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Fragen erwünscht

Das Studierenden-Trainingszentrum, das Skills-Lab der Medizinischen Fakultät, feiert sein zehnjähriges Bestehen

Freiburg, 14.11.2018

Fragen erwünscht

Foto: Thomas Kunz

Komplett mit Mundschutz, Haube, Kittel und Handschuhen, unter penibler Beachtung sämtlicher Hygienevorschriften angelegt, haben sich die Studierenden in der Sterilzone um den Operationstisch versammelt. Während der Herzmonitor gleichmäßig piept, verlangt der Tutor Dominik Stankewitz nach den ersten Instrumenten, um den Schnitt am Bauchraum des Patienten zu setzen. Auch wenn der Patient nur ein Dummy ist, wird die Situation nicht nur gespielt, sondern wie ein Ernstfall behandelt. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied: Fragen sind jederzeit erwünscht. „Ich würde dich bitten, das Schlauchende jetzt einmal so an die Anästhesistin weiterzugeben, dass du dich dabei nicht unsteril machst“, instruiert der Tutor seine assistierenden Studierenden. „Wer ist denn die Anästhesistin?“, fragt einer von ihnen und beweist damit: Auch Fragen, die sich die Studierenden im regulären Studium aus Angst, sich zu blamieren, wohl eher verkneifen würden, sind hier möglich.

Operation am Dummy: Im Skills-Lab der Medizinischen Fakultät üben Studierende für den späteren Berufsalltag. Foto: Thomas Kunz

Von Studierenden für Studierende

Genau das ist die Grundidee von Skills-Labs, die es inzwischen bundesweit an vielen medizinischen Fakultäten gibt: Studentische Tutorinnen und Tutoren üben mit Studierenden Fähigkeiten ein, die sie später im Berufsleben einfach können müssen. Dabei ist die Hemmschwelle, das zu fragen, was wirklich unklar ist, geringer als im Regelstudium. Universitätskliniken sind gewöhnlich eher hierarchisch strukturiert und die Lehre an Patientinnen und Patienten ist an eine strikte Choreographie gebunden. Andererseits formuliert nicht erst der aktuelle Masterplan Medizinstudium 2020 das Ziel, dass Ärztinnen und Ärzte praxisnäher ausgebildet werden mögen. Die Lösung: selbstorganisiertes Peer-to-Peer-Lernen, von Studierenden für Studierende. Wie gut diese Idee angenommen wird, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass sich die Zahl der Teilnehmenden in Freiburg seit den Anfängen fast verfünffacht hat – von 492 im Akademischen Jahr 2008/09 auf 2.231 im Akademischen Jahr 2017/18.

Angefangen hatte alles mit viel studentischer Initiative – und Studiengebühren, die in diesem Fall denen, die sie bezahlten, direkt wieder zugutekamen. Die Studienkommission hatte aus diesem Topf für die Einrichtung eines Skills-Labs für die Medizinische Fakultät 150.000 Euro bewilligt, dazu 25.000 Euro jährlich für den laufenden Betrieb. Bereits 2007 hatte die damalige Leiterin des Studiendekanats Dr. Irmgard Streitlein-Böhme die notwendigen Antragsformalitäten erfolgreich auf den Weg gebracht. „Von mir aus könnte es losgehen“, sprühte Sebastian Müller, eine der ersten Hilfskräfte des selbstorganisierten Trainingszentrums, im Sommer 2007 voller optimistischem Tatendrang. Aber vor dem Startschuss standen die Mühen der Ebene, beispielsweise praktische Probleme, wenn die bestellten Geräte ankamen. „Es gibt hier leider keinen, der sich mit dem neuen Auskultationsmodell richtig auskennt. Wir müssen uns da selbst erst reinarbeiten“, beschrieb Tutorin Christina Schwarting die damaligen Einstiegshürden am Beispiel einer Anschaffung, mit deren Hilfe die Studierenden die Kunst des Abhörens einüben können.

Ob Wunden nähen (links) oder Blut abnehmen (rechts):  Das Studierenden-Trainingszentrum unterstützt die praxisnahe Ausbildung angehender Ärzte. Fotos: Thomas Kunz

Begeisterte Tutoren

Zwei weitere Hürden wurden einmal locker kreativ, einmal mit Hartnäckigkeit übersprungen. Kreativität war bei der Namensfindung gefragt: Lutz (Lern- und Trainingszentrum) oder gar TÄF (Trainingszentrum für Ärztliche Fertigkeiten)? Die Wahl fiel auf StudiTZ (Studierenden-Trainingszentrum). Etwas hartnäckiger musste die Einrichtung einer hauptamtlichen Koordinatorinnenstelle betrieben werden, für die sich die Besetzung mit Edith Zellmer, allen Stimmen bis heute nach zu urteilen, als Glücksgriff erwiesen hat. Über die Jahre wurde das Kursangebot stetig erweitert und verbessert. Zudem unterstützte der Förderverein Alumni Freiburg e.V. die Ausstattung des Trainingszentrums mit medizinischen Geräten. Inzwischen reicht das Angebotsspektrum von Auskultation und Blutgasanalyse über Elektrokardiografie (EKG), Lungenfunktionsdiagnostik, Nahtkurs, Orthopädie oder Reanimation bis zu Ultraschall und Venenpunktion. Wer hört, mit welcher Begeisterung Julian Heß, Tanja Hülsen und Valentin Hirsch über ihre Tutorentätigkeit sprechen, hat das aus Patientensicht beruhigende Gefühl, dass da eine engagierte, fachlich versierte und auch im sozialen Umgang kompetente Ärztegeneration heranwächst.

Dass die Tutoren ihre Begeisterung auch weiterzugeben wissen, belegen die Zahlen: Wer einmal dabei war, nutzt das StudiTZ in der Regel auch für seine weiteres Studienleben. Wird es nicht irgendwann langweilig, als Tutor mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen immer wieder ähnliche Dinge zu üben? „Auf keinen Fall“, sagt Julian Heß. „Je öfter ich etwas mache, desto mehr Routine bekomme ich und desto mehr Sicherheit gewinne ich für meine spätere tatsächliche Berufsausübung.“ Und Valentin Hirsch hebt hervor, wie sehr ihm das Anleiten geholfen hat, freier vor größeren Gruppen sprechen zu können, während Tanja Hülsen schon im Kopf hat, welchen Kurs sie demnächst gerne anbieten würde.

Das Trainingszentrum ist noch zu wenig bekannt, bedauern die Tutoren – geht es nach ihnen, werden künftig noch mehr Studierende den Weg in die Elsässer Straße 20 finden.
Foto: Thomas Kunz

Eigeninitiative erforderlich

Umso überraschender ist es zu hören, was alle drei bedauern: dass das StudiTZ-Angebot im Studierendenumfeld noch viel zu wenig bekannt ist. „Vielen, und zwar Studierenden wie Lehrenden, ist gar nicht bewusst, dass es uns gibt“, sagt Tanja Hülsen. Wie kann das sein? „Wir sind nicht im Curriculum verankert“, erläutert Koordinatorin Edith Zellmer. Studierende werden also im Laufe ihres Studiums nicht automatisch irgendwann einmal Bekanntschaft mit den Möglichkeiten des StudiTZ machen. Es erfordert ein gewisses Maß an Eigeninitiative, auch um die entsprechenden Kursangebote zu finden, während man selbst gerade mit den – ja nicht gerade geringen – Regelanforderungen des Medizinstudiums beschäftigt ist. „Andererseits gibt uns diese Nichteinbindung die Freiheit, selbst zu entscheiden, was und wie wir etwas anbieten“, erläutert Zellmer. „So können die Studierenden aus ihrem Studienalltag heraus für sich überlegen, was ihnen fehlt, wie sich das Regelstudium sinnvoll ergänzen lässt, und genau dazu ihr Kursangebot erarbeiten. Das ist auch unsere Stärke und die möchten wir unbedingt erhalten.“ Auch die Leiterin des Studiendekanats Prof. Dr. Petra Hahn hält die Einrichtung des STudiTZ für einen sehr wichtigen Entwicklungsschritt für die Verbesserung der Lehre. „Die Erfahrung mit dieser positiven Lernumgebung wird mit Sicherheit bei der Planung eines anstehenden größeren Lehrgebäudes eine wichtige Rolle spielen.“

„Es gibt keine effektivere Lernmethode, als anderen etwas beizubringen“, sagt Helmut Wollschläger, der sich mit großem Engagement im Freiburger Skills-Lab einbringt.
Foto: Thomas Kunz

Eine weitere Stärke des StudiTZ sind neben den Studierenden die vielen Lehrenden, die mit dem gleichen Engagement bei der Sache sind und vor allem auch für gut ausgebildete Tutoren sorgen. Einer von ihnen, der sich dort in seinem Ruhestand mit großem Engagement einbringt, ist Prof. Dr. Helmut Wollschläger: „Das StudiTZ ist eine wahnsinnig tolle und sehr, sehr wichtige Einrichtung, und ich bedaure, dass mir etwas Ähnliches während des eigenen Studiums nicht zur Verfügung gestanden hat. Es gibt keine effektivere Lernmethode, als anderen etwas beizubringen.“ Dabei geht es Wollschläger nicht nur um die Inhalte, sondern gerade um die Haltung und Motivation, aus der heraus jemand den Arztberuf überhaupt ergreift. „Es ist in meinen Augen fundamental wichtig, dem Patienten in einem nahezu ausschließlich ökonomisch fokussierten Fallpauschalensystem als Arzt menschlich gegenüber zu treten und in ihm nicht nur einen Kunden oder Wirtschaftsfaktor zu sehen. Das versuche ich, in jedem meiner Kurse zu vermitteln. Und ich erlebe die Studierenden hier im StudiTZ als durch die Bank prosozial eingestellt.“ Alle bisherigen Evaluationen, die regelmäßig erhoben werden, weisen bisher darauf hin, dass das StudiTZ auch in diesem Sinne auf einem sehr guten Weg ist.

Jürgen Reuß

www.studitz-freiburg.de