Kreislauf von Lesen und Schreiben
Freiburg, 09.12.2019
Da ein bisschen googeln, hier ein paar Zitate aus einem Aufsatz übernehmen, und fertig ist die Hausarbeit. Das geht – doch es geht auch besser und professioneller: Die Universität Freiburg unterstützt Studierende und Promovierende beim Verfassen wissenschaftlicher Texte – von der Recherche über das Schreiben und Zitieren bis hin zur Korrektur.
Illustration: Svenja Kirsch
Bekanntlich steigt die Lust, Staub zu saugen, Geschirr zu spülen oder Wäsche zu waschen, je näher ein Abgabetermin rückt. Hausarbeit statt Hausarbeiten. Da glaubt man, den entscheidenden Aufsatz noch nicht gefunden, geschweige denn gelesen zu haben – und der erste Satz lässt auch auf sich warten. Prokrastination nennt man das Phänomen, als sei es eine Krankheit, die einen dazu zwingt, An- und vielleicht auch Überforderungen erst einmal auszuweichen.
Recherche
Dr. Ralf Ohlhoff von der Universitätsbibliothek (UB) Freiburg rät dazu, in solch einer Situation Ruhe zu bewahren und sich den Rahmen der Aufgabe in Erinnerung zu rufen: Wer an einer Proseminararbeit sitzt, steht unter anderen Erwartungen als jemand, der eine Abschlussarbeit schreibt. Ohlhoff ist Fachreferent für Allgemeines, Orientalistik und Religionswissenschaft und Leiter des Dezernats Benutzung und Informationsdienste der UB.
„Hätte ich das doch früher gewusst …“ – Stoßseufzer wie diesen hören Ohlhoff und seine Kollegin Christine Schneider öfter. Schneider ist stellvertretende Leiterin des Dezernats Bibliothekssystem, leitet die Bibliothek der Wirtschaftswissenschaften und ist Fachreferentin für Politik, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften. Gemeinsam mit Ohlhoff bietet sie den Kurs „Digital Literacy für Studium und Beruf“ am Zentrum für Schlüsselqualifikationen der Universität an.
Natürlich sei es möglich, mithilfe der empfohlenen Seminarlektüre und einer Internetsuchmaschine eine Hausarbeit zu schreiben. Doch es geht professioneller und wissenschaftlicher: Ohlhoff, Schneider und ihre Kolleginnen und Kollegen von der UB loten aus, wann jeweils der richtige Zeitpunkt ist, das Handwerkszeug der wissenschaftlichen Recherche zu vermitteln – denn der unterscheidet sich von Fach zu Fach. Während Studierende der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften selbst auf die Fachreferentinnen und Fachreferenten zukommen, ist wissenschaftliches Arbeiten – dazu gehören zum Beispiel Literaturrecherche, Informationskompetenz und Präsentation – zum Beispiel bei den Wirtschaftswissenschaften ein Wahlpflichtfach.
In der Geschichtswissenschaft wiederum ist das Modul „Basiswissen Bibliothek“, das Dr. Marcus Schröter unterrichtet, seit Jahren fester Bestandteil der Einführungsvorlesung für Erstsemester. „Studierende bekommen hier eine erste Vorstellung davon, wie man das Thema Recherche angeht“, sagt der Fachreferent für Geschichte und Buchwesen. Ein zweiter verpflichtender Baustein ist ein zweistündiger Vertiefungskurs in der UB, in dem Studierende den Umgang mit Fachbibliografien und Datenbanken üben. Wer dann noch Fragen hat, kann die individuelle Beratung der Fachreferenten in Anspruch nehmen.
Schreiben
„Die Qualität der Recherche mündet in die Qualität der schriftlichen oder mündlichen Präsentation“, sagt Schröter. Dabei sei es wichtig, die unterschiedlichen Formen des wissenschaftlichen Arbeitens nicht strikt voneinander zu trennen: „Recherchieren, lesen und schreiben ist eher als ein Kreislauf zu verstehen. Und ein zentrales Ziel jeder Recherche ist es, das Gefundene und Gelesene anschließend intellektuell zu verarbeiten und in Texte zu verwandeln.“
Nicht erst seit den deutschlandweit organisierten „Langen Nächten der aufgeschobenen Hausarbeiten“ profilieren sich die Universitätsbibliotheken zudem als Orte des Schreibens. Auch in Freiburg veranstaltete man diese Nächte, erst in der alten Stadthalle, dann in der neuen UB. Inzwischen heißt die Veranstaltung in Freiburg „Vom Thema zum Text“ und wird vom Schreibzentrum der Pädagogischen Hochschule unterstützt. Die Universität selbst hat kein Schreibzentrum. Die Fachreferenten der UB profitieren bei der Vermittlung von eigenen Erfahrungen mit dem wissenschaftlichen Arbeiten und absolvierten Fortbildungen zum Thema Schreibberatung.
Wie eng Recherche und Schreiben miteinander verzahnt sind, zeigt sich auch an inkorrekten Zitaten oder gar Plagiaten. Das berühre die Frage nach der Literaturverwaltung, sagt Ralf Ohlhoff: Wer zitiert, muss wissen, woher der Text kommt. In ihrem Kurs üben Ohlhoff und Christine Schneider deswegen nicht zuletzt das korrekte Belegen. Denn falsches Zitieren könne zu schlechteren Noten und im schlimmsten Fall zum Verlust des Studienplatzes führen.
Korrektur
„Für uns ist es schön zu sehen, wenn sich die sprachlichen Fähigkeiten verbessern“, sagt Christina Nurawar Sani. Zusammen mit ihrer Kollegin Carla Vlad bietet sie unter dem Dach der Internationalen Graduiertenakademie der Freiburg Research Services einen Korrekturservice für internationale Promovierende an. Vlad ist seit 2010 dabei, Nurawar Sani seit 2015. Der Deutsche Akademische Austauschdienst fördert ihre Dienstleistung aus Mitteln des Auswärtigen Amtes. Ein Rundum-sorglos-Paket wartet allerdings nicht auf die Doktorandinnen und Doktoranden. Es geht um den Lernerfolg. Und daher lautet der Rat von Nurawar Sani auch, nicht zu warten, bis sich Fehler verstetigen, sondern möglichst schon am Anfang der Promotionsphase zu kommen. „Die Promovierenden können auf diese Weise sicherstellen, dass sie ihre Ideen und Gedanken sprachlich angemessen ausdrücken“, sagt Vlad.
Durchschnittlich 26 internationale Promovierende nutzen jährlich das Angebot. Die Lektorinnen verbessern jeweils etwa zehn Seiten einer Arbeit. Das können deutschsprachige Auszüge aus der Dissertation, Vorträge für Tagungen oder auch Aufsätze sein. Dieser Seitenumfang habe sich bewährt, denn bei zehn Seiten bekomme man einen guten Eindruck davon, wo die jeweiligen Schwächen liegen. Ein Korrekturprotokoll systematisiert die häufigsten Fehler und führt Vorschläge zum Stil an. Meistens findet auch ein persönliches Treffen statt, um Fragen zu klären. Nurawar Sani und Vlad möchten den Promovierenden dabei helfen, ihren Wortschatz zu erweitern und ihre Grammatikkenntnisse zu verbessern, außerdem geben sie Tipps zum wissenschaftlichen Schreiben und zum eigenständigen Überarbeiten weiterer Texte. Wichtig sei auch, einheitliche Schreibweisen zu verwenden.
Meist nehmen die Promovierenden den Service mehrfach in Anspruch. Es sei Sinn des Angebots, dass Doktorandinnen und Doktoranden öfter kämen, bekräftigt Christina Nurawar Sani, denn das eigentliche Ziel sei, das eigenständige Schreiben zu unterstützen. Inhaltliche Korrekturen oder gar eine Überprüfung fachlicher Sachverhalte kann und will der Dienst nicht leisten. „Viele Promovierende reichen über die ganze Promotionszeit hinweg Texte ein, und am Ende melden sich eigentlich alle mit einem großen Dankeschön“, sagt Christina Nurawar Sani.
Annette Hoffmann