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„Die Stellungnahme des Senats zu Hilfskräften ist ein super Ergebnis“

Maya Rollberg und Jan Rahner, Studierendenvertreter*innen im Senat der Universität Freiburg, ziehen nach einem Jahr Bilanz

Freiburg, 16.11.2022

Was können Studierende im Senat, dem zentralen Gremium der Universität, bewirken? Welche Themen sind ihnen wichtig? Was für Erfahrungen machen sie? Maya Rollberg, 26, und Jan Rahner, 21, waren von Oktober 2021 bis September 2022 Senatsmitglieder für die Gruppe der Studierenden. Rollberg war Sprecherin der Gruppe, Rahner ihr Stellvertreter. Beide wurden über die Liste der Juso-Hochschulgruppe gewählt. Rollberg studiert Environmental Governance im Master, Rahner Jura. Gemeinsam haben sie eine Stellungnahme zu Arbeitsbedingungen von Hilfskräften in den Senat eingebracht. Thomas Goebel hat mit ihnen gesprochen.


Maya Rollberg und Jan Rahner. Fotos: Dorina Köbele-Milas und Ludwig Striet

Frau Rollberg, Herr Rahner, sie haben ein Jahr im Senat der Universität Freiburg die Studierenden vertreten. Was ist Ihr Resümee?

Rollberg: Die internen universitären Strukturen sind komplex, man braucht erst mal Zeit, sich einzuarbeiten und die Menschen aus den anderen Statusgruppen im Senat kennen zu lernen. Das war gar nicht so einfach, weil wir im vorigen Herbst nach der ersten Sitzung wegen Corona wieder auf Videokonferenzen umsteigen mussten.

Rahner: Ja, unsere Amtszeit war noch immer ein Corona-Krisenjahr. Ich würde trotzdem eine positive Bilanz ziehen – wir haben als Studierende einige Anliegen durchbringen können, etwa bei der Wahlordnung, die geändert wurde, da ging es um eine paritätischere Besetzung von Gremien. Und vor allem hat der Senat mit großer Mehrheit eine von uns eingebrachte Stellungnahme verabschiedet, in der die Universität Freiburg die Landespolitik auffordert, die Arbeitsbedingungen von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften zu verbessern. Das finde ich ein super Ergebnis.

Rollberg: Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Senat ein Gremium mit 43 Mitgliedern ist, von denen nur fünf stimmberechtigte Studierende sind.

Rahner: Allein bekommt man seine Anliegen also nicht durch. Wenn man will, dass der Senat so eine Stellungnahme verabschiedet, braucht man Bündnisse, auch mit den Professor*innen, die die Mehrheit in dem Gremium stellen.

Was hat Sie dazu bewogen, eine Stellungnahme zu den Arbeitsbedingungen der Hilfskräfte in den Senat einzubringen?

Rahner: Studentische Arbeitsbedingungen waren für uns schon vor unserer Wahl ein Thema, es gibt ja auch bundesweit die TVStud-Kampagne für einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte. Wir wollten das als konkretes Thema in die universitären Gremien einbringen. Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte machen etwa ein Viertel der Beschäftigten an der Universität aus, beim wissenschaftlichen Personal sogar rund 40 Prozent. Aber sie sind schlechter gestellt als alle anderen Beschäftigtengruppen.

Welche Schlechterstellungen meinen Sie konkret?

Rahner: Das Gehalt orientiert sich am Mindestlohn. Da gab es jetzt eine Erhöhung, gering ist es aus unserer Sicht auch weiterhin. Das ist aber gar nicht das Hauptanliegen unserer Stellungnahme. Hilfskräfte sind nicht in einen Tarifvertrag eingebunden und haben daher etwa einen deutlich geringeren Urlaubsanspruch, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist schlechter ausgestattet, es gibt keine Zeitzuschläge für Wochenend- oder Nachtarbeit, dazu kommen kurzzeitige Befristungen. Schlechterstellungen gibt es also überall dort, wo Tarifverträge über gesetzliche Mindeststandards hinausgehen – davon profitieren Hilfskräfte eben nicht. Wir setzen uns daher für eine Anpassung der Arbeitsbedingungen ein.

Sie haben beide auch als studentische Hilfskräfte gearbeitet, wie waren Ihre persönlichen Erfahrungen?

Rollberg: Ich habe dabei immer sehr gute Erfahrungen gemacht, was die Zusammenarbeit und Wertschätzung angeht. Trotzdem habe auch ich immer wieder an Kleinigkeiten gemerkt, dass man strukturell nicht voll integriert ist – zum Beispiel gelangen Infos des Personalrats oftmals nur spärlich an Hilfskräfte. Dieser ist in seinen Vertretungsbefugnissen bei Hilfskräften auch deutlich eingeschränkt.

Rahner: Oder beim Corona-Bonus: Ich würde behaupten, ohne Hilfskräfte wäre die Online-Lehre an vielen Stellen zusammengebrochen. Trotzdem gab es für sie keinen Corona-Bonus, weil der nur für tarifvertraglich Beschäftigte ausgehandelt wurde. Das ist ungerecht. Die Schlechterstellung hat auch einen sozialen Aspekt: Studierenden, die auf existenzsichernde Arbeit angewiesen sind, können sich einen HiWi-Job oft gar nicht leisten. Damit fehlt ein möglicher Einstieg in eine wissenschaftliche Karriere. Und der Universität geht Nachwuchs verloren.

Die Stellungnahme allein verändert ja die Arbeitsbedingungen von Hilfskräften noch nicht. Wie geht es jetzt weiter?

Rahner: Die Stellungnahme des Senats ist nach unserer Kenntnis der erste öffentliche Appell einer Universität an das Land, die Hilfskräfte besser zu stellen. Wir hoffen, dass das dem Thema neuen Schwung gibt. Die Landesregierung hätte die Möglichkeit, einen Tarifvertrag auszuhandeln oder den Mustervertrag des Wissenschaftsministeriums anzupassen, der den Arbeitsverträgen zugrunde liegt.

Rollberg: Die finanzielle Lage der Universitäten ist insgesamt prekär, alle versuchen verständlicherweise, ihre Lehrstuhletats zu schützen. Es muss insgesamt mehr Druck aufs Land ausgeübt werden, die Universitäten besser zu finanzieren. Dann sind auch die Chancen besser, die Situation der Hilfskräfte zu verbessern. Die Stellungnahme lädt ausdrücklich die anderen Universitäten im Land ein, sich den Forderungen anzuschließen.

Wie waren denn die ersten Reaktionen auf Ihre Initiative?

Rollberg: In den ersten Gesprächen mit den anderen Statusgruppen gab es zunächst an einigen Stellen Zurückhaltung. Da haben wir gemerkt, dass wir genauer schauen müssen, wer welche Ziele und Interessen hat. In Gesprächen sind wir dann Stück für Stück zu einem gemeinsamen Ergebnis und zu einer runden Formulierung gekommen, die eine große Mehrheit mittragen konnte. Das war eine gute Erfahrung.

Rahner: Wir haben auch eng mit Vertreter*innen aus dem Personalrat zusammengearbeitet, das war sehr wichtig für uns. Und es gab einige starke Stimmen von Professor*innen, die uns unterstützt haben.

Welche Erfahrungen haben Sie grundsätzlich bei der Zusammenarbeit mit den anderen Statusgruppen im Senat gemacht?

Rollberg: Das ist, wie schon angedeutet, richtige politische Arbeit: Es geht um unterschiedliche Interessen und Ansichten und die Frage, ob und wie man zusammenkommen kann. In so einem Gremium gibt es natürlich sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, ich fand es spannend zu lernen, wie man bestimmte Themen angehen und sich Gehör verschaffen kann.

Und wie macht man das?

Rollberg: Indem man geschlossen auftritt, sich sehr gut vorbereitet, statt nur spontane Gefühlsausbrüche zu teilen, und sich von anderen Meinungen nicht einschüchtern lässt. Dann kann man Dinge auch gemeinsam für die ganze Universität erarbeiten.

Rahner: Nach meiner Beobachtung gibt es zwar oft zunächst mal eine Orientierung an der eigenen Statusgruppe, aber je nach Themen bilden sich dann andere Mehrheiten über die Statusgruppen hinweg, zum Beispiel bei Gleichstellungs- und Paritätsfragen. Im Senat gibt es keine Fraktionen wie in einem Parlament, dort sitzen viele Individuen mit ihren eigenen Meinungen.

Welchen Rat würden Sie Studierenden geben, die sich hochschulpolitisch engagieren wollen?

Rollberg: Das Wichtigste finde ich, dass man sich dafür interessiert, welche Probleme und Themen es an unserer Hochschule gibt – also nicht nur für einen selbst, sondern für alle Studierenden oder auch die gesamte Uni. Sich dann zu organisieren und gut einzuarbeiten kostet zwar relativ viel Energie und Zeit, ist aber sinnvoll. Das soll jetzt niemanden abschrecken. Wenn man auf seine eigenen Erfahrungen vertrauen, sich vernetzt und Unterstützung bekommt, kann man in einem Gremium wie dem Senat als Stimme der Studierenden viel bewegen.

 

Stellungnahme des Senats der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zu den Arbeitsbedingungen studentischer und wissenschaftlicher Hilfskräfte