeinsam mit Prof. Dr. Bernd Kortmann gelungen, das Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) in ein strategisches Instrument für die gesamte Universität umzuwandeln, das überall akzeptiert ist. Wir haben gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft das Leistungszentrum Nachhaltigkeit und das INATECH, das Institut für Nachhaltige Technische Systeme, etabliert – diese Allianz zwischen einer Universität und Fraunhofer ist deutschlandweit einzigartig. Worauf ich aber besonders stolz bin, ist das Team, das ich in den vergangenen acht Jahren aufgebaut habe: aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich mit großer Überzeugung als Dienstleisterinnen und Dienstleister für die Forschung sehen. Ohne dieses tolle Team wäre das alles nicht möglich gewesen.

Was war für Sie die größte Herausforderung?

Juliane Besters-Dilger: Die Corona-Pandemie. Sie kam zum Schluss meiner Amtszeit und hatte enorme Auswirkungen auf Studium und Lehre. Wir haben alles in Bewegung gesetzt, um das Sommersemester 2020 so schnell wie möglich in den digitalen Raum zu verlagern. Die universitätsweite Umfrage aus diesem Sommer hat gezeigt, dass Lehrende und Studierende im Großen und Ganzen mit der Qualität der Umstellung zufrieden waren. Am 1. Juli veröffentlichte das Land Baden-Württemberg eine neue Corona-Verordnung, die die Präsenzlehre wieder erlaubte. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Oktober habe ich zusammen mit den Fakultäten, der Universitätsverwaltung und meinem Team unzählige Stunden lang daran getüftelt, wie wir im Wintersemester wieder Präsenzlehre ermöglichen könnten. Wir bauen  sogar Hörsäle um, damit zum Beispiel hybride Lehrformate stattfinden können. Diese eignen sich zum Beispiel zur Einbeziehung von Studierenden, die nicht vor Ort sind. Und dann kam der 1. November, und mit ihm eine neue Corona-Verordnung des Landes. Ich las darin den fatalen Satz: „Präsenzlehre wird wieder ausgesetzt.“ Die ganze Arbeit war für die Katz, wir mussten wieder auf digitale Angebote umsteigen. Ich hoffe jedoch, dass es im Sommersemester 2021 wieder einzelne Präsenzveranstaltungen geben kann.

Gunther Neuhaus: Die große Herausforderung waren die Anträge für die Exzellenzcluster. Ich habe unter anderem gelernt, dass man damit sehr früh anfangen muss – vielleicht waren wir etwas spät dran, und es wäre deshalb schön gewesen, jetzt vor dem Hintergrund der gewonnenen Erfahrungen noch einmal eine solche Antragsphase zu betreuen. Wir haben aber in meiner Amtszeit schon wichtige Schwerpunkte gebildet: einerseits fakultätsinterne, zum Beispiel in der Teilchenphysik, andererseits fakultätsübergreifende wie unsere acht Profilfelder. Darauf können neue Clusteranträge aufbauen.

Hat sich im Laufe der Jahre Ihr Bild von der Universität Freiburg verändert?

Juliane Besters-Dilger: Ganz sicher. Ich kannte die Universität ja schon ganz gut. 2007 bin ich nach 13 Jahren in Wien nach Freiburg zurückgekehrt. Damals hatte ich ungefähr das Bild: Die Universität Freiburg ist stark in den Geisteswissenschaften, Medizin und Jura. Erst als Prorektorin habe ich die gesamte Vielfalt kennengelernt, zum Beispiel die Technische Fakultät,  von der ich sehr beeindruckt bin. Auch das University College Freiburg kannte ich vorher nicht, und je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr war ich von den Ideen und den unglaublichen Studierenden überzeugt. Und schließlich lernte ich auch die wissenschaftliche und interne Weiterbildung kennen. Das ist ein Zukunftsfeld dieser Universität, das wir unbedingt weiterentwickeln müssen.

Gunther Neuhaus: Eigentlich hat sich mein Bild nicht verändert. Ich habe uns immer als Volluniversität gesehen, die sich in den vergangenen acht Jahren allerdings zur europäischen und globalen Universität entwickelt hat: mit Eucor – The European Campus ebenso wie mit ihren weltweiten Schlüsselpartnern. Aber das alles war im Grunde schon in der Universität angelegt. Wir als Rektorat mussten es nur noch anstoßen und nach vorne bringen.

Haben Sie manchmal sehnsüchtig an die Zeit in der Forschung zurückgedacht und sich in die Bibliothek oder ins Labor zurückgewünscht?

Juliane Besters-Dilger: Bei mir endete die Forschung nicht direkt mit dem Amtsantritt. Ich habe in den ersten zwei Jahren noch Forschungsprojekte zu Ende geführt und eine Zeit lang auch Promovierende betreut und Abschlussprüfungen abgenommen. Der Spagat zwischen Prorektorin und Forscherin war in dieser Zeit besonders anstrengend, das habe ich dann auch nicht vermisst. Was mir aber immer sehr gefehlt hat, sind die Lehre und der Kontakt zu den Studierenden. Die Freiburger Slavistik ist ein kleines Fach, wo es persönlich und herzlich zugeht. Manchmal treffe ich noch Studierende auf der Straße, die sagen dann: „Frau Besters-Dilger, wann kommen Sie uns denn mal wieder besuchen?“ Jetzt gibt es auch wieder einen Anlass für ein Wiedersehen: Ich kehre ab Dezember 2020 in die Forschung zurück und möchte  in der Slavistik an einem Projekt über historische Sprachwissenschaft mitarbeiten.

Gunther Neuhaus: Ganz ehrlich: zurückgewünscht ja, aber nicht so sehr ins Labor. Gefehlt hat mir in den ersten paar Jahren definitiv die Lehre, weil ich sehr gerne Hochschullehrer war und viele Vorlesungen und Praktika betreut habe. Eine Rückkehr ins Labor hat sich aber schon nach ein, zwei Jahren als unrealistisch herausgestellt. Wenn man in den Naturwissenschaften in seinem Fach nicht ständig liest und am Ball bleibt, ist man draußen. Daher war ich froh über meine Entscheidung, nur für die letzten Jahre vor der Pensionierung ins Rektorat zu gehen.

Mut zur regelmäßigen Inventur: Gunther Neuhaus plädiert dafür, dass sich die Universität Freiburg immer wieder neu fragt, wo sie besonders stark ist und welches Profil sie ausbilden will. Foto: Sandra Meyndt 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Lehre respektive Forschung an der Universität Freiburg?

Juliane Besters-Dilger: Ich wünsche mir, dass die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie nicht verloren gehen, sobald wir wieder in den Normalmodus wechseln. Ideal wäre es, wenn wir es schaffen, die besten Aspekte aus der Präsenzlehre und der digitalen Lehre zu kombinieren. Ich denke da an Hybridformen, die es zum Beispiel ermöglichen, dass Studierende, die nicht vor Ort sind, trotzdem ohne Einschränkungen an einem Seminar teilnehmen können. Das wäre ein riesiger Fortschritt, der vielen Studierenden helfen würde.

Gunther Neuhaus: Ich wünsche mir für die Forschung, dass sie sich auf ihrem Weg weiterentwickelt, Schwerpunkte setzt und sich immer wieder neu fragt, wo sie besonders stark ist und welches Profil sie ausbilden will. Und ganz besonders wünsche ich mir, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften noch mehr und noch enger mit den Natur- und Technikwissenschaften zusammenarbeiten. Darin liegt aus meiner Sicht die Zukunft.