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Zuhören, streiten, Punkte sammeln

Das Programm des Studium generale startet im Sommersemester mit neuen Angeboten

Freiburg, 19.03.2018

Zuhören, streiten, Punkte sammeln

Foto: Baschi Bender

Seit mehr als 70 Jahren präsentiert die Universität Freiburg im Studium generale universitäres Wissen für eine breite Öffentlichkeit. Ursprünglich als Vorkurs entwickelt, der jungen Menschen in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg den Einstieg ins Studium erleichtern sollte, ist es mittlerweile zu einem breiten Angebot aus Vortragsreihen und Kursen angewachsen. Im Oktober 2017 hat der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Werner Frick die Leitung der Einrichtung übernommen. Welche Bedeutung das Studium generale an der Universität Freiburg hat und welche neuen Angebote es im Sommersemester 2018 geben wird, hat er Sonja Seidel erzählt.


Volles Haus: Die Samstags-Uni füllt jede Woche den Hörsaal. Foto: Baschi Bender

Herr Frick, warum haben Sie sich dazu entschlossen, die Leitung des Studium generale zu übernehmen?

Werner Frick: Ich bin schon lange von der Arbeit des Studium generale in Freiburg – das ohnehin das älteste in Deutschland mit dem mittlerweile größten Angebot ist – sehr beeindruckt und war auch länger schon, zum Beispiel bei mehreren Samstags-Unis, aktiv involviert. Dazu kommt, dass ich es heute wichtiger als je zuvor finde, dass sich die Wissenschaft nicht im Elfenbeinturm verbarrikadiert und nur in ihren hermetischen Fachjargons kommuniziert. Sie sollte der breiten Öffentlichkeit erklären, was sie treibt, und das nicht nur, weil sie mit öffentlichen Geldern arbeitet.

Hat die Wissenschaft eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft?

Ja, auf jeden Fall. Es erscheint mir wichtig, dass die Wissenschaft die öffentlichen Diskurse mitbestimmt und sich zu Fragen äußert, die uns allen unter den Nägeln brennen. Besonders in diesen desorientierten Zeiten, in denen es so viel Skepsis gegenüber der Wissenschaft gibt und wir es mit viel populistischem Gerede, Pseudowahrheiten und Verschwörungstheorien zu tun haben. Die Wissenschaft muss dem ihre eigene Besonnenheit, nämlich rationale Welterklärungsmodelle in verständlicher Sprache und transparenten Begrifflichkeiten, entgegen stellen. Das Studium generale ist ein guter Ort dafür. Und die Resonanz auf unsere Angebote in der gebildeten und aufgeschlossenen Freiburger Stadtgesellschaft zeigt, dass es dafür ein Bedürfnis gibt: Insgesamt 14 Vorlesungen gab es im vergangenen Semester allein in der Samstags-Uni zum Thema „500 Jahre Reformation: Luther und die Folgen“, und jedes Mal war der große Hörsaal 2004 brechend voll besetzt.

Welche neuen Formate haben Sie für das Sommersemester geplant?

Im Sommersemester startet ein neues Format, auf das ich mich besonders freue: „Bücher, über die man spricht“ ist ein Forum für die vielstimmige Debatte und den argumentativen Schlagabtausch über neu erschienene Sachbücher, die in Anwesenheit der Autorinnen und Autoren diskutiert werden. Damit wollen wir zeigen, dass Wissenschaft nicht nur ehrfürchtiges Zuhören ist, sondern auch lebendige Auseinandersetzung und kultivierter Streit. Ich kenne diese Art von Veranstaltung aus meiner Zeit in Stanford. Das Format hieß dort „Author meets critics“ und war ein Riesenerfolg. Hier werden wir kurz vor dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft zum Beispiel über Jürgen Kaubes neuen Buch-Essay „Lob des Fußballs“ diskutieren, mit einigen professoralen Fußball-Aficionados, aber auch mit Volker Finke, dem langjährigen Coach des SC Freiburg. Eine weitere Tradition, die wir im Sommersemester wiederaufleben lassen wollen, sind Gespräche zu aktuellen Inszenierungen im Stadttheater Freiburg. Teilnehmen werden daran die Dramaturginnen und Dramaturgen, Schauspielerinnen und Schauspieler, Regisseurinnen und Regisseure ausgewählter Stücke des Sprech- und Musiktheaters ebenso wie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und professioneller Kritik. Und das Publikum ist eingeladen, sich einzumischen.


Das Studium generale ist ein guter Ort, um mit der Öffentlichkeit in Diskurs zu treten, findet Werner Frick. Foto: Klaus Polkowski

Wie soll sich das Studium generale künftig entwickeln?

Wir können noch besser darin werden, die Studierenden einzubeziehen. Sie müssen seit der Bologna-Reform unter erheblichem Zeitdruck studieren und sich dabei sehr zweckrational und ‚fokussiert’ verhalten – was auch seine bedauerlichen Seiten hat. Ich finde die Vorstellung, durch ein Studium zu hecheln und dabei weder nach links noch nach rechts zu gucken, einigermaßen borniert. Hier können wir gegensteuern, indem wir den Studierenden für den regelmäßigen Besuch geeigneter horizonterweiternder Veranstaltungen des Studium generale ECTS-Punkte vergeben, die sie sich in den Wahl- oder Optionsmodulen ihrer Studiengänge, die es ja zum Glück vielfach gibt, anrechnen lassen können. Ich bin derzeit mit den Studiendekaninnen und -dekanen sowie den Studiengangsbeauftragten verschiedener Fakultäten im Gespräch darüber, wie wir das konkret umsetzen können. Gerne würde ich auch eine „Junge Freiburger Universität“ ins Leben rufen, eine Variante der „Kinder-Uni“, wie es sie an anderen Universitäten gibt, die bei uns allerdings eher die Altersgruppe der 12- bis 16-Jährigen ins Auge fassen würde. Ich denke, wir können Jugendlichen damit eine gewisse Schwellenangst nehmen und sie dafür interessieren, was eine Universität ist und was sie kann.

Was ist für Sie die Idee des Studium generale?

Was das Studium generale immer sein wollte, war eine komplementäre Bereicherung zum engen, fachlichen Studium. Es wollte schon immer über den Tellerrand einzelner Fachkulturen hinausweisen und dabei zeigen, dass es wichtige Themen und komplexe Fragestellungen gibt, für die keine einzelne Disziplin einen Alleinvertretungsanspruch oder ein Wissensmonopol besitzt.

 

Anmeldung für Kurse

Ab dem 23. März 2018 können sich Interessierte für die Kurse des Studium generale im kommenden Sommersemester anmelden.

Informationen und Programm