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Faszinierender Fachjargon im Fußball

Studierende der Universität Freiburg haben sich intensiv mit der Sprache der Sportart auseinandergesetzt

Freiburg, 06.05.2019

Faszinierender Fachjargon im Fußball

Foto: Africa Studio/stock.adobe.com

Das Runde muss ins Eckige? Die Königsblauen stecken in der Krise? Und wer ist dieser zwölfte Mann? Die Sprache im Fußball ist vielfältiger denn je. Doch längst nicht jeder ist vertraut mit den Redewendungen und Metaphern, die diesen Sport umgeben. Studierende der Universität Freiburg haben sich unter der Leitung des Privatdozenten und Linguisten Dr. Göz Kaufmann mit den sprachlichen Eigenheiten im Fußball beschäftigt und untersucht, wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben. Ihre Ergebnisse hat die Gruppe bei einer viertägigen Exkursion nach Gelsenkirchen im Umfeld des FC Schalke 04 überprüft.

So schnelllebig wie das Spiel selbst: Sportler und Journalisten finden ständig neue Begriffe für die immer gleichen Abläufe auf dem Rasen. Foto: Africa Studio/stock.adobe.com

Nicht jeder, der Sätze liest wie „Kroos hämmerte das Spielgerät [...] humorlos zum 3:0 in die Maschen“ weiß damit gleich etwas anzufangen. Dass Kroos mit Vornamen Toni heißt und ein deutscher Fußballspieler ist, werden viele vermutlich noch wissen. Und weil es um Fußball geht, lässt sich auch die Bedeutung von Wörtern wie „Spielgerät“ und „Maschen“ herleiten. Doch wie kommt es zu solchen sprachlichen Abwandlungen?

Fragen wie dieser ging Dr. Göz Kaufmann, Privatdozent und Linguist an der Universität Freiburg, zusammen mit seinen Studentinnen und Studenten im Wintersemester 2018/2019 nach. Mithilfe wissenschaftlicher Texte gruben sie in dem von Kaufmann angebotenen sprachwissenschaftlichen Masterseminar „Die Sprache des Fußballs“ längst verblasste Sprachbilder und Wortspiele aus, analysierten diese und glichen sie bei einer viertägigen Exkursion auf Schalke in Gelsenkirchen mit der Gegenwart ab.

Warum also hämmerte Kroos den Ball humorlos ins Tor? Das Wort „humorlos“, so die Erklärung Kaufmanns, habe in diesem Moderatorenkommentar seine eigentliche Bedeutung verloren: „Es bedeutet in diesem Zusammenhang ‚ohne viel zu fackeln‘ oder ‚auf sehr stramme Weise‘.“ Und dass aus dem Ball das „Spielgerät“ und aus dem Tor „Maschen“ werden, sei der Tatsache geschuldet, dass Journalistinnen und Journalisten – egal, ob sie fürs Radio, fürs Fernsehen oder für die gedruckte Zeitung arbeiteten – darum bemüht seien, die beim Fußball ewig gleichen Abläufe und Szenen möglichst abwechslungsreich zu beschreiben. Auch spannend: Verben wie „hämmern“ und „nageln“ kommen in der Berichterstattung über Frauenfußball eher nicht vor, bei Letzterem sicher auch wegen möglicher sexueller Konnotationen.

Volles Exkursionsprogramm

Mit den Jahren hat sich der Fußball also nicht nur kommerzialisiert, sondern auch in sprachlicher Hinsicht verändert. Diesen Wandel galt es im Rahmen des Seminars nachzuzeichnen – und das nicht nur einmal die Woche in einem Seminarraum des Kollegiengebäudes III, sondern auch in Arbeitsgruppen und auf Schalke. Die Exkursion sei eine fantastische Erfahrung gewesen, sagt die Studentin Amelie Bock, weil sie davon so viel Wissen mit nach Hause gebracht habe.

Ein Blick in das vollgepackte Exkursionsprogramm erklärt, warum: Stadionführung, Deutsches Fußballmuseum, Zeche Zollverein, Spielbesuch mit anschließender Pressekonferenz, zahlreiche Gespräche, zum Beispiel mit dem Fanbeauftragen und der Archivarin des FC Schalke 04 sowie mit Sportredakteuren der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. In der Zeit dazwischen befragten die Studierenden auch Passantinnen und Passanten in Gelsenkirchen zu ihrem ganz persönlichen Verhältnis zu Schalke.

Stadionluft schnuppern: Bei einem Besuch in der Veltins-Arena, der Heimstätte des Schalke 04, machten sich die Studierenden mit dem Spiel und der Geschichte des Vereins vertraut.
Foto: Amelie Bock

Fußball ist in dieser Stadt an jeder Ecke präsent. Die Studierenden Alexandra Droysen von Hamilton und Fabian Ruhrländer erzählen von Graffitis in Blau-Weiß, von Trinkhallen, die nach dem Traditionsverein benannt wurden, und von Burgern, die „Ernst Kuzorra seine Frau ihr Burger“ heißen. Zur Erklärung: Ernst Kuzorra war in den 1930er und 1940er Jahren Schalkes Topspieler. Vor Ort gewesen zu sein habe ihr Bild komplett gemacht, sagt Droysen von Hamilton.

Gemeinsam wurden in diesen vier Tagen spannende Kuriositäten zutage gefördert, zum Beispiel, dass auf Schalke Fußball nicht ohne den Bergbau denkbar ist. Pressekonferenzen eröffnen Schalkes Trainer traditionell mit dem Kumpelgruß „Glück auf“. Von der Vereinsarchivarin erfuhren die Studierenden auch, dass und wie Schalke 04 sich bis heute um die Aufarbeitung seiner Geschichte während des Dritten Reichs bemüht. Der Verein war damals der beste Fußballclub Deutschlands, was die Nationalsozialisten für ihre Zwecke werberisch auszuschlachten wussten.

Fußballsprache auch in der Politik

Göz Kaufmann bietet das Seminar bereits zum zweiten Mal an. Natürlich sei er selbst fußballbegeistert, sagt er. Neben seinem Schreibtisch hängen deutlich sichtbar Schalker Devotionalien. Für ihn als Fußballfan und Linguist sei es faszinierend, zu beobachten, dass Ausdrücke und Metaphern aus der Welt des Fußballs inzwischen in ganz normalen Alltagsgesprächen fallen, beispielsweise die Redewendung, dass jemand „den Ball flach halten“ oder „ihn endlich reinmachen“ soll. Selbst in der Politik müsse der Fußball immer wieder für knackige Statements herhalten, etwa wenn betont werde, dass die Verluste der SPD stark an den HSV erinnerten.

Kaufmann und seine Studierenden haben zudem untersucht, wie ein Verein wie der FC Schalke 04 kommuniziert und was davon bei den Fans ankommt oder wie sich die Sprache im Fußball durch die digitale Technik verändert hat: „Ähnelt die Sprache im Liveticker plötzlich wieder der eines Radiomoderators, der ebenfalls ohne Bilder auskommen muss, oder folgt sie ganz eigenen Regeln?“ Die Studierenden haben sich des Themas nun in wissenschaftlichen Hausarbeiten angenommen. Es bleibt also spannend.

 

Stephanie Streif