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Mindset für Mathe

Wie das Umfeld beeinflusst, ob Lehrkräfte in der Oberstufe gut erklären können

Freiburg, 09.05.2017

Mindset für Mathe

Foto: Woodapple/Fotolia

Was macht eigentlich eine gute Lehrkraft aus? Die Doktorandin Mona Weinhuber vom Institut für Erziehungswissenschaft hat hierzu einen Versuch mit Lehrenden und Studierenden gemacht. Das Ergebnis: Die Fähigkeit, Sachverhalte gut erklären zu können, hängt nicht nur vom Fachwissen des Einzelnen ab.

Mathematik wird in der Schule oft als ein Werkzeugkasten an Formeln betrachtet, die es in Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu vermitteln gilt. Das kann Lehrer daran hindern, verständlich zu erklären, sagt Mona Weinhuber.
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Forschende erklären besser als Lehrerinnen und Lehrer. Zu diesem überraschenden Ergebnis kamen Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor einigen Jahren. Als Ursache dafür vermuteten sie das ausgeprägtere und besser vernetzte Fachwissen. Doch ist es wirklich der Wissensstand, der für erfolgreiche und lernförderliche Erklärungen ausschlaggebend ist?

Wenn man Schülerinnen und Schüler fragt, was einen guten Lehrer auszeichnet, antworten sie, er müsse gut erklären können. „Das ist eine Grundkompetenz von Lehrkräften, bei der aber noch viele Elemente unerforscht sind", berichtet die Doktorandin Mona Weinhuber vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Freiburg. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie Lehrer im Mathematikunterricht der Oberstufe neue Themengebiete einführen. Und sie hinterfragt, ob der Erfolg dabei tatsächlich nur von deren Fachwissen abhängt. „Das glaube ich nämlich nicht", sagt sie: „Dass die Wissenschaftler in der Studie besser erklärt haben, könnte auch daran liegen, dass sie ein ganz anderes Mindset hatten als die Lehrkräfte."

Mit „Mindset" meint Weinhuber die Vorstellungen, die man sich von seinem eigenen Fachgebiet macht. Sie können sehr unterschiedlich sein. Mathematik wird in der Schule zum Beispiel oft als etwas sehr Statisches betrachtet: Es gibt einen Werkzeugkasten an Formeln, die man nach bestimmten Regeln und Schritt-für-Schritt-Anleitungen wie Kochrezepte verwendet. Das andere Extrem ist die dynamische Mathematik der Wissenschaft. Sie dient in erster Linie der Argumentation oder dem Lösen von Problemen. „Viele Studierende müssen sich in den ersten Semestern an eine ganz neue Mathematik gewöhnen", beschreibt Weinhuber die unterschiedliche Vermittlungskultur von Universität und Schule. Je nach Kontext, so Weinhubers Theorie, formuliert man Erklärungen auf unterschiedliche Art und Weise.

Comic für den Kontext

Weinhuber untersuchte daher, ob vor allem der Kontext und das damit verbundene Mindset für die Qualität von Erklärungen verantwortlich sind. Ihre Versuchspersonen, Lehrer und Studierende, sollten eine Einführung zum Thema „Extremwerte mit Nebenbedingungen" schreiben. Anschließend machten sie einen Mathe- und einen Fachdidaktiktest. Das Besondere: Bevor die Versuchspersonen ihre Aufgaben bekamen, lasen sie einen Comic in einer von zwei möglichen Varianten.

Er handelte von der Hausaufgabenbesprechung in einer Klasse. Was sich unterschied, war der Wortlaut dieser Unterhaltung. Bei einem Teil der Versuchspersonen sollte der Comic das Schul-Mindset „Mathe als Kochrezept" anregen: Hier besprach die Klasse die einzelnen Lösungsschritte. Bei den anderen Probanden versuchte Weinhuber das universitäre Mindset „Mathe als Argumentation" zu aktivieren: In diesem Comic diskutierten die Schüler ihre unterschiedlichen Lösungsansätze. „Wissen und Handeln sind immer situationsbezogen. Mit den Comics kann ich Leute in einen bestimmten Kontext bringen – und das kann in ihren Köpfen gewisse Mindsets anregen", erklärt Weinhuber.

Die Ergebnisse zeigen, dass sie mit ihrer Intuition richtig lag: Die Versuchspersonen, die in den Argumentationskontext versetzt wurden, schrieben anschließend lernförderlichere Erklärungen als diejenigen, die im für die Schule typischen Kochrezeptkontext blieben. „Ich konnte zeigen, dass Lehrkräfte sehr wohl das Fachwissen haben, um transferförderlich zu erklären – sie machen es nur nicht." Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass man die Vermittlungskultur der Schule überdenken sollte: „In der Lehre muss man die Betrachtung von Mathematik als reines Kochrezept überwinden."

Weinhubers Projekt ist Teil des Freiburg Advanced Center of Education (FACE), einer Kooperation zwischen der Universität und der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Ein Ziel von FACE ist die Entwicklung des neuen Studiengangs Master of Education, der bald das Lehramtsstudium ersetzen wird. Die Ergebnisse von Weinhubers Forschung fließen dort direkt ein. „Trägst du noch vor, oder erklärst du schon?" – so lautet der Titel des Seminars, das sie im kommenden Wintersemester anbieten wird. Darin möchte Weinhuber angehenden Lehrern erste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema näherbringen – zum Beispiel, dass die Aktivierung bestimmter Mindsets ausschlaggebend für transferförderliche Erklärungen sein kann.

Sarah Schwarzkopf

http://www.face-freiburg.de/