Brüssel, New York, Schwarzwald
Freiburg, 11.02.2020
Nach knapp zwei Jahren ohne administrative Spitze hat das Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) wieder eine Geschäftsführerin: Dr. Annette Doll, die auf eine Karriere im nationalen und internationalen akademischen Betrieb zurückblickt, hat ein besonderes Verständnis von Wissenschaftsmanagement – und viele Ideen, wie sich das Freiburger Forschungskolleg weiterentwickeln lässt.
„Ich sehe mich als jemand, der Menschen zusammenbringt, Ideen mit entwickelt und Forschende begleitet“: So beschreibt Annette Doll ihre neue Aufgabe. Foto: Thomas Kunz
Sie interessiert sich für Menschen. Besonders für solche, die denken, forschen und etwas bewegen. Davon zeugt auch das Büro im Erdgeschoss des FRIAS der Albert-Ludwigs-Universität, das Annette Doll im Januar 2020 frisch bezogen hat. Porträts von Dichtern und Denkerinnen säumen die Fensterbank: Jean-Paul Sartre scheint den Blickkontakt zu Hannah Arendt zu suchen, Laurie Anderson schaut nachdenklich in die Ferne, dazwischen steht der Bildband „Humans of New York“ von Brandon Stanton und ein Familienfoto.
Nichts lässt mehr darauf schließen, dass dieses Büro fast zwei Jahre leer stand. So lange ist es her, dass Dolls Vorgänger aus der FRIAS-Administration ausschied. Die neue Geschäftsführerin freut sich auf die anspruchsvolle Aufgabe: Das FRIAS sei ein gut aufgestelltes Institut mit einer eingespielten Verwaltung und hochkarätigen Forschenden. Nun gelte es, im engen Austausch mit dem Direktorium, den Kolleginnen und Kollegen aus den Fakultäten sowie den Partnerinstitutionen die Themen weiterzuentwickeln, die das FRIAS prägten: Menschenrechtsforschung, verantwortliche künstliche Intelligenz, Wissenschafts- und Technikreflexion, Forschung mit Bezug zu Afrika. Auch die Programmlinien und Förderformate am Institut will Doll weiter ausbauen – und offen für Neues bleiben. Dazu bietet sich jetzt eine optimale Gelegenheit: Im Dezember 2019 entschied der baden-württembergische Landtag, das Forschungskolleg fest im Haushalt zu verankern. Nun, da die Finanzierung auf Dauer gesichert ist, geht es darum, die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Zusammenbringen und begleiten
Mit ihrem Verständnis von Wissenschaftsmanagement ist die Literaturwissenschaftlerin bestens dafür gerüstet. „Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck ‚facilitator‘“, sagt Doll. „Ich sehe mich als jemand, der Menschen zusammenbringt, Ideen mit entwickelt und Forschende begleitet.“ Die Erfahrungen, die sie zuvor in der Koordinierungsstelle der europäischen Wissenschaftsorganisationen in Brüssel, im Nordamerika-Büro der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in New York und im Bonner Hauptquartier der DFG gesammelt hat, wird Doll nun auch im FRIAS einbringen.
Als besonders prägend empfindet sie dabei ihre Erfahrungen aus dem nordamerikanischen Wissenschaftsbetrieb. Jenseits des Atlantiks sei der akademische Austausch von Respekt für das Gegenüber und dessen Ideen geprägt, institutionelle Hierarchien spielten dagegen kaum eine Rolle. Beeindruckt ist Doll auch von der kulturellen und sozialen Vielfalt, die ihr in der Forschungslandschaft in den Staaten begegnet ist: „Was ich dort kennengelernt habe, ist gelebte Integration. Ich denke, auch hier hat das FRIAS einen wichtigen Auftrag.“
Menschen zusammenzubringen, und das auch über die Universität hinaus, ist ein zentrales Anliegen, dem sich Doll nun widmen möchte. „Ob Globalgeschichte, künstliche Intelligenz oder Umweltwissenschaften: Alle am FRIAS angesiedelten Forschungsprojekte und Forschungsfragen haben eine hohe Relevanz für unsere Gesellschaft und sind für die Studierenden und die Stadtöffentlichkeit von großem Interesse.“
Austausch mit Wissenschaftlern
Was reizt jemanden wie Annette Doll, die ihre bisherige Karriere in internationalen Großorganisationen verbracht hat, daran, ein vergleichsweise kleines Institut im beschaulichen Freiburg zu leiten? In Bonn, wo sie als Programmdirektorin forschungsorientierte Informationsinfrastrukturen auf- und ausbaute, habe sie mit wunderbaren Kollegen arbeiten dürfen, doch etwas habe ihr gefehlt: „In meiner letzten Position hatte ich erstmals weniger mit der Forschung selbst zu tun – ich vermisste den Austausch mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.“
Auf die Stellenausschreibung aus Freiburg stieß sie ganz zufällig, war aber sofort Feuer und Flamme. Ein spontanes Telefonat mit FRIAS-Direktor Prof. Dr. Bernd Kortmann bestätigte Doll darin, sich auf die Stelle zu bewerben. Und auch ein persönliches Moment gibt es: Die Familie ihres Mannes besitzt ein Haus im Schwarzwald, das die beiden nun renovieren. „Familie und Freunde haben immer gelacht, wenn wir gesagt haben: ‚Irgendwann ziehen wir nach Freiburg.‘ Nach so vielen Stationen in aller Welt ging es nun also doch in den Schwarzwald.“
Verena Spohn
Freiburg Institute for Advanced Studies