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Raus aus dem Dornröschenschlaf

Universitätssammlungen schlummern meistens unbeachtet vor sich hin – dabei könnte die Lehre von ihnen profitieren

Freiburg, 04.12.2017

Raus aus dem Dornröschenschlaf

Foto: Manfred Zahn

Ob Münzen, Mineralien, ausgestopfte Tiere oder in Formaldehyd eingelegte Hirne: Universitäten verfügen über viele Sammlungen – doch oft fehlt es an Personal und Know-how, um sie für die Lehre nutzbar zu machen. Anfang Dezember 2017 findet in Berlin eine Tagung des Vereins German U15, einem Zusammenschluss von 15 großen, forschungsstarken Universitäten in Deutschland, statt. Im Mittelpunkt stehen die Sammlungen der Universitäten sowie ihre Potenziale für die Lehre. Dr. Christian Wacker, Leiter der Weiterbildung „museOn“, die sich mit moderner Museumsarbeit beschäftigt, und Dr. Jens-Arne Dickmann, Kurator der Archäologischen Sammlung, werden die Universität Freiburg vertreten. Eva Opitz hat Wacker gefragt, welchen Wert Sammlungen für die Lehre haben könnten.


Werkstatt, nicht Schaufenster: Jens-Arne Dickmann erarbeitet zusammen mit Studierenden Ausstellungen, die die Archäologische Sammlung einer großen Öffentlichkeit präsentieren. Foto: Manfred Zahn

Herr Wacker, wie sind Sammlungen an Universitäten überhaupt entstanden?

Christian Wacker: Bei den alten, traditionsreichen Universitäten stand die Wissenschaft im Mittelpunkt: Professorinnen und Professoren mit einem Interesse an einem speziellen Thema waren auf der Suche nach etwas Neuem, Kuriosem. Die Lehre kam dann an zweiter Stelle. Heute werden diese Sammlungen kaum noch weiter geführt. Sie haben noch einen nostalgischen Wert, aber für moderne Museumsarbeit taugen sie in ihren jetzigen Formen nicht.

Heißt das, dass die Sammlungen für die Universitäten keinen Wert mehr haben?

Das stimmt keineswegs. Die Sammlungen sollten möglichst schnell aus ihrem Dornröschenschlaf rausgeholt werden. Ich bin davon überzeugt, dass dort echte Schätze gehoben werden könnten. Jedoch ist es sehr aufwendig, eine Sammlung für die Lehre zu nutzen oder in Ausstellungen sichtbar zu machen. Es fehlt das Personal, um sie zu betreuen, und meist ist das Know-how auch nicht vorhanden. Die Betreuenden sind ja Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und keine Museumsfachkräfte. Im Gegensatz zu Museen haben Universitäten zudem in der Regel keinen Etat, um weitere Objekte zu erwerben. Wer eine Sammlung erweitern will, ist auf Spenden, Sponsoren oder Fördervereine angewiesen.

Welche Rolle können Sammlungen dennoch in der Lehre spielen?

Ein gutes Bespiel ist die Archäologische Sammlung der Universität Freiburg. Ihr Kurator Dr. Jens-Arne Dickmann wird sie bei der Tagung in Berlin auch als ein Best-Practice-Beispiel vorstellen. Gemeinsam mit den Studierenden entwickelt er Konzepte für Ausstellungen, um die Sammlung öffentlich sichtbar zu machen. Er lässt die angehenden Archäologinnen und Archäologen Kataloge schreiben und die Präsentation umsetzen. Das ist Museumsarbeit in der Lehre, und dabei entsteht eine echte Lehrsammlung.

Sehen Sie auch bei anderen Sammlungen Potenzial?

Aber sicher. Jede Sammlung hat in einem bestimmten Kontext einen Wert für sich. Zum Beispiel: Aus der rund 100 Jahre alten Sammlung des Volksliedarchivs ist nach der Übernahme durch die Universität das Zentrum für populäre Kultur und Musik entstanden. Aus den Liedtexten lassen sich Schlüsse auf die Alltagskultur der jeweiligen Epoche ziehen – dadurch entsteht ein Abbild der Gesellschaft über Jahrzehnte. Solche Sammlungen sollten noch stärker in die Lehre integriert werden.


Universitäre Sammlungen haben oft einen schweren Stand, sagt Christian Wacker: Es fehlt das richtig ausgebildete Personal, um sie zu betreuen. Zudem steht in der Regel kein Etat zur Verfügung, um neue Objekte anzuschaffen. Foto: Jürgen Gocke

Was passiert mit den Sammlungen, die in Vitrinen oder Schubladen eher unbeachtet bleiben?

Die allgemeinen Empfehlungen zur Bewahrung von Sammlungen, wie sie der International Council of Museums (ICOM) vorgibt, sollten respektiert werden, damit die Objekte nicht zu Schaden kommen. Es ist eine ernsthafte Aufgabe, zum Beispiel Papier richtig zu lagern und Textilien sowie biologische Präparate wie ausgestopfte Tiere oder Käfersammlungen vor Mottenfraß zu bewahren. Schließlich sind die Sammlungen Eigentum der Universität und damit auch Allgemeingut der Gesellschaft.

Was wäre zu tun?

Ein Anfang wäre zum Beispiel, dem Uniseum einen großen Ausstellungsraum zu verschaffen. Mit einem großen Saal hätten die Fachbereiche sicher mehr Interesse daran, sich mit den Sammlungen zu beschäftigen, ihren Wert für die Lehre abzuschätzen und sie öffentlich zu machen.

Was versprechen Sie sich von der Tagung?

Wir kommen mit vielen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt, die ähnliche Themen bearbeiten. Einige von ihnen haben Netzwerke aufgebaut, die sich über die Disziplinen hinweg mit universitären Sammlungen beschäftigen. Zur Sprache kommen außerdem Kooperationen von wissenschaftlichen Sammlungen mit Museen oder städtischen Einrichtungen. Ich halte solche Kooperationen für wünschenswert.

 

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