Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin lehren & lernen Von allen Seiten betrachtet

Von allen Seiten betrachtet

Im Präparierkurs lernen Studierende trotz Pandemie den menschlichen Körper kennen

Freiburg, 04.03.2021

Wie verlaufen die Blutgefäße im Unterarm? Wie sieht eine Leber aus? Im Präparierkurs am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Freiburg untersuchen Studierende am echten Körper dessen Aufbau, die Funktionen verschiedener Teile sowie anatomische Variationen. Die angehenden Medizinerinnen und Mediziner machen diese Erfahrungen idealerweise praktisch und vor Ort. Aufgrund der Coronapandemie musste das Institut allerdings ein neues Konzept für den Präparierkurs entwickeln – und erhielt dabei abteilungsübergreifende Unterstützung.


Anatomische Modelle veranschaulichen den Aufbau und die Strukturen des Körpers. Abweichungen und Details müssen allerdings am echten Körper untersucht werden. Fotos: Jürgen Gocke

Manche Vorhaben erfordern eine lange Vorbereitungszeit. Und trotzdem kommt manchmal alles anders als geplant. In jedem Wintersemester findet am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Freiburg der Präparierkurs statt, den Studierende der Medizin in ihrem dritten Semester belegen. Dort erhalten sie schon zu Beginn ihres Studiums einen praktischen Einblick in den menschlichen Körper. Doch wegen der Coronapandemie drohte der Kurs, wie andere universitäre Veranstaltungen, im Wintersemester 2020/21 auszufallen. „Bei unserer Planung im Laufe des Jahres standen wir vor zwei wesentlichen Herausforderungen: den Präparierkurs in Präsenz zu veranstalten und ihn sicher für alle Beteiligten zu machen“, sagt Dr. Stephan Heermann, Leiter der Prosektur. Die Veranstaltung fand schließlich statt: mithilfe von digitalen Lehrmethoden sowie unter Einhaltung strenger Abstands- und Hygieneregeln.

FFP2-Maske und gute Luft

Den Präparierkurs belegen insgesamt etwa 450 Studierende pro Semester. Bislang waren jeweils bis zu 24 Studierende in zwei Gruppen dafür verantwortlich, den Leichnam einer Spenderin oder eines Spenders bis ins Detail zu untersuchen. Zusammen mit der Abteilung Sicherheit der Universität Freiburg passten Heermann und Prof. Dr. Eleni Roussa von der Abteilung für Molekulare Embryologie den Kurs mit einem neuen Konzept an die erschwerten Bedingungen in der Pandemie an. Beispielsweise waren nur noch sechs Personen gleichzeitig für einen Spender verantwortlich. Die Studierenden wechselten sich zudem in Schichten vormittags und nachmittags ab, um so die Zeit zu verringern, die sie im gleichen Raum verbrachten.

In den Umkleideräumen des Instituts halten sich zu Kurszeiten üblicherweise bis zu 100 Studierende gleichzeitig auf, um sich für das Präparieren vorzubereiten. Ein Umstand, den es in der Pandemie zu umgehen gilt. „Die Räume des Instituts sind mit einem der besten Lüftungssysteme an unserer Universität ausgestattet. Der Kurs erfordert dennoch eine gewisse körperliche Nähe, weshalb wir alle Beteiligten zusätzlich mit FFP2-Masken ausstatteten“, erklärt Dr. Carsten Kallfaß von der Abteilung Sicherheit. Auch Prof. Dr. Hartmut Hengel, Leiter des Instituts für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg, und Dr. Daniel Steinmann, Leitender Betriebsarzt, stellten dem Team ihr Wissen zur Verfügung, um die Veranstaltung so sicher wie möglich zu machen. Positive Rückmeldung habe es auch vom Gesundheitsamt gegeben. „Unsere Ausbildung hat mit dem neuen Konzept keinesfalls an Qualität verloren. Zwar müssen wir einige Aspekte aufgrund der kleineren Kurse häufiger erklären, dafür können wir aber auch besser mit den Studierenden interagieren“, betont Heermann.


Eine Geste der Dankbarkeit: Im Sommersemester organisieren die Studierenden üblicherweise eine Trauerfeier, um der Spender zu gedenken. (Anmerkung der Redaktion: Das Foto wurde vor der Coronapandemie aufgenommen). Foto: Thomas Kunz

Zwischen Präpariersaal und ILIAS

Zudem erweiterten Stephan Heermann und seine Kolleginnen und Kollegen das Angebot um digitale, computergestützte Lernformate wie klinische Fallbeispiele oder Präparationsvideos, die die Studierenden über ILIAS zu Hause anschauen konnten. Das sei ein wichtiges Angebot, „allerdings war uns besonders wichtig, dass die Studierenden räumliche Zusammenhänge vor Ort begreifen und Organe sowie andere Teile des menschlichen Körpers von allen Seiten betrachten“, erläutert Heermann.

Ihre Brille habe bei der schweißtreibenden Arbeit wegen der FFP2-Maske ständig beschlagen, erzählt die Medizinstudentin Charlotte Agostini rückblickend: „Die Masken mussten wir regelmäßig wechseln. Und damit alles reibungslos ablief, hatten wir uns beim Umziehen, Utensilien holen und Hände waschen an feste Regeln zu halten.“ Sobald alles vorbereitet war, warteten im Präpariersaal zehn Spenderkörper auf ihre Gruppen. Svenja von Riegen, die ebenfalls an dem Kurs teilgenommen hat, empfand die Arbeit in den kleinen Gruppen als sehr angenehm: „Trotz der schwierigen Bedingungen habe ich beim Präparieren eine echte Vorstellung vom menschlichen Körper und seinem Aufbau erhalten.“ Auch wenn sie und ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen sich darüber einig seien, dass der Präparierkurs gut umgesetzt wurde, vermisste Agostini eins doch sehr: „Viele Studierende, die ich im ersten Semester kennengelernt habe, konnte ich auf einmal nicht mehr sehen.“

Eine Geste der Dankbarkeit

Im Anschluss an jeden Präparierkurs werden die Spenderkörper kremiert und im darauffolgenden Sommersemester auf dem städtischen Friedhof in Urnen bestattet. Nach der Beisetzung veranstalten die Studierenden eine ökumenische Trauerfeier im Freiburger Münster, die sie zudem musikalisch begleiten. Bereits die 2020 geplante Trauerfeier musste aufgrund der Pandemie ausfallen, und auch die kommende Trauerfeier wird nicht stattfinden können. „Üblicherweise würden die Studierenden jetzt schon fleißig organisieren und ein Chorkonzept aufstellen“, sagt Heermann und zeigt sich doch zuversichtlich: „Wir werden beide Veranstaltungen in Zukunft sicher nachholen, um unsere Dankbarkeit gegenüber den Spenderinnen und Spendern sowie ihren Angehörigen auszudrücken.“

Patrick Siegert

 

Video: Präparierkurs